Fachbericht
Prävention & Zahnerhalt
21.10.24
Chairside-Lösung mit Chamäleoneffekt
Frontzahnrestauration mit einem farbreduzierten ormocerbasierten Komposit
Ästhetik, Frontzahn, Kompositrestauration, Kostenaufwand, Ormocer
Mit direkten Kompositrestaurationen können heute höchste ästhetische Ansprüche befriedigt werden. Neben der Schonung der Hart- und Weichgewebe im Vergleich zu indirekten Verfahren, wie bei Veneers bzw. Kronen, kann die Restauration in einem Termin ohne Abformung und Provisorium bei reduziertem Kostenaufwand erstellt werden.
Bei Zahnbehandlungen im Frontzahnbereich spielt das ästhetische Resultat neben funktionellen Belangen eine dominante Rolle. Während für die Behandler beide Aspekte von großer Bedeutung sind, konzentrieren sich viele betroffene Patienten vor allem auf das perfekte Aussehen der Restaurationen. Eine große Anzahl der Patienten hat erfreulicherweise ein ausgeprägtes Zahnbewusstsein entwickelt und ist daher auch bereit, für ein attraktives Lächeln entsprechende finanzielle Aufwendungen zu tragen.
In den letzten Jahrzehnten haben sich durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung in der Materialwissenschaft der Komposite und der Adhäsivsysteme große Fortschritte in den werkstoffkundlichen Eigenschaften eingestellt, wie auch in den damit verknüpften Anwendungsprotokollen der adhäsiven Zahnmedizin sowie in der Therapiesicherheit [1–3]. Im Gleichschritt konnte dadurch der Indikationsbereich adhäsiv befestigter Kompositrestaurationen im Front- und Seitenzahnbereich deutlich ausgeweitet werden. Insbesondere in den vergangenen 30 Jahren wurde im Bereich der Frontzähne die intraorale Anwendung von Kompositen am Patienten durch die Einführung und stetige Verbesserung unterschiedlicher Schichttechniken perfektioniert [4–12]. Mit direkten Kompositrestaurationen kann man heute – von minimalinvasiven Defektversorgungen über kavitätenlose Zahnumformungen bis hin zu umfangreichen Frontzahnaufbauten, welche oft einen Großteil des Kronenvolumens eines Zahnes ersetzen – ein breites Indikationsspektrum abdecken [13–16].
Es existiert mittlerweile eine fast unüberschaubare Vielfalt an Kompositmaterialien für den direkten Einsatz am Patienten. Einteilen kann man diese Restaurationsmaterialien in klassische Universalkomposite, traditionelle Flowables, Bulk-Fill-Komposite – in fließfähiger und modellierbarer Konsistenz – für den Seitenzahnbereich, thermoviskose Komposite bis hin zu sogenannten hochästhetischen Kompositen für die anspruchsvolle Frontzahnrestauration. Natürlich haben fast alle Komposithersteller auch die meisten dieser Materialklassen als eigene Produktmarke im Angebot. Das macht es für den Behandler oft schwer, noch den Überblick zu behalten, welches Material für welche Indikation am besten geeignet ist.
Im Trend: Materialien mit Chamäleoneffekt
Es kristallisiert sich daher seit einiger Zeit ein Trend heraus, wieder vermehrt Komposite für den universellen Einsatz zu favorisieren. Genauer noch, vor allem Produkte mit einem guten Chamäleoneffekt, der es ermöglicht, mit weniger Farben das komplette Vita-Spektrum abzudecken. Hat eine Praxis viele anspruchsvolle Patienten, die auch die notwendigen Zuzahlungen für ästhetisch hochwertige Frontzahnrestaurationen leisten, dann ist gegebenenfalls zusätzlich noch ein Ästhetikkomposit mit verschiedenen Transluzenz- und Opazitätsstufen nötig.
