Fachbericht

Implantologie & Parodontologie

16.11.21

Chirurgie und Prothetik: Alles geht in Keramik!?

Implantologie: Materialselektion und Therapieerfolg

Keramikimplantat zweiteilig, Materialunverträglichkeiten, Metallsensitivität, Risikoanalyse, Titanpartikel, Titanstimulationstest

Dr. Frederic Hermann MSc

Neben den klassischen und über Jahrzehnte wissenschaftlich dokumentierten Titanimplantaten, etablieren sich zunehmend metallfreie Varianten zahnärztlicher Implantate am Markt. Dies kann einerseits auf eine rapide Entwicklung der materialkundlichen Eigenschaften, sowie auf eine Optimierung der Oberflächenbeschaffenheit zur Förderung der ossären Integration zurückzuführen sein.

Gefördert durch eine zunehmende Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung, steigt auf der anderen Seite die Nachfrage nach metallfreien Alternativen in der zahnärztlichen Therapie. Im Bereich der konservierenden und festsitzenden Prothetik kann dies im vergangenen Jahrzehnt gar als Paradigmenwechsel bezeichnet werden. Komposite und Keramiken haben Amalgame und Metalllegierungen weitestgehend abgelöst. Entsprechende Empfehlungen finden sich in der aktuellen S3-Leitlinie „Vollkeramische Kronen und Brücken“ [32].

Frage zur Therapie
Wie häufig treten Materialunverträglichkeiten im Patientenkollektiv auf?

Liegt eine positive (Material-)Allergieanamnese vor, so sollten im Vorfeld einer geplanten Implantattherapie weiterführende Untersuchungen angestrebt werden. Die Prädisposition für eine Metallunverträglichkeitsreaktion, speziell auf Titan-Grad-4-Implantate, kann als sehr gering bezeichnet werden. Dabei stellen klassische Typ-4-Sensibilisierungen auf Titan eine Rarität dar. Problematisch erscheinen Legierungsbestandteile, wie Nickel, Vanadium und Aluminium, die in Titan-Grad-5-Legierungen enthalten sind. In Bezug auf eine Titanunverträglichkeit finden sich im LTT- oder Titanstimulationstest nachweisbare Sensibilisierungen mit einer Prävalenz von 0,004 bis 4 % im Patientenkollektiv.

Die als biokompatibel bezeichneten Metalle zeigen bei der Mehrheit der Patienten keine negativen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus. Einige Patienten weisen jedoch eine ausgeprägte Metallsensitivität auf, die mittlerweile durch Lymphozytentransformationstests (LTT) und Titanstimulationstests nachgewiesen werden kann. Bei dieser Patientengruppe sollte eine Metallexposition unter allen Umständen vermieden werden [8, 14, 15, 41].
So haben sich keramische Materialien (monolithisches Lithiumdisilikat: Kronen, Zirkonoxid: Kronen/Brücken) auf Niveau der Implantat-Prothetik und der Implantat-Abutment-Verbindung (Titanklebebasis-Konzept) in den vergangenen Jahren zunehmend etabliert und zeigen wissenschaftlich hohe Überlebensraten [28]. Doch wie sieht es auf Niveau des Implantats aus? Kann hier ein keramisches Material den Goldstandard Titan in seinen werkstoffkundlichen Eigenschaften und seiner zuverlässigen Osseointegration ersetzen?
In den vergangenen Jahren hat sich Zirkonoxid als Implantationsmaterial in der zahnärztlichen Chirurgie zunehmend etabliert. Dahinter steht das Bestreben nach ästhetischem und immunologisch neutralem Zahnersatz einerseits, andererseits versucht man einen alternativen Werkstoff zu finden, der in Zukunft Titan als Standardmaterial gleichgesetzt werden könnte. Zirkonoxid zeichnet sich durch seine hohe Festigkeit und Härte aus [6, 13] und hat sich in vielen Bereichen der Zahnmedizin bewährt. Der Anwendungsbereich liegt zunehmend in der Kronen- und Brückenprothetik, als Material für Wurzelstifte und in der Verwendung als ImplantatabutmentMaterial [3, 5, 24, 26]. Weiterhin konnte man in der Vergangenheit viele Erfahrungen beim Einsatz von Zirkonoxid als orthopädisches Implantatmaterial, zum Beispiel als künstliches Hüftgelenk, sammeln [4, 33].
Im Gegensatz zur ISO Norm 6872, die für den zahnärztlichen Bereich gilt, sind die Anforderungen an das in der Implantologie zur Anwendung kommende Zirkon­oxid deutlich höher. Die ISO Norm 13356 gilt für Zirkonoxid-Implantate – hier muss beispielsweise die maximale Radioaktivitätskonzentration mit 0,2 Bq/g fünfmal niedriger liegen als bei einer Indikation im Dentalbereich [40].

