Fachbericht

Funktionsdiagnostik & CMD

16.11.21

Die Äquilibrierungs­schiene mit anteriorer Führung

Standard-Okklusionsschiene zur okklusalen Prä-Therapie einer CMD

anteriore Führung, Aufbissbehelf, CMD, Okklusionsschiene, Stabilisierungsschiene

Prof. Dr. Ulrich Lotzmann

Okklusionsschienen haben sich zur palliativen und kurativen Therapie von belastungsbedingten dentogenen, myogenen und arthrogenen Beschwerden im Kopf-, Hals-, Nackenbereich bewährt. Es handelt sich hierbei um abnehmbare und bedingt abnehmbare, zumeist aus transparentem oder zahnfarbenem Kunststoff gefertigte Behelfe, mit denen die statische und dynamische Okklusion temporär gezielt justiert werden kann, ohne die Eigenbezahnung des Patienten irreversibel zu verändern.

Fragen an den Autor

Wie erfolgreich ist der Einsatz einer Okklusionsschiene als alleinige Therapiemaßnahme?
Bei den meisten Indikationen ist es therapeutisch sinnvoll, Aufbissbehelfe gezielt mit anderen flankierenden Maßnahmen einzusetzen, welche ebenfalls der Normalisierung der Muskelfunktion, der Gelenkentlastung und Gelenkmobilisierung dienen, zum Beispiel Physiotherapie oder Osteopathie. Kombinationstherapien schwächen allerdings die diagnostische Aussagekraft okklusaler Maßnahmen.

Kann eine Äquilibrierungsschiene, wie hier beschrieben, auch zur Behandlung von Gelenkschmerzen eingesetzt werden?
Dies hängt von der Ursache der Gelenkschmerzen ab. Führen zum Beispiel ein Verlust an posteriorer Abstützung oder exzentrische Vorkontakte zu schmerzhaften Fehlbelastungen der bilaminären Zone oder der Gelenkkapsel, kann eine Äquilibrierungsschiene mit anteriorer Führung auch erfolgreich zur Therapie arthrogener Symptome eingesetzt werden.

Die therapeutische Wirksamkeit eines Aufbissbehelfs ist – abgesehen von möglichen Placebo-Effekten – von der ­korrekten, ­diagnosebezogenen Indikation sowie von der Qualität der technischen Ausführung und okklusalen Adjustierung abhängig. Der Einsatz eines Aufbissbehelfs kann neben der Therapie auch wertvolle differenzialdiagnostische Informationen liefern, insbesondere, wenn es darum geht, mögliche okklusale Ursachen der CMD abzuklären.
In den meisten Fällen, in denen eine okklusale Prä-Therapie einer CMD indiziert ist, werden Ober- oder Unterkiefer-Äquilibrierungsschienen mit Front- oder zumindest Eckzahnführung eingesetzt. Die oft zitierte „Michigan-Schiene“ – mit ihrer charakteristischen Gestaltung der Frontzahnabstützung auf einem horizontalen Plateau und einer verzögert einsetzenden Eckzahnführung – ist eine Variante der Oberkiefer-Äquilibrierungsschiene. Generell werden „Äquilibrierungschienen“ oft auch als „Stabilisierungsschienen“ bezeichnet.

Erforderliche Vorarbeiten durch den Zahnarzt
Ist eine Schienentherapie indiziert, sollten dem Patienten vor Beginn der Vorbehandlung auch mögliche Risiken und Konsequenzen einer okklusalen Prä-­Therapie erläutert werden. So ist der ­Patient unter anderem darüber aufzuklären, dass eine erfolgreiche Vorbehandlung in der Regel über die Normalisierung der Muskel­aktivität zu einer veränderten Kieferrelation führt. Dies zwingt, spätestens nach Abschluss der Vorbehandlung, zu der Entscheidung, ob und wie die Eigenbezahnung des Patienten definitiv korrigiert werden kann. Über mögliche Szenarien und Konsequenzen einer definitiven ­Therapie ist der Patient vor Beginn der Behandlung zu informieren.
Entscheiden sich Patient und Behandler für den Einsatz eines individuell gefertigten Aufbissbehelfs, ist großer Wert auf eine formgetreue Abformung der Zahnreihen mit detaillierter Wiedergabe der Zahnoberflächen zu legen. Soll der geplante Aufbissbehelf auf den harten Gaumen oder in den Lingualraum ausgedehnt werden, muss die Abformung auch diese Region korrekt darstellen. Gleiches gilt natürlich auch für digitale Scans im Rahmen eines CAD/CAM-Workflows zur Herstellung des Aufbissbehelfs.