Das hochviskose, modellierbare Ormocer-Füllungsmaterial Admira Fusion 5 (Voco), wird in einem vereinfachten Cluster-Farbsystem mit nur fünf unterschiedlich eingefärbten Kompositmassen (A1; A2; A3; A3,5; A4) angeboten, die aber aufgrund ihres ausgeprägten Chamäleoneffekts in der Lage sind, das komplette Spektrum des Vita-Farbraums abzudecken. Es verfügt über eine nanohybride Füllertechnologie mit einem anorganischen Füllkörperanteil von 83 Gew.-% und weist eine Polymerisationsschrumpfung von 1,25 Vol.-% bei gleichzeitig niedrigem Schrumpfungsstress auf. Das Material enthält keine konventionellen Monomere mehr neben den Ormoceren in der Matrix. Werkstoffkundliche Optimierungen der Ormocerharzmatrix und damit einhergehende Veränderungen in der Lichtstreuung erlauben für alle 5 Farben eine kurze Polymerisationszeit von nur 10 Sekunden (Intensität Polymerisationslampe > 800 mW/cm²). Aufgrund ihrer Materialzusammensetzung verfügt die gesamte Admira Fusion Ormocer-Familie über eine hohe Biokompatibilität und Farbstabilität.
Klinischer Fall
Eine 59-jährige Patientin erschien in unserer Sprechstunde mit dem Wunsch, die durch Rückgang der Papillenspitzen exponierten schwarzen Dreiecke im Zervikalbereich des rechten lateralen Schneidezahns zu schließen. Durch die leichte Überlappung der Schneidezähne bedingt, stand Zahn 12 zusätzlich mit seiner mesialen Approximalleiste leicht palatinal vom mittleren Schneidezahn (Abb. 1). Der Zahn reagierte auf den Kältetest ohne Verzögerung sensibel und zeigte auf den Perkussionstest ebenfalls keine Auffälligkeiten. Nach der Aufklärung über mögliche Behandlungsalternativen und deren Kosten entschied sich die Patientin für ein direktes Veneer mit dem ormocerbasierten Komposit Admira Fusion 5 (Voco).
Gute Vorarbeit zahlt sich aus
Zu Beginn der Behandlung wurde der betreffende Zahn mit fluoridfreier Prophylaxepaste und einem Gummikelch gründlich von externen Auflagerungen gesäubert. Anschließend wurde die passende Kompositfarbe am noch feuchten Zahn ermittelt (Abb. 2). Es erfolgte danach eine Überprüfung der gewählten Kompositfarbe durch das Auftragen von einer kleinen Materialprobe der zu verwendenden Kompositmasse auf der nicht ausgetrockneten und nicht adhäsiv vorbehandelten Zahnhartsubstanz [17]. Die Kompositprobe muss für einen aussagekräftigen optischen Vergleich für die vom Hersteller vorgegebene Zeit lichtpolymerisiert werden. Erst durch die ausreichende Belichtung wird der in den meisten Kompositen enthaltene Photoinitiator Kampferchinon, der eine intensive gelbe Eigenfarbe aufweist, größtenteils verbraucht und in ein farbloses Reaktionsprodukt umgewandelt („Photobleach“) [18–23]. Nach der Polymerisation der auf die Zahnoberfläche aufgebrachten Kompositprobe werden deren optische Eigenschaften mit der umgebenden Zahnhartsubstanz auf Übereinstimmung hinsichtlich Farbton und Transluzenzgrad abgeglichen (Abb. 3). Zu diesem Zeitpunkt kann problemlos noch eine Korrektur durch Austausch einer optisch nicht optimal passenden Probe gegen eine besser passende Kompositmasse vorgenommen werden. Durch diesen individuellen Verifizierungsvorgang, der nur eine sehr kurze Zeit beansprucht, wird sichergestellt, dass für die nachfolgende Restauration die optimal passende Kompositmasse verwendet wird. Dadurch lassen sich zeitintensive Nacharbeiten oder gar Neuanfertigungen aufgrund von ästhetischen Reklamationen enttäuschter Patienten so gut wie in allen Fällen vermeiden.