Biologische und immunologische Aspekte
Die Trennung der Zahnmedizin von der allgemeinen Medizin ist ein veraltetes Modell. Krankhafte Veränderungen des Zahn-, Mund- und Kieferbereichs und ein Großteil der von Zahnärzten verwendeten Materialien und Methoden können Haupt- oder Mitverursacher für die Entstehung vieler Erkrankungen sein [22, 23].

Materialunverträglichkeiten
Materialunverträglichkeiten im dentalen Bereich setzen sich aus material­assoziierten und nichtmaterialassoziierten Reaktionen, Störungen und Erkrankungen zusammen [29]. Dabei sind die ursächlichen Zusammenhänge zwischen im Körper integrierten Materialien und wahrscheinlichen körperlichen Reaktionen auf die verwendeten Materialien schwer zu diagnostizieren und bedürfen oft einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit. Die zentrale Frage ist hierbei, ob es sich um dentalbezogene, allgemeinmedizinische und/oder psychosomatische Ursachen handelt [30].
Ein häufig beobachtetes Problem stellt die Freisetzung von Legierungsbestandteilen im oralen Milieu dar. Dabei bilden Korrosionsprozesse die Grundlage und sind oftmals Auslöser möglicher Beschwerden [18, 20, 29]. Die Auswirkungen lokaler intraoraler Faktoren – wie zum Beispiel ein reduzierter pH-Wert bei einer Spaltkorrosion – auf dentale Werkstoffe und davon ausgehende Fernwirkungen auf den Organismus sind in der Literatur vielfach belegt [11, 16, 19, 21, 25, 46]. So kann beispielsweise Gold als Legierungsbestandteil lokal intraoral lichen-ruber-ähnliche Veränderungen der Mukosa bewirken [1] und als Fernwirkung Magen-Darm-Beschwerden auslösen [11, 35].
Grundsätzlich kann die Zahl der Patienten mit nachgewiesenen Materialunverträglichkeitsreaktionen jedoch als gering angegeben werden [12, 29, 46].
Aus diesen Erfahrungen und Erkenntnissen, so formulierte es Reitemeier (2015) [30], resultieren folgende Empfehlungen:

  • Monometallische und vollkeramische Werkstoffe sollten bevorzugt werden.
  • Herstellergerechte Verarbeitung der Werkstoffe
  • Einsatz von Frästechnologien (CAD/CAM) zur Vermeidung von Schäden im Legierungsgussgefüge (Lötungen vermeiden).
  • Setzten wir also vermehrt die CAD/CAM-Technologie bei der Verwendung von Titan oder Keramiken – oder weiterer metallfreier Alternativen wie zum Beispiel PEKK – zur Herstellung unseres Zahnersatzes ein, so sind wir damit einen bedeutenden Schritt in Richtung der Biologisierung und Verträglichkeit zahnmedizinischer Werkstoffe gegangen.