Kieferrelationsbestimmung
Weist ein an Bruxismus leidender Patient eine stabile maximale Okklusion auf und soll die Okklusionsschiene lediglich als „Schutzmantel“ die Zähne vor exzessiver Attrition schützen, werden die Modelle in maximaler Interkuspidation montiert und dann im Artikulator um den für die Schienenherstellung erforderlichen ­Betrag gesperrt. Nur in einem solchen Fall kann auf eine separate Kieferrelationsbestimmung (Zentrikregistrat) ­verzichtet werden.
Sollen Okklusion und Unterkieferlage mit der Okklusionsschiene korrigiert werden, ist eine Kieferrelationsbestimmung zwingend erforderlich. Diese Registrierung dient dem Einstieg in die Schienen­therapie. Erst mit der Normalisierung der Kiefergelenk- und Muskelfunktion ergibt sich die physiologische oder zumindest gut adaptierte Kieferrelation.

Modellmontage
Sperrt das Zentrikregistrat den „Biss“ bereits annährend soweit, wie dies zur Anfertigung des Aufbissbehelfs erforderlich ist, muss die Bisshöhe im Artikulator nicht nennenswert verändert werden. In diesen Fällen ist es daher ausreichend, das Unterkiefermodell entsprechend dem Bonwill-Dreieck mittelwertig zu montieren. Da Okklusionsschienen in der Regel im Seitenzahnbereich nur seichte Impressionen und keine tiefe Verzahnung aufweisen und zudem eine Front- oder Eckzahnführung die Prämolaren und ­Molaren deutlich diskludieren lässt, können für die Einstellung der Artikulatorgelenke Mittelwerte gewählt werden, zum Beispiel: Kondylenbahnneigung 45° zur Frankfurter Horizontalen oder 30° zur Kauebene; Bennett-Winkel 20°.

Ober- oder Unterkieferschiene?
Diese Frage sollte nicht dogmatisch, sondern für jeden Patienten individuell entschieden werden. Hierbei sind einige Entscheidungshilfen zu beachten:

  1. Sind die Molaren in allen Quadranten vorhanden oder ersetzt, weisen aber keinen oder einen zu schwachen
    Kontakt auf (Infraokklusion = verdeckter posteriorer Stützzonenverlust), spricht dies bevorzugt für den Einsatz einer Unterkieferschiene; diese wird in der Regel gerade in den ersten Tagen der Vorbehandlung vom Patienten leichter toleriert und erzeugt geringere Störungen der Lautbildung (Abb. 1 und 2).
  2. Fehlen Molaren in einem Kiefer, wird die Schiene für den betreffenden Kiefer angefertigt, um so die erforderliche Abstützung zu schaffen. Dies gilt insbesondere für Freiendsituationen (Abb. 3).
  3. Fehlen antagonistische Molaren in beiden Kiefern, sind die Molaren in einem Kiefer mit definitivem Zahn­ersatz oder einer Interimsprothese zu ersetzen.
  4. Weist der Patient eine akzeptable Front-Eckzahnführung auf, sollte die Charakteristik seiner anterioren Führung bei der Gestaltung der Schiene berücksichtigt werden. Dies ist am leichtesten mit einer Unterkieferschiene realisierbar (Abb. 4a und b).
  5. Soll mit der Schiene eine fehlende Front-Eckzahnführung aufgebaut und auf Verträglichkeit hin getestet werden, spricht dies für den Einsatz einer Oberkieferschiene. Unterkieferschienen erlauben zwar auch, Einfluss auf die anteriore Führung zu nehmen – mit einer Oberkierferschiene lässt sich jedoch die Front- oder/und Eckzahnführung hinsichtlich Länge und Steilheit gezielter justieren (Abb. 4c).
  6. Deckbisssituationen, die nur eine geringfügige therapeutische Ventralverlagerung des Unterkiefers erlauben, werden bevorzugt mit einer Unterkieferschiene gelöst, bei der die okklusalen Seitenzahnauflagen unter Aussparung der Unterkieferfrontzähne mit einem Sublingualbügel verbunden sind. Alternativ können auch Table Tops eingesetzt werden. Bei extremen distalen Zwangsbisslagen erlauben aber auch diese Varianten keine ausreichende Vorverlagerung des Unterkiefers. In diesen Fällen sind kieferorthopädische Maßnahmen zur Korrektur der Frontzahnstellung indiziert.
  7. Weitere Entscheidungskriterien sind: Länge und Neigung der klinischen Kronen, transversale Ausformung der Zahnbögen, Lage und Neigung der Okklusionsebene, Krümmung der Okklusionskurve. Hinzu kommen kosmetische Aspekte – entblößt der Patient beispielsweise beim Sprechen und Lachen vorwiegend die Oberkiefer- oder die Unterkieferzähne? – und der Patientenwunsch nach einer möglichst ungestörten Lautbildung auch beim Tragen der Schiene.

