Fachbericht

Chairside & Praxis

21.06.24

DH werden – aber wie?

Dental Hygienist (DH): Traumberuf und Gewinn für die Praxis

Bachelor of Science, Bachelor Professional, Dental Hygienist, Dentalhygiene, Fortbildungsmöglichkeiten

Ester Hoekstra und Sandra Wooßmann

Da ist noch Luft nach oben: Nur etwa 2.200 ausgebildete DHs sind derzeit in Zahnarztpraxen in Deutschland aktiv. International betrachtet gibt es viele Ausbildungswege zur Berufsbezeichnung DH; in Deutschland ist jedoch immer noch eine Extrameile zu gehen. Dennoch lohnt sich die Weiterbildung für alle Beteiligten und die Praxis.

Die Faktenlage ist alarmierend, denn laut der Broschüre der Bundeszahnärztekammer und der kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung für das Jahr 2024 leiden unter den jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) 19,8 Prozent an einer schweren Parodontitis. Trotz dieser hohen Zahl liegt darin jedoch auch eine gute Nachricht, denn im Jahr 2005 waren es noch 44,1 Prozent. An einer moderaten Parodontitis in derselben Altersgruppe leiden 44,8 Prozent, in 2005 waren es noch 47,9 Prozent. Unter den jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) sind die Zahlen wie folgt: schwere Parodontitis 8,2 Prozent (in 2005 17,4 Prozent) und moderate Parodontitis 43,4 Prozent (gegenüber 53,6 Prozent in 2005).

Wie zu erkennen ist, sind die Zahlen rückläufig. Diese Entwicklung ist sicherlich auch den vielen weitergebildeten zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) zuzuschreiben, dazu zählen die Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin (ZMP) und die Dentalhygienikerin (DH).

Vielfältige Aufgabenbereiche

Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Berufsbezeichnung DH zu erwerben.

Die Frage, welche Art von Aus- und Weiterbildung zur DH sinnvoll ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Werfen wir zunächst einmal einen Blick auf die Definition, was sich hinter der Bezeichnung DH verbirgt. Laut Wikipedia ist eine DH „ein Zahnmedizinischer Fachangestellter, der eine Aufstiegsfortbildung im Fachbereich Prophylaxe absolviert hat. Schwerpunkt ist der Bereich der Parodontologie. Das Aufgabengebiet ist die begleitende Therapie von Zahnbett- und Zahnfleischerkrankungen. Dabei informiert der Dentalhygieniker über Zahn- und Mundgesundheit. Des Weiteren liegt ein Aufgabenbereich des Dentalhygienikers in der Erhaltungstherapie und Nachsorge parodontaler und periimplantärer Erkrankungen.“

Die Bundeszahnärztekammer sieht das genauso. Es ist also keine reine Ausbildung, sondern eine Weiterbildung oder Aufstiegsfortbildung, nachdem die Ausbildung zur ZFA erfolgreich absolviert ist. Also gilt zunächst: erst drei Jahre Ausbildung zur ZFA und danach weiterlernen.

Nach der Ausbildung zu ZFA gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich zur DH zu zu qualifizieren.

Geburtsstunde der DH

Im Jahr 1906 hat der Zahnarzt Alfred Fones seine Stuhlassistentin und Nichte, 
Irene M. Newman, trainiert, Zähne zu reinigen und andere präventive Maßnahmen bei Kindern durchzuführen. So wurde sie die weltweit erste Dentalhygienikerin. In 1913 eröffnete Alfred Fones eine eigene Dentalhygiene-Schule in Connecticut/USA. Die erste amerikanische Dental Hygienists Association wurde in 1923 gegründet. Seitdem hat sich der Beruf Dental Hygienist mit Bachelorstudium und anschließendem Master Studium in Dentalhygiene weiterentwickelt.

Das dürfen DHs im Ausland

In manchen US-Bundesstaaten dürfen Dental Hygienists Anästhesie verabreichen, in anderen US-Bundesstaaten wiederum nicht. In Kanada ist der Beruf DH seit 1950 ein Begriff, in Neuseeland seit 1974 und in Australien seit 1975.