Titanpartikel im Gewebe
Die Diskussion um Partikelabrieb an metallischen Implantaten und dessen Folgen auf den Organismus wird seit längerer Zeit in der Medizin geführt.
Im Bereich der zahnärztlichen Implantologie betrifft dies hauptsächlich die Implantat-Abutment-Verbindung, die je nach Hersteller und Implantattyp unterschiedliche Präzisionen hinsichtlich der Passgenauigkeit und Rotationsstabilität aufweist [9].
Beim Einsatz unterschiedlicher Materialien, wie zum Beispiel eines Vollzirkonoxid-Abut­ments in einer Titaninnenverbindung, kommt es unter Lasteinleitung zum Abrieb am schwächeren Material: in diesem Fall an der Titaninnenverbindung. Dieser Partikel­abrieb führt langfristig zur Abnutzung der Innenverbindung [36].
In den Abbildungen 1 und 2 ist dieser Titanpartikelabrieb im umliegenden periimplantären Gewebe nach einer Liegedauer des Implantats von zehn Jahren deutlich ersichtlich. Dies wird als Reibekorrosion (fretting corrosion) bezeichnet. So gelangen auch „Nebenelemente“ der Titanlegierungen, zum Beispiel Nickel, in geringer Konzentration ins umliegende Gewebe und können bei metallsensitiven Patienten und einer entsprechenden Prädisposition, Körperreaktionen hervorrufen [44]. Auch Weingart et al. konnten bereits 1994 Titanpartikel von intraoralen Titanimplantaten in regionalen Lymphknoten nachweisen [43].
Hierzu ist die momentane Studienlage noch auf einem niedrigen Evidenzniveau und weitere wissenschaftliche Untersuchungen müssen angestrebt werden, um den Einfluss von Partikelabrieb auf peri­implantäre Entzündungsreaktionen zu untersuchen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Prädisposition für eine Metallsensitivität, speziell auf Titan-Grad-4-Implantate, als sehr gering bezeichnet werden kann. So konnten die von ­Jungo M (1999) [17] publizierten Daten der Basler Beratungsstelle für zahnärztliche Material­fragen bei 0,004 % des selektierten Patientenguts Reaktionen auf Titan aufzeigen.
Eine im Jahr 2006 veröffentlichte Studie von Valentine-Thon (2006) konnte mittels des LTT-MELISA Testverfahrens eine Prävalenz von 4 % aller Patienten hinsichtlich einer Titanunverträglichkeit nachweisen [41].

Patientenfall
Klinische Fallanalyse und Planung eines zweiteiligen Keramikimplantats
Der vorliegende Patientenfall beschreibt eine seltene (0,004 – 4 %) [17, 41] Titanunverträglichkeit und die Versorgung eines nicht erhaltungswürdigen Frontzahns mit einem zweiteiligen Keramikimplantat.
Ein 47-jähriger Patient stellte sich mit progredienten Beschwerden im Oberkiefer-Frontzahnbereich in unserer Praxis vor. Im eingehenden Anamnesegespräch berichtete er von bestehenden Allergien und Unverträglichkeiten auf Metalle. Die klinische Fallanalyse zeigte eine vorliegende Längsfraktur in Kombination mit einer dezementierten Stiftkrone des endodontisch therapierten Zahns 21 (Abb. 3a bis c). Die periradikuläre Infektionslage ist in Abb. 3c ebenso deutlich zu erkennen, wie der mini­male Frakturspalt in Längsrichtung der verbliebenen Wurzel. Der Zahn wurde als nicht erhaltungswürdig eingestuft.
Der Schwierigkeitsgrad eines Patientenfalls wird gemäß der SAC-Klassifikation (S=straightforward, A=advanced, C=complex) bestimmt [7].
Bei einer Implantation im ästhetischen Bereich ist zusätzlich eine ästhetische Risikoanalyse notwendig, wobei hier auf das „Esthetic Risk Assessment“ des International Team of Implantology (ITI) verwiesen werden soll [2]. Hier werden die Implantatbehandlungen je nach Komplexität in die Kategorien A bis C eingestuft.
Liegen horizontale und/oder vertikale Knochendefekte vor, wird heute meist eine dreidimensionale Röntgenanalyse mithilfe der DVT-Technik empfohlen, womit diese Knochendefekte im Detail analysiert werden können.
Die vollständige Fallanalyse und Risiko­klassifizierung nach den SAC-Kriterien ist aus Tabelle 1 ersichtlich und ergab eine Klassi­fizierung A (advanced/fortgeschritten). Die spezifischen Hauptrisiken des Falls sind ebenfalls in der Tabelle aufgeführt.