Ausdehnung der Schienenbasis
Grazile Schienenbasen, die nur den Zähnen anliegen und nicht auf den Gaumen oder in den Lingualraum extendiert sind, weisen zwar für den Patienten einen höheren Tragekomfort auf, zeigen aber auch eine größere Bruchempfindlichkeit, insbesondere beim unsachgemäßen Einsetzen und Entnehmen der Schiene. Im Einzelfall kann auch der oberhalb des Gingivasulkus verlaufende Schienenrand als Trigger Parafunktionen der Zunge auslösen. Um der Schienenbasis mehr Stabilität zu geben, kann der Schienenkörper U-förmig auf den Gaumen oder in den Lingualraum ausgedehnt werden. Bei sachgemäßer Gestaltung (Entlastung des Gingivalsaums) und guter Mundhygiene sind bei der zeitlich beschränkten Tragedauer der Schiene keine negativen Effekte, wie die Entstehung kariöser ­Läsionen und Gingivitiden zu erwarten. Ausreichende Retentionsgebiete an den Zähnen vorausgesetzt, kann zumeist auf zusätzliche gebogene Halteelemente ­verzichtet werden. Wird eine Schiene für ein Lückengebiss gefertigt, hat es sich gerade bei Lücken im Front- und Prämolarenbereich bewährt, entsprechende Ersatzzähne in die Schienenbasis einzupolymerisieren (Abb. 5).

Okklusales Design
Äquilibrierungsschienen weisen ein ­simplifiziertes okklusales Kontaktpunktmuster auf. Im Seitenzahnbereich gehen nur die Höckerspitzen der antagonistischen tragenden Höcker in Kontakt mit der Schiene. Die Okklusalflächen der Schiene weisen keine harte, tiefe Verzahnung, sondern nur seichte Impressionen auf. Der zentrische Okklusionskontakt liegt dabei jeweils im tiefsten Areal der Impression. Im Front-Eckzahnbereich sind die zentrischen Kontakte schwächer ausgebildet als im Seitenzahnbereich.
Bei Laterotrusionsbewegungen werden die antagonistischen Eckzähne geradlinig geführt. Gleiches gilt unter Berücksichtigung des interinzisalen Freiraums bei protrusiven Bewegungen für die Frontzähne. Bei einer verschachtelten ­Unterkieferfront liegt die Führung auf den ventral stehenden Zähnen. Für den Fall, dass der Patient seinen Unterkiefer aus der maximalen Schienen-Interkuspidation mehr als 2 mm nach retral ziehen kann, hat es sich in Analogie zur natürlichen Okklusion bewährt, beidseits im Bereich der ersten Prämolaren Retrusionsfacetten zu gestalten. Diese lassen in zahngeführten Retralbewegungen auf der Schiene die antagonistischen Molaren diskludieren und helfen damit, unerwünschte Vorkontakte im Seitenzahnbereich zu vermeiden (Abb. 6a und b). Stark abradierte Antagonisten erlauben allerdings nicht die Anlage derartiger Retrusionsfacetten.

