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18.06.24

Chance auf Rehabilitation?

Erstattung bei Defektprothesen und Fluoridierungsschienen bei MKG-Versehrten oft nur anteilig gegeben

Defektprothesen, Kostenerstattung, Krankenversicherung, Krebsdiagnose, MKG-versehrte Patienten

Redaktion teamwork

In einer Pressekonferenz der wissenschaftlichen zahnmedizinischen Fachgesellschaften DGPro, DGZ und DGZMK haben Experten die Versorgungsmöglichkeiten von mund-, kiefer- und gesichtsversehrten Patienten dargelegt. Ziel ist es, gemeinsam mit den vertragszahnärztlichen Standesorganisationen und den Kostenträgern eine Lösung herbeizuführen, um den Status Quo im Bereich der Kostenerstattung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu verbessern.

Früher waren es vor allem Veteranen der Weltkriege, insbesondere des ersten, die aufgrund von Kampfhandlungen schwere Gesichtsdefekte davongetragen haben. Heute sind angeborene Fehlbildungen, Unfälle, Infektionen oder Krebserkrankungen die Ursache dafür, dass Menschen Teile des Gesichts oder Mundraums verlieren. Dieses Schicksal kann jeden und jede treffen. Allein in Deutschland wird die Diagnose Krebs im Mund- oder Rachenraum jährlich über 13.000 mal gestellt.

Lebensqualität durch Defektprothesen

Waren die betroffenen Veteranen früher oft ihrem Schicksal überlassen, sind die Möglichkeiten der Chirurgie und Mund-Kiefer-Gesichtsprothetik sowie Epithetik heute wesentlich weiter. Defektprothesen haben einen wissenschaftlich anerkannten Nutzen, indem sie Betroffenen die Fähigkeit zum Sprechen und normalen Essen zurückgeben. Die Rehabilitation ist allerdings weitreichender als die Wiederherstellung der Funktion. Ein verständliches Sprechen, normales Essen und eine wiederhergestellte äußere Gesichtsästhetik ermöglichen Betroffenen, sich wieder ohne Scham unter Menschen zu bewegen und soziale Kontakte zu pflegen. Das steigert die Lebensqualität erheblich. Auch die Wiedereingliederung in den Beruf ist mit Hilfe einer solchen Rehabilitation besser möglich.

Ein zur Defektdeckung notwendiger Obturator wird derzeit von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) nur übernommen, wenn die Versicherten einer bestimmten Befundklasse zugeordnet werden können. Andernfalls müssen die gesetzlich Versicherten die Kosten zu großen Teilen selbst tragen.

Nur wenige spezialisierte, universitäre Zentren

In Deutschland gibt es wenige universitäre Zentren, die innerhalb der zahnmedizinischen Prothetik auf die Rehabilitation von kiefer-gesichts-versehrten Patienten spezialisiert sind. „Als universitäres Zentrum können wir diesen Patientinnen und Patienten das vollständige chirurgische und prothetische/epithetische Behandlungsspektrum anbieten. Dabei ist eine besonders enge interdisziplinäre Zusammenarbeit aller beteiligten Fachdisziplinen unumgänglich, um ein individuelles Therapiekonzept zu erstellen und umzusetzen. Leider müssen die Betroffenen für die einzelnen Therapieschritte teils weite Anfahrtswege auf sich nehmen“, sagt Dr. Horst-Uwe Klapper, Oberarzt des Bereiches Chirurgische Prothetik und Epithetik am Universitätsklinikums Leipzig AöR.

Schwierigkeiten bei der Übernahme der Kosten

Die behandelnden spezialisierten Zahnärzte versuchen, ihre Patienten auch bei der Kommunikation mit Kostenträgern weitestgehend zu unterstützen, um ohne Verzögerung eine Rehabilitation zu ermöglichen. „Diese Situation ist in erster Linie für die betroffenen Patientinnen und Patienten schwierig. Eine soziale und ökonomische Wiedereingliederung aufgrund der Rehabilitation mit Defektprothesen oder Obturatoren würde ungleich höhere Folgekosten einer solchen schwerwiegenden Erkrankung verhindern“, sagt Priv. Doz. Dr. Christoph Runte, Leiter des Bereiches Mund-Kiefer-Gesichtsprothetik in der Abteilung für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien des Universitätsklinikums in Münster.

Erstattungsprobleme bei präventiven Hilfsmitteln

Neben Hürden bei der Kostenübernahme der Rehabilitation nach der Tumortherapie kommen auch im Vorfeld schon große Herausforderungen auf die Betroffenen zu. Patienten, die sich aufgrund einer Tumorerkrankung im Mund-Rachen-Bereich einer Strahlentherapie unterziehen müssen, brauchen vor, während und nach der Bestrahlung eine umfassende zahnmedizinische Betreuung.

Eine Bestrahlung kann die Speicheldrüsen schädigen und die Zähne anfälliger für Karies machen. Ferner kommt es häufig zu Mundtrockenheit, Mundschleimhautentzündungen, eingeschränkter Mundöffnung und im schlimmsten Fall zum Absterben des Kieferknochens.

„Wir versuchen bei solchen Patientinnen und Patienten die häusliche Mundhygiene zu verbessern, denn das kann das Auftreten von Mundschleimhautentzündungen und Strahlenkaries reduzieren, gegen Karies arbeiten wir zudem intensiv mit hochdosierten Fluoriden“, erläutert Professorin Dr. Nadine Schlüter, die als Direktorin der Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventivzahnmedizin an der Medizinische Hochschule Hannover (MHH) orale Folgen therapeutischer Behandlungen von Tumorerkrankungen erforscht. Ein wichtiges Hilfsmittel dabei sind unter anderem Strahlenschutz- und Fluoridierungsschienen, die während der aktiven Bestrahlung und zu Hause über den Zähnen getragen werden. Diese präventiven Hilfen einschließlich der hochdosierten Fluoridzahnpasten werden bei gesetzlich Versicherten nur teilweise durch die Krankenkassen erstattet.

Kostenübernahme unabhängig von Befundschemata

Die Referenten der Pressekonferenz schlagen die Aufhebung der Beschränkung der Abrechnungsfähigkeit von Defektprothesen vor. Daneben regen sie an, die präventiven Möglichkeiten in Form von Strahlenschutzschienen und hochdosierter Fluoridanwendung mehr als bisher im Rahmen der gesetzlichen Versicherung zu erstatten. Gemeinsam mit den Vertretern von GKV-Spitzenverband, KZBV und dem Gemeinsamen Bundesausschuss, die für die leistungsrechtliche Ausgestaltung zuständig sind, wollen die Fachgesellschaften nach Lösungswegen suchen, um den Weg für eine niedrigschwellige Rehabilitation zu ebnen und im besten Fall eine vollständige Kostentragung auch für diese Versorgungen für alle betroffenen Versicherten zu ermöglichen.

Quelle: DGPro, DGZ, DGZMK

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