Präparation
Die oberflächlichen Schmelzareale der labialen Fläche des Zahns wurden mit einem Finierdiamanten leicht instrumentiert und in diesem Arbeitsgang auch eine dezente äquigingivale Hohlkehle, zur Schaffung eines perfekten Übergangs des anzufertigenden direkten Kompositveneers mit der zervikalen Zahnkontur, angelegt (Abb. 4). Zur Darstellung des Präparationsrands wurde die marginale Gingiva mit einem Retraktionsfaden verdrängt (Abb. 5). Mit konturierten Teilmatrizen wurden beide Approximalbereiche gegen die Nachbarzähne abgegrenzt und für den lateralen Formaufbau vorbereitet. Die Matrizen wurden mit einem lichthärtendem Provisoriumsmaterial fixiert und gegen Verrutschen gesichert (Clip, Voco) (Abb. 6).
Adhäsive Vorbehandlung
Für die adhäsive Vorbehandlung der Zahnhartsubstanz wurde das Universaladhäsiv Futurabond M+ (Voco) ausgewählt. Bei Futurabond M+ handelt es sich um ein modernes Einflaschen-Universaladhäsiv, das mit allen gebräuchlichen Konditionierungstechniken und sämtlichen derzeit angewendeten Adhäsivstrategien kompatibel ist („Multi-mode“-Adhäsiv): der phosphorsäurefreien Self-Etch-Technik und beiden phosphorsäurebasierten Etch-and-Rinse-Konditionierungstechniken (selektive Schmelzätzung bzw. komplette Total-Etch-Vorbehandlung von Schmelz und Dentin mit Phosphorsäure). Auch bei diesen Universaladhäsiven resultiert die vorangehende Phosphorsäurekonditionierung des Zahnschmelzes (selektive Schmelzätzung) in einer besseren Haftvermittlung [24–26]. Im Gegensatz zu den klassischen Self-Etch-Adhäsiven verhalten sich die neuen Universaladhäsive unempfindlich gegenüber einer Phosphorsäureätzung des Dentins [27–31]. Die Möglichkeit, bei Verwendung dieser Universaladhäsive das Applikationsprotokoll in Abhängigkeit von intraoralen Notwendigkeiten ohne Wechsel des Haftvermittlers jederzeit kurzfristig variieren zu können, reduziert die Techniksensitivität. Zudem gibt es dem Behandler die nötige Freiheit, auf unterschiedliche klinische Situationen – pulpanahes Dentin, Blutungsgefahr der angrenzenden Gingiva, etc. – flexibel reagieren zu können.
Im vorliegenden Fall wurde die Vorbehandlung mit Phosphorsäure eingesetzt. Hierzu wurde 35%-ige Phosphorsäure (Vococid, Voco) auf das rein schmelzbegrenzte Versorgungsareal aufgetragen und wirkte dort für 40 s ein (Abb. 7). Anschließend wurden die Säure und die damit aus der Zahnhartsubstanz herausgelösten Bestandteile gründlich mit dem Druckluft-Wasser-Spray für 20 s abgesprüht und anschließend der Schmelz mit Druckluft getrocknet (Abb. 8). Nachfolgend wurde eine reichliche Menge des Universalhaftvermittlers Futurabond M+ mit einem Microbrush appliziert (Abb. 9). Das Adhäsiv wurde für 20 s mit dem Applikator sorgfältig in die Zahnhartsubstanzen einmassiert. Nachfolgend wurde das Lösungsmittel mit trockener, ölfreier Druckluft vorsichtig verblasen (Abb. 10) und der Haftvermittler danach mit einer Polymerisationslampe für 10 s ausgehärtet (Abb. 11). Es resultierte eine glänzende und überall gleichmäßig von Adhäsiv benetzte Kavitätenoberfläche (Abb. 12). Dies sollte vor dem Einbringen des Restaurationsmaterials sorgfältig kontrolliert werden, da matt erscheinende Kavitätenareale ein Indiz dafür sind, dass nicht ausreichend Adhäsiv auf diese Stellen aufgetragen wurde. Im schlimmsten Fall könnte sich dies in einer verminderten Haftung der Füllung an diesen Bereichen auswirken. Werden daher bei der visuellen Kontrolle derartige, nicht von Adhäsiv abgedeckte, matt aussehende Areale entdeckt, so wird dort korrigierend selektiv nochmals Haftvermittler aufgetragen, um die Adhäsivschicht zu optimieren.