Erstes Einsetzen der Schiene
Der Schienenkörper wird zunächst ­visuell sowie durch behutsames Abtasten auf seine Fertigungsqualität hin kontrolliert, dann gesäubert und desinfiziert. Da Okklusions­folie deutlich besser auf einer leicht angerauten Oberfläche zeichnet, sollten die okklusionsrelevanten Bereiche der Schiene vor der Okklusionskontrolle mattgestrahlt oder mit einem Vorpolierer mattiert werden.
Das erste Einsetzen der Schiene erfolgt durch den Behandler, nicht durch den ­Patienten. Die Schiene wird behutsam auf die Zahnreihe gesetzt. Dabei werden die Wangen abgehalten, um ein versehentliches Einklemmen der Wangenschleimhaut im Molarenbereich zu vermeiden. Die Schiene soll nach Überwinden eines kleinen Widerstandes in die Endposition „einschnappen“. Die Schiene wird dann abwechselnd im Front- und beidseitigen Molarenbereich unter Fingerdruck belastet (Abb. 7). Der Behelf darf dabei keinesfalls auf der Zahnreihe schaukeln.
Kann die Schiene nicht in eine schaukelfreie Endposition gebracht werden, erfolgt eine Kontrolle mit einem Silikon (zum Beispiel Fit Checker Advanced blau, GC). Zuweilen zeigen sich aber die Problembereiche bereits beim ersten Einprobieren. Typische Bereiche, die ein Eingliedern verhindern, sind die ­mesialen Inzisalkanten gedrehter oder gekippter Frontzähne oder gekippte Molaren. Hier kann das gezielte Ausschleifen oder Kürzen des Schienenrands das Problem oft beheben. Lässt sich die Schiene trotz Korrekturversuche nicht passgenau einsetzen, sollte die Anfertigung wiederholt werden. Das Unterfüttern der Schiene im Mund des Patienten mit einem Autopolymerisat ist nicht empfehlenswert (Allergiegefahr, Geruchs- und ­Geschmacksbeeinträchtigung und eingeschränkte Hygienefähigkeit aufgrund des porösen Korrekturmaterials). ­Neben der exakten Passung der ­Schiene auf der Zahnreihe muss die Schiene eine ausreichende Retention aufweisen, sodass Lippen-, Wangen- oder Zungenaktionen sowie exzentrische Kieferbewegungen – wie Laterotrusion, Protrusion und Latero-Protrusion – sie nicht von den Zähnen abheben können. Mit im ­Molaren- und dann im Eckzahn-/Prämolarenbereich angelegten Daumen und Mittelfinger der gleichen Hand wird versucht, die Schiene nach koronal abzuziehen (Abb. 8). Löst sich die Schiene dabei ohne nennenswerten Widerstand von den Zähnen, ist die Retention eindeutig zu schwach.
Auch darf der Patient die Schiene nicht mit Lippen und Zunge von den Zähnen lösen können. Ebenso darf ein kraftvolles Knirschen nicht zu einem Abhebeln der Schiene führen. Eine zu schwache Retention ist in der Regel durch zu kurze, nicht ausreichend über den prothetischen Äquator der Zähne geführte Schienenränder bedingt.
Jede gut passende Schiene wird nach dem ersten Einsetzen ein geringfügiges Spannungsgefühl in dem durch die Schiene nunmehr verblockten Zahnbogen ­verursachen. Dieses leichte Spannungsgefühl sollte im Laufe der ersten ­Sitzung völlig verschwinden. Ist dies nicht der Fall, besteht Korrekturbedarf durch ­Beschleifen der Basis oder durch eine Neuanfertigung der Schiene.