Titanstimulationstest zeigt Allergieprädisposition
Aufgrund der positiven Allergieanamnese wurden im Rahmen der differenzialtherapeutischen Entscheidung ein Titan­stimultationstest und ein LTT-Melisa-Test durchgeführt. Die Testergebnisse sind in Abbildung 1a und 2a und die zugehörigen Erläuterungen in den Abbildungen 4 und 5 ersichtlich. Ein positiver Titanstimulationstest in Kombination mit einem erhöhten genetischen Entzündungsgrad stellt eine Prädisposition für ein Titan-assoziiertes Entzündungsgeschehen dar, welches mit einem primären oder sekundären Implantatverlust einhergehen kann. Dies bedeutet per se noch keine Kontraindikation für ein Titanimplantat. In diesen Fällen empfiehlt es sich jedoch, metallfreie Alter­nativen wie Keramikimplantate zu prüfen.
Eine Stellungnahme des Robert Koch-­Instituts aus dem Jahre 2008 [31] zum LTT-Testverfahren bestätigt eine Empfehlung bei Beryllium- und Nickelsensibilisierung, wie sie im dokumentierten Fall vorlag. Der Nachweis allergischer Reaktionen gegenüber Implantatmaterialien hingegen sei derzeit noch in Erprobung und es könne keine Empfehlung ausgesprochen werden, da weitere Untersuchungen nötig seien. Diese Empfehlung wurde in weiteren Studien erprobt und verifiziert [27, 31, 34, 38, 39, 41, 42].
Jedoch ist ein Lymphozytentransformationstest auf Titan nur in Ausnahmefällen und zusätzlich zum Titanstimulationstest zielführend, da Typ-IV-Sensibilisierungen auf Titan eine Rarität darstellen. Oxidierte Titanpartikel sind im Gegensatz zu Metallionen unter physiologischen Bedingungen nicht mehr zur Bildung von Metall-Protein-Komplexen fähig.
Jedoch finden sich beispielsweise bei Titan-Grad-4 und vor allem bei Grad-5-Legierungen, die häufig zur Herstellung von Implantaten, Sekundärteilen und Osteosyntheseschrauben verwendet werden, geringe Anteile an Nickel, Vanadium oder Aluminium (Abb. 6). Hierauf sind Sensibilisierungen im LTT nachweisbar.
Die Entscheidung, welches Material für den Patienten das geeignetste ist, bedarf einer ausgiebigen Beratung und individuellen Beurteilung. Die Verantwortung der Material- und Werkstoffselektion obliegt hierbei dem betreuenden Zahnarzt.

Materialwahl und Therapie­alternative
Im dokumentierten Patientenfall fiel die Entscheidung aufgrund der Prädisposition des Patienten und der Testergebnisse auf eine Rehabilitation im Sinne eines zweiteiligen Keramikimplantats. Als Therapiealternative wurde eine Adhäsivbrücke aufgrund des Diastema mediale (Beibehaltung seitens des Patienten gewünscht) sowie eine konventionelle Brückenversorgung aufgrund des Sub­stanzverlusts der Nachbarzähne ausgeschlossen. Zweiteilige ZrO₂-Implantate besitzen im Vergleich zu einteiligen den Vorteil, dass sie im Falle einer simultanen GBR geschlossen einheilen können und während der Einheilphase keiner kritischen Belastung ausgesetzt sind.

Erhalt des Alveolarkamms
Aufgrund der vorliegenden Entzündungslage wurde im ersten Therapieschritt der Wurzelrest minimalinvasiv chirurgisch entfernt und der Defektbereich im Sinne einer Alveolar Ridge Preservation mittels der „Ice-cream-cone“-Technik nach Prof. Tarnow und Than-Chu [37] versorgt. Diese ist, wie im vorliegenden Fall, bei einem Dehiszenzdefekt der bukkalen Knochenlamelle indiziert. Dabei wird eine resorbierbare Kollagenmembran (Memlok Pliable) in der Form eines „Ice-cream cone“ zugeschnitten und bukkal zwischen Knochen und Periosttasche (lappenlos) platziert. Nach der Augmentation der Alveole mit einem Knochenersatzmaterial als Platzhalter (MinerOss X) wird der runde Anteil über die Alveole geklappt, zusätzlich mit einem Kollagen-Fleece (Tissue Cone) abgedeckt und mittels mikrochirurgischer Nähte fixiert (Abb. 7a  bis d).
Nach einer Regenerationszeit von drei Monaten (Abb. 8a bis c) erfolgte die radiologische 3-D-Diagnostik (Abb. 8d und e) und der Datenmatch mit der digital erstellten Zielprothetik – unter Beachtung des Diasthema mediale – im Sinne eines klassischen Backward planning. Dabei wurde das Ziel einer okklusal verschraubten Implantatkrone verfolgt.
Abbildung 8d verdeutlicht den durch die Ridge Preservation weitestgehend erhaltenen Kieferkamm im krestalen Bereich. Werden in solchen Fällen keine Maßnahmen bei der Extraktion ergriffen, resultieren daraus meist ausgeprägte Atrophien des Kieferkamms, die größere knochentransplantative Eingriffe erfordern.