Kompositaufbau
Im nächsten Schritt wurde die komplette mesiale Approximalfläche mit dem modellierbaren Ormocer Admira Fusion 5 (Voco) aufgebaut (Abb. 13) und für 10 s mit einer Polymerisationslampe (Lichtintensität > 800 mW/cm²) ausgehärtet (Abb. 14). Der Vorgang wurde für die distale Approximalfläche wiederholt (Abb. 15 und 16). Nach dem Aufbau der beiden Approximalflächen wurden die nunmehr nicht mehr benötigten Metallmatrizen entfernt (Abb. 17). Dies erleichtert im weiteren Verlauf den Zugang zum Behandlungsareal mit Handinstrumenten zur Ausformung der noch fehlenden Strukturen und ermöglicht durch die verbesserte Einsehbarkeit eine bessere visuelle Kontrolle der nachfolgend aufzutragenden Materialschicht. Mit dem nächsten Inkrement Admira Fusion 5 wurde die noch fehlende labiale Fläche aufgebaut (Abb. 18). Das Füllungsmaterial wurde erneut für 10 s polymerisiert (Abb. 19).
Bearbeitung
Das direkte Kompositveneer wurde sorgfältig mit rotierenden Instrumenten und abrasiven Scheibchen ausgearbeitet. Danach wurde mit Kompositpolierern (Diacomp Twist, EVE Ernst Vetter) eine glatte und glänzende Oberfläche der Restauration erzielt. Abbildung 20 zeigt die fertige Restauration, die das mesiale schwarze Dreieck schließt bzw. an der distalen Seite minimiert. Durch die Veneerverblendung wurde der Zahn auch etwas labialisiert und somit die Zahnstellung optisch verbessert. Zum Abschluss wurde mit einem Schaumstoffpellet Fluoridlack (Bifluorid 10, Voco) auf den Zahn appliziert.
Schlussbemerkungen
Direkte zahnfarbene Kompositrestaurationen erlauben auf substanzschonende Art und Weise die Versorgung im Frontzahnbereich in einem einzigen Behandlungstermin [32]. Sie treten – bei geeigneter Indikation, korrekter Anwendung der ästhetischen Analyse, einer sorgfältigen Schichttechnik und einer gewissen manuellen Geschicklichkeit durch den Behandler – mittlerweile auch in vielen anspruchsvollen Situationen in Konkurrenz zu laborgefertigten vollkeramischen Restaurationen wie Veneers oder Kronen.
Literaturliste
www.teamwork-media.de/literatur
Kontakt
Prof. Dr. Jürgen Manhart
Manhart Dental Academy
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www.manhartdental.de
Prof. Dr. Jürgen Manhart bietet Fortbildungen und praktische Arbeitskurse im Betätigungsfeld der ästhetisch-restaurativen Zahnheilkunde an. Dazu zählen die Bereiche Komposit, Vollkeramik, Veneers, postendodontische Versorgung, Zusammenarbeit Zahnarzt und Zahntechniker, ästhetische Behandlungsplanung sowie Bisshebung im Abrasionsgebiss.
Fachbericht
Prävention & Zahnerhalt
21.10.24
Chairside-Lösung mit Chamäleoneffekt
Frontzahnrestauration mit einem farbreduzierten ormocerbasierten Komposit
Ästhetik, Frontzahn, Kompositrestauration, Kostenaufwand, Ormocer
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