Klinische Okklusionskontrolle
Bei der Okklusionskontrolle sollte der ­Patient bevorzugt aufrecht sitzen und den Kopf gerade halten. Frankfurter Horizontale und Bipupilarlinie dienen hierbei als Referenz (Abb. 9 und 10). Die Hände des Patienten liegen auf seinen Oberschenkeln. Die Beine sind nebeneinander gelagert. Auch wenn der Patient aufgefordert wird, den Kopf gerade zu halten, besteht oftmals die Neigung, bei der ­Mundöffnung den Kopf nach hinten zu rotieren und dann in dieser Kopfstellung mit Kraft auf die Okklusionsfolie zu schließen (Abb. 9a–c). Mit der Retroflexion des Kopfes kommt es über die Anspannung der supra- und infrahyoidalen Muskulatur zur Retralverlagerung des Unterkiefers. Wird die Okklusionsschiene oder der Zahnersatz unter diesen Bedingungen auf gleichmäßigen Seitenzahnkontakt eingeschliffen, resultiert bei gerader und entspannter Kopf- und Unterkieferhaltung eine Infraokklusion und damit ein Verlust an posteriorer Abstützung. Das kann zur Folge haben, dass die an sich indizierte okklusale Vorbehandlung scheitert.
Zur Okklusionskontrolle tritt der ­Behandler hinter den Patienten und legt zwei mit Okklusionsfolie bestückte Okklusionspinzetten so zwischen die Zahnreihen des Patienten, dass die Folien sich im Frontzahnbereich nur ­­geringfügig überlappen.
Ohne dabei die Lippen anzuspannen „klappert“ der Patient mehrfach aus der Ruhelage kraftlos bis zum ersten Okklusionskontakt (Abb. 11a und b). Mit einer vor Kopf abgerundeten, kreuzverzahnten Hartmetallfräse oder – in der Endphase der okklusalen Korrektur – mit einem Vorpolierer werden die zentrischen Kontakte solange korrigiert, bis das angestrebte Kontaktpunktmuster erreicht ist.
Droht bei den Schleifmaßnahmen die Perforation der Schienenbasis, sollte das Einschleifen beendet werden. Entweder werden dann direkt am Patienten mit Autopolymerisat fehlende Kontaktbereiche aufgebaut oder mit dem Aufbissbehelf als Registratträger ein neues Zentrikregistrat genommen, um nach Modellmontage die erforderliche Korrektur im Artikulator durchzuführen.
Abschließend sollte die soweit adjustierte Schiene am liegenden Patienten ­überprüft werden. Dazu werden in noch aufrechter Position zunächst die zentrischen und exzentrischen Kontakte auf der Schiene mit blauer Folie markiert. Liegend werden dann die Okklusionskontakte mit roter Folie dargestellt. Zeichnen sich zentrische und exzentrische Vorkontakte im Molarenbereich ab, müssen diese entfernt werden, ohne die zuvor blau markierten Areale zu tangieren. Vorkontakte, insbesondere im Molarenbereich, können zu einer muskulären Hyperfunktion führen. Die beschliffenen Okklusionsbereiche der Schiene werden abschließend sorgfältig poliert, ohne dabei die okklusalen Kontakte zu schwächen. Zum Ende der ersten Kontroll- und ­Korrektursitzung, bei welcher der Aufbissbehelf eingepasst wird, muss Folgendes gegeben sein:

  1. Passgenauer Sitz der Schiene,
    das heißt ein schaukelfreier und
    spannungsfreier Sitz sowie eine
    ausreichende Retention
  2. Realisation des angestrebten
    zentrischen und exzentrischen
    Okklusionskonzepts
  3. Keine okklusalen Vorkontakte im
    Molarenbereich in Rücken- und Seitenlage.

Die Bilderstrecke (Abb. 12 bis 17) zeigt exemplarisch die okklusale ­Korrektur einer Oberkiefer-Äquilibrierungsschiene mit anteriorer Führung.

Trageempfehlung für den Patienten
Die tägliche Tragezeit richtet sich nach der Indikation der Schiene. Patienten, die dazu neigen, in einer extremen, emotional stark belasteten Lebenssituation, ihre inneren Spannungen und Aggressionen durch Zähneknirschen und Zähnepressen abzubauen, tragen den Aufbissbehelf bevorzugt in den okklusionsaktiven Phasen quasi als „Schutzmantel“, um die zum Teil extremen Muskelkräfte besser zu verteilen und die Zähne vor Attrition zu schützen. Hinweise auf die individuellen okklusionsaktiven Phasen ergeben sich aus der Anamnese und der Selbst­beobachtung des Patienten. Patienten, bei denen die okklusalen Störungen aufgrund der funktionsanalytischen Befunde wahrscheinlich eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung und Unterhaltung der CMD spielen, sollen den Aufbissbehelf so oft wie möglich tragen. Beim Essen und bei besonderen „Dates“ kann auf das ­Tragen ausnahmsweise verzichtet werden. Beim Kauen sollte dann ein kraftvolles Durchbeißen in die maximale Okklusion ­vermieden werden.