Geführte Implantantation mit schonendem Bohrprotokoll
Auf Grundlage der 3-D-Planung wurde mit der Cerec-Software und der MCXL-Fräseinheit inhouse eine Cerec Guide 2 Schablone angefertigt (Abb. 9a und b).
Die intraorale Passgenauigkeit kann mittels angelegter Sichtfenster intraoperativ geprüft werden. Zur Führung der Guide-Bohrer (Camlog Guide) dient ein steriler Bohrschlüssel (Abb. 9c).
Die Bohrsequenz wird in den Abbildungen 10 bis 13 ersichtlich. Dabei wurde nur die Pilot­bohrung „geführt“ umgesetzt, da das Keramikimplantatsystem (Ceralog) zum damaligen Zeitpunkt noch über kein vollgeführtes Guide-System verfügte.
Autologe Knochenspäne wurden während des Bohrvorganges für eine spätere Konturaugmentation gesammelt (Abb. 12a). Ein Gewindeschnitt wird auch im Oberkiefer bei Keramikimplantaten empfohlen, um den maximalen Insertionsdrehmoment bei 35 Ncm zu begrenzen. Es wurde ein zweiteiliges ZrO₂-Implantat (Ceralog) unter ständiger Drehmomentkontrolle inseriert (Abb. 14 und 15). Das Implantat wurde mit einer PEEK-­Abdeckkappe verschlossen und anschließend mit den autologen Knochenspänen, bovinem Knochenersatzmaterial (Miner­Oss X) und einer resorbierbaren Kollagenmembran (Mem-Lok Pliable) eine simultane Konturaugmentation durchgeführt (Abb. 16 bis 18).

Freilegung und finale prothetische Versorgung: Das ist zu beachten!
Nach einer sechsmonatigen Einheilphase des Implantats erfolgte die Freilegungsoperation im Sinne einer minimalinvasiven Rolllappenplastik (Abb. 19a bis c) und die spätere Abformung in offener Löffeltechnik (Abb. 20a und b). Laborseitig wurde ein PEKK- (Polyetherketonketon)-Abutment zu einer PEKK-Klebebasis modifiziert (Abb. 21a), gescannt (CAD) und eine Zirkonoxid-Krone hergestellt (CAM). Diese wurde im Bereich der bukkalen Kontur individualisiert (Cut-back) und auf der PEKK-Basis im Sinne einer okklusal verschraubten Implantatkrone, verklebt (Abb. 21b bis 22b). Dabei sollten im Labor nur Laborschrauben verwendet werden. Tipp: Bei der Insertion der finalen Arbeit ist es bei zweiteiligen Keramikimplantaten von hoher Bedeutung, eine neue Abutmentschraube zu benutzen. Beim inserierten Implantatsystem kann eine Gold- oder Reintitanschraube (beides holistisch getestet) zur Anwendung kommen. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Abutmentschraube zu keiner Zeit Kontakt zum intraoralen Milieu hat und durch die elektrochemische Isolation der umliegenden Keramik auch „abgeschirmt“ ist. Unserer Erfahrung nach ist es aber für viele Patienten wichtig, über diesen Punkt bereits im Aufklärungsgespräch zu sprechen und bei einer ablehnenden Haltung zum Beispiel auf ein einteiliges Keramikimplantat auszuweichen.
Das finale Close-up-Foto der inserierten Implantatkrone ist in Abbildung 23 und die radiologische Kontrollaufnahme in Abbildung 24 ersichtlich. Bei der Interpretation gilt es zu beachten, dass das Material PEKK nicht radioopak ist und die Implantatkrone zu „schweben“ scheint. Weiterführende wissenschaftliche Studien müssen PEKK als neueres Abutmentmaterial aus der Familie der PAEK (Polyaryletherketone) im Hinblick auf Plaqueaffinität und Weichgewebsanlagerung untersuchen. Werkstoffkundlich konnten wir in den vergangenen Jahren im klinischen Einsatz als Abutmentmaterial bei Einzelzahnimplantaten eine hervorragende Integration in die transmukosale Durchtrittszone beobachten. Abbildung 25 zeigt die Patientensituation und Abbildung 26 die Detailaufnahme ein Jahr nach Eingliederung der Implantatkrone. Es zeigt sich eine reiz- und entzündungsfreie periimplantäre Weichgewebesituation nach Versorgung des Patienten mit einem zweiteiligen Keramikimplantat in der ästhetischen Zone. Der Patient befindet sich in einem kontinuierlichen Recall.