In unserem Nachbarland Niederlande gibt es die/den DH seit 1967, erst als Weiterbildung wie in Deutschland und seit 1997 als dreijähriges Bachelorstudium – und ist damit ein eigenständiger Beruf, also ohne die Ausbildung zur ZFA. Seit 2004 ist es ein vierjähriges Bachelorstudium (210 ECTS = ca. 7.350 Stunden), damit es besser zu den internationalen Anforderungen passt. Die DHs der Niederlande dürfen seit 1997 auch sogenannte funktionell selbstständige Anästhesie mittels Injektion geben. Dazu braucht es den Auftrag vom Zahnarzt, muss aber nicht unter dessen Aufsicht geschehen. Das bedeutet, dass der Zahnarzt sich auch am anderen Ende der Welt befinden darf, aber vorher (schriftlich) den Auftrag gegeben haben muss. Die gleichen Aufgaben, die eine DH in Deutschland ausführt (Prävention und Behandlung von Parodontopathien), darf eine DH in den Niederlanden selbstständig durchführen, also ohne Aufsicht eines Zahnarztes – und dies sogar in einer eigenen Praxis, ohne Überweisung von einem Zahnarzt. In 1973 eröffnete in Zürich die erste Dentalhygiene-Schule und zwei Jahre später hielten 1975 die ersten 20 Absolventinnen ihr Abschlusszeugnis in den Händen.

DH werden in Deutschland

Eine Basis für die Entwicklung eines Tätigkeitsfelds oder einer Definition von Ausbildungscurricula für DHs in Deutschland wurde erstmals im Jahr 1993 im Gesundheitsstrukturgesetz gelegt, nämlich mit der erstmaligen Erwähnung der DH als eine Berufsgruppe.

Im Jahr 1994 richtete die Bundeszahnärztekammer einen ersten Pilotfortbildungsgang für DHs ein, wobei die Zahnärztekammer in Hamburg und Westfalen-Lippe in Münster schnell folgten. Erst im Jahr 1999 ist durch die Bundeszahnärztekammer eine Musterfortbildungsordnung verabschiedet worden.

In Deutschland muss erst die Ausbildung zur ZFA und, je nachdem, anschließend die Weiterbildung zur ZMP/ZMF absolviert werden mit eventuell ein paar Jahre Berufserfahrung, bevor die DH-Weiterbildung angefangen werden kann.

Inhalte der Kammer-DH

Laut der Bundeszahnärztekammer bildet die höchste Ebene des stufenweisen, modularen Fortbildungssystems gegenwärtig das Berufsbild der Dentalhygienikerin. Nach internationalem Vorbild ist ihr Aufgabengebiet in der Praxis primär die umfassende orale Prophylaxe im Rahmen der Vor- und Nachbehandlung parodontaler Erkrankungen. Die intensive Beratung und Motivation der Patienten zur häuslichen Prophylaxe gehören ebenso zu ihrem Verantwortungsbereich wie die Assistenz bei allen komplizierten Behandlungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich (das Assistieren ist International nicht immer so).

Die Kammer-DH-Weiterbildung beinhaltet ca. 800–950 Stunden und kann über verschiedene Zahnärztekammern absolviert werden. Seit 2024 bieten die Zahnärztekammern Hamburg, Bremen, Westfalen-Lippe, Niedersachsen, Stuttgart, Berlin und München die Aufstiegsfortbildung zur DH an. Auch einige private Anbieter bilden DHs aus, z. B. in Leipzig und Witten, wobei viele Kammern jedoch die Aufstiegsfortbildungen der privaten Anbieter nicht anerkennen.

Die Inhalte aller Anbieter sind u. a. Naturwissenschaften, Präventivmedizin, Rechtsgrundlagen, Psychologie und Pädagogik, Anatomie, Physiologie, Pathologie, Untersuchung und Befund, Ätiologie und Pathogenese der Parodontopathien, Ergonomie, Dermatologie, Allgemeinmedizin, Pharmakologie, Orale Pathologie, Rhetorik, Administration und Dokumentation, Röntgenologie, praktische Durchführung präventive parodontologische Behandlungen und auch Kariologie. Die Dauer der Aufstiegsfortbildung ist unterschiedlich, sie variiert von sechs bis zu zwölf Monaten. Als Voraussetzung zum Antreten der Weiterqualifizierung muss die ZMP-Qualifizierung abgeschlossen sein und manchmal sind auch ein bis zwei Jahre Berufserfahrung als ZMP nötig. Außerdem muss eine aktuelle Erste-Hilfe-Kurs-Zertifizierung vorliegen. Bei manchen Kammern wird es modular angeboten, bei anderen wiederum nicht. Manchmal wird erst die Theorie gegeben mit anschließender Prüfung, und erst dann die praktische Ausbildung. Bei manchen Kammern wird sowohl theoretisch als auch praktisch gleichzeitig ausgebildet.

Der Shortcut: Bachelor of 
Science DH (DH BSc)

Seit 2014 gibt es die Möglichkeit, das Bachelor-of-Science-Studium zu Dentalhygiene in Deutschland zu absolvieren unter andere an der SRH Hochschule für Gesundheit in Leverkusen, der EUFH in Köln und der Medical School 11 in Heidelberg. Das Studium sorgt für einen „Shortcut“, da es nicht notwendig ist, erst die ZMP (oder ZMF) abgeschlossen zu haben.

Nach der Ausbildung zur ZFA und ein bis drei Berufsjahren als ZFA kann mit dem Studium begonnen werden, alternativ auch mit Abitur oder Fachhochschulreife in Verbindung mit einer abgeschlossenen ZFA-Ausbildung. Leider ist es in Deutschland nicht möglich, ohne ZFA-Ausbildung das Studium anzutreten. Insgesamt sechs Semester (180 ECTS = ca. 5.400 Stunden) sind notwendig für den Abschluss Bachelor of Science, wobei die ersten zwei Semester die Ausbildung zur ZFA beinhalten. Bei einer abgeschlossenen Ausbildung zur ZFA kann im dritten Semester eingestiegen werden und das Studium mit zwei Semestern eingekürzt werden.

Die Wissenschaft hat bei den Studiengängen einen hohen Stellenwert. Als Abschluss muss eine Bachelor-Arbeit verfasst werden, genauso wie eine Patientenfall-Vorstellung Pflicht ist. Das Studium besteht meist aus drei Säulen:

  • Präsenzphase am Campus/online
  • Praxistransfer beim Arbeitgeber
  • Selbstlernphase

Mit dem Abschluss kann danach auch ein akademischer Master angestrebt werden, sogar eine Promotion ist eine Möglichkeit. Oft ist der Anteil an praktischer Ausbildung am Patienten auf dem akademischen Ausbildungsweg geringer als in der Weiterbildung zur Kammer-DH oder zum Bachelor Professional DH. Die Inhalte des akademischen Bachelors sind u. a. wissenschaftliches Arbeiten, naturwissenschaftliche Grundlagen, Anatomie, Physiologie, Pathologie und Pathophysiologie, Mikrobiologie, orale Erkrankungen, Medizintechnik, Medizinprodukte, Pharmakologie, Public Health, rechtliche Aspekte, qualitative und quantitative Forschung, Informationstechnik, Qualitätsmanagement, Telemedizin, Vorklinik und Klinik. In den Semestern müssen Hausarbeiten geschrieben werden, manchmal auch Präsentationen gehalten werden, aber auch das praktische Arbeiten am Phantom und am Patienten steht im Fokus dieses Studiengangs. Die Präsenzphase an einer Hochschule ist oft geringer, dementsprechend ist es für viele eine gute Wahl, um neben Familie und Arbeit ihre Ziele zu erreichen.