Zusammenfassung
Anhand der aktuellen Studienergebnisse in der wissenschaftlichen Literatur, lässt sich die Weiterentwicklung der materialspezifischen Eigenschaften und die voranschreitende klinische Erfahrung im Einsatz von Implantaten, Abutments und prothetischen Suprastrukturen aus keramischen Materialien (ZrO₂) erkennen. Diese können bei korrekter Indikationsstellung als Alternative zu traditionellen Rekonstruktionen aus Titan und Metall-Verblendkeramik angesehen werden und besitzen ihre Vorteile vor allem im Bereich der Ästhetik, Biologie und Immunologie.
Zwar gibt es keine beschriebene klassische Titanallergie, aber eine überschießende, unspezifische Immunantwort im Sinne einer Titanhypersensitivität. Diese kann bei einer positiven Allergieanamnese im Rahmen der implantologischen Planung durch einen Titanstimultationstest, oder einer zusätzlichen Molekulardia­gnostik nachgewiesen werden. Weiterführende wissenschaftliche Anstrengungen sind jedoch nötig, damit wir auf dieser Ebene weitere Erkenntnisse und Zusammenhänge, zum Beispiel bei periimplantären Enzündungsreaktionen, gewinnen können.
Um auf Niveau „Implantat“ mit einem keramischen, metallfreien Material (ZrO₂) erfolgreich zu therapieren, gilt es, stets die allgemein gültigen Diagnostik-, Indikations-, Planungs- und chirurgischen Prinzipien in der Implantologie zu beachten.
Die Grundregeln der Implantologie gelten dabei generationsübergreifend für alle Implantattypen und Materialien. Jedoch sollten bei keramischen Implantaten einige materialspezifische Eigenschaften bei der Anwendung beachtet werden, wie zum Beispiel eine langsame Insertion aufgrund der niedrigen Wärmeleitfähigkeit von ZrO₂.
Der Langzeiterfolg beim Einsatz von Keramik­implantaten ist auch eine Frage des Behandlungskonzepts, der korrekten Indikationsstellung und Beachtung der momentan möglichen, systemspezifischen Limitationen in Chirurgie und Prothetik. Ein 1-zu-1-Ersatz der gewohnten Vorgehensweise analog zu Titanimplantaten ist momentan noch nicht in allen Indikationsbereichen möglich.

ProduktProduktnameFirma
3-D-PlanungCerec Guide 2Dentsply Sirona
ImplantatsystemCeralogCamlog
KnochenersatzmaterialMinerOss XCamlog
KollagenmembranMem-Lok PliableCamlog

Dr. Frederic Hermann absolvierte sein Studium der Zahnmedizin von 1997 bis 2002 an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Staatsexamen und Approbation erfolgten 2002, 2005 die Promotion zum Dr. med. dent. an derselben Universität. In den Jahren 2003 bis 2007 erfolgte die postgraduale Ausbildung im Bereich Implantologie und Parodontologie in einer Privatpraxis in Süddeutschland sowie der Abschluss der Curricula in diesen Fachbereichen. Dr. Hermann ist seit 2006 Diplomate des ICOI und „Geprüfter Experte der Implantologie“. Die Rezertifizierung erlangte er im Jahr 2012 und 2016. Seit 2007 ist Dr. Hermann niedergelassen in der Team 15 – Praxis für Zahnmedizin im schweizerischen Zug. Er ist Mitglied der APW, DGParo, DGI, SSO und SGI und erhielt 2016 den Weiterbildungsausweis (WBA) für orale Implantologie und die Bezeichnung „Weiterbildungspraxis für allgemeine Zahnmedizin“ der schweizerischen Zahnärztegesellschaft SSO. Zudem ist Dr. Hermann Gründungsmitglied der 2012 gegründeten „Next(e) Generation“ und aktives Mitglied der DGI. Von 2013 bis 2015 absolvierte er den berufsbegleitenden Masterstudiengang „Clinical Dental CAD/CAM“ an der Universität Greifswald. Dr. Hermann ist Autor zahlreicher Publikationen und internationaler Referent in den Bereichen Parodontologie, Implantologie und digitale Zahnmedizin sowie im Rahmen des DGI Curriculum Implantologie und zahlreicher Continuum-Kurse.

Kontakt
Team 15 – Praxis für Zahnmedizin &
Kompetenzzentrum für Implantologie
Dr. Hermann & Partner
Poststraße 15, 6300 Zug/Schweiz
Fon +41 41 7109170
info@team15.ch, www.team15.ch

Den Literaturnachweis finden Sie hier.

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