Bachelor Professional DH ­
(DH BA)

Ergänzend zur Aufstiegsfortbildung DH kann ein Berufsbachelor (Bachelor Professional) in Dentalhygiene nach dem Berufsbildungsgesetz erworben werden. Die Fortbildung entspricht inhaltlich in etwa den Fortbildungen zur Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentin (ZMP) und zur Dentalhygienikerin (DH). Mit mindestens 1.200 Unterrichtsstunden ist sie dem Bildungsweg auf der Stufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) zugeordnet. 2023 ist eine Musterfortbildungsordnung für die DH BA verabschiedet worden. Noch nicht viele Kammern oder private Anbieter offerieren diese DH BA nach der Musterfortbildungsordnung. Die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe ist eine davon. Die DH BA kann folgendermaßen aufgebaut sein:

  • In Modul 1 wird Basiswissen zur Prävention von Karies, Gingivitis und Parodontitis vermittelt, mit dem Beginn der praktischen Behandlungen unter Begleitung von erfahrenen Dozenten. Als Abschluss dieses Moduls wird eine Prüfung abgelegt.
  • In Modul 2 wird das Wissen vertieft u. a. mit mehr praktischen Übungen und mehr theoretischem Wissen, wobei auch die Vorstellung eines Patientenfalls und das Führen eines Testatheftes Pflicht ist. Auch nach diesem Modul wird eine Prüfung abgelegt. Nach erfolgreich absolvierten Modulen 1 und 2 besteht die Möglichkeit, als ZMP zu arbeiten.
  • Ab Modul 3 wird sich dann mehr der Parodontologie gewidmet, wobei erst die Theorie vermittelt wird, mit einer schriftlichen Prüfung.
  • Im Abschluss-Modul (Modul 4) findet hauptsächlich die praktische Ausbildung der zukünftigen DH BA statt. Neben der Arbeit am Patienten sind verschiedene Aufgaben zu erfüllen, wie z. B. ein Testatheft oder auch die Vorstellung eines Parodontitis-Patientenfalls.

Nach dem Absolvieren aller vier Module ist es erlaubt, den beruflichen Titel „Dentalhygieniker:in Bachelor Professional“ zu benutzen. Insgesamt dauert die DH BA ca. 18 Monate. Bei manchem Anbieter wird es auch in drei Trimester angeboten.
Die Investition dieser verschiedenen Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten liegt, je nach Anbieter, im Bereich von insgesamt 10.000 bis 25.000 Euro. Je nachdem, welche Zugangsvoraussetzungen gelten und ob noch Material, Instrumente oder Übungsköpfe angeschafft werden müssen. Je nach Anbieter können auch Fördermöglichkeiten vorhanden sein. In Niedersachsen gibt es z. B. die NBank, in ganz Deutschland sind Förderungen für Aufstiegsfortbildungen durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) möglich. Welche Fördermöglichkeiten für die jeweilige Qualifizierung vorhanden sind, weiß meistens der Anbieter und kann darüber Auskunft geben.

Fazit

Welcher Weg am besten ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Er muss zur Person (Lerntyp), der persönlichen Situation, dem Ziel (auch den späteren Zielen) und der Praxis passen. Bei allen drei Formen ist auch eine Anstellung in einer Zahnarztpraxis unerlässlich, da praktisch geübt werden muss. Nach dem Erreichen des Ziels „DH“ sind die Aufgaben und Arbeitsbereiche laut Zahnheilkundegesetz für alle DHs gleich, unabhängig davon, welcher Ausbildungsweg gewählt und welcher Abschluss erworben wurde. Auch in puncto Gehalt gibt es am Ende keinen Unterschied.

Ester Hoekstra MSc
ist (Lehr-)Dentalhygienikerin, praktizierende DH in der Zahnarztpraxis Bertram in Leer und Co-Gründerin der TRI:MED Akademie für dentale und medizinische Berufe.
Ihre weiteren Qualifikationen sind:

  • MSc in Psychologischer Medizin, NLP Master
  • Ernährungscoach (IHK)
  • Dozentin Berufsbildende Schule 

Sandra Wooßmann
ist (Lehr-)Dentalhygienikerin, praktizierende DH in der Zahnarztpraxis Bölljes in Bremen und Co-Gründerin der TRI:MED Akademie für dentale und medizinische Berufe. 
Ihre weiteren Qualifikationen sind:

  • Ernährungscoach (IHK)

Kontakt
Ester Hoekstra MSc
Sandra Wooßmann
TRI:MED 
Börderstraße 47
27711 Osterholz-Scharmbeck
ester@tri-med.de
sandra@tri-med.de
www.tri-med.de

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