Pflege und Aufbewahrung
Die tägliche Pflege des Aufbissbehelfes erfolgt unter fließendem Leitungswasser mit einer weichen Zahnbürste und nicht aggressiver Zahnpasta oder Kernseife. Dabei sind weiche Beläge sorgfältig zu entfernen. Im Bedarfsfall sollte der Behelf einmal pro Woche mit einem Prothesenreiniger unter Beachtung der produktabhängigen Anwendungshinweise behandelt werden. Aufbissbehelfe, die über Stunden oder Tage nicht getragen werden, sollten vor direkter Sonneneinstrahlung und Wärme geschützt werden, um so ein Austrocknen und Deformieren zu verhindern.
Es empfiehlt sich, den Aufbissbehelf in einer geschlossen ­Prothesen- oder Zahnspangenbox auf einem angefeuchteten Papiertaschentuch zu lagern und dieses regelmäßig auszutauschen.

Kontroll- und Korrekturtermine
Meist sind im Verlauf der okklusalen Vorbehandlung mehrere Kontroll- und Korrekturtermine notwendig bis ­Beschwerdefreiheit und okklusale Stabilität erreicht sind. Okklusale Instabilität führt im Rahmen der neuromuskulären Kompensation und Adaptationsmechanismen zu mehr oder weniger ausgeprägten Veränderungen der Muskelfunktion.
Werden mit dem Eingliedern des Aufbissbehelfs die okklusalen Defizite beseitigt, verbessert sich die Muskelfunktion und damit auch die räumliche Lage des Unter­kiefers zum Oberkiefer sowie das Bewegungsmuster des Unterkiefers. In Folge kommt es auf dem Aufbissbehelf zu ­neuen okklusalen Störkontakten. Eben diese gilt es bei den Kontrollterminen zu erkennen und zu beseitigen. Erst mit diesen okklusalen Korrekturen ermöglicht man die mandibuläre Autoreposition.
Es gibt kein Schema für die Kontroll- und Korrekturtermine, das dogmatisch ­eingehalten werden müsste. Sinnvoll ist in jedem Fall, die erste Kontrolle und gegebenenfalls Korrektur in den ersten drei Tagen nach der Eingliederung durchzuführen, weil in dieser Zeit erfahrungsgemäß bereits eine starke Veränderung der Kaumuskulatur und somit der intermaxillären Relation zu erwarten sind.
Der Patient sollte vor jeder Okklusionskontrolle den Aufbissbehelf für mindestens eine Stunde durchgehend getragen haben. Das Zeitintervall bis zur nächsten Kontrolle hängt im Wesentlichen vom Ausmaß der letzten ­okklusalen Korrektur und der Entwicklung des ­Beschwerdebilds ab. Besteht erheblicher Korrekturbetrag durch Einschleifen oder Aufbauen und/oder haben sich die ­Beschwerden nicht spürbar verändert, sollte der nächste Kontrolltermin bereits wenige Tagen später erfolgen. Je geringer die erforderlichen okklusalen Korrekturen sind, umso länger kann der Zeitraum bis zur nächsten Schienenkontrolle gewählt werden.
Erfolgen zur Mobilisation der Kiefergelenke und/oder Normalisierung des ­Muskeltonus physiotherapeutische Maßnahmen, sollte der okklusale Kontrolltermin zeitnah im Anschluss an die begleitende Therapie erfolgen, um ­deren positive ­Effekte auf die Muskel- und Kiefergelenksfunktion bei der okklusalen ­Justierung zu nutzen.
Cave: Bei der Inspektion der Schiene sollte man insbesondere auch dem Kontaktbereich im Front- und Eckzahnbereich Beachtung schenken. Dort wiederholt auftretende Abrasionsspuren lassen vermuten, dass der Patient weiterhin exzentrische Parafunktionen ausübt. Dienen diese Parafunktionen nur dem Zweck, sich aus der vorgegebenen Front-, Eckzahnführung „zu befreien“, kann das gezielte Abflachen jener Bereiche der anterioren Führung, welche Abrasionsspuren aufweisen, die Parafunktionen abklingen lassen. Dies kann zum Beispiel dazu führen, dass nach Abschluss der Vorbehandlung die Eckzahnführung der Schiene auf einer Seite noch eine Steilheit von 50° zur Horizontalebene aufweist – die Eckzahnführung auf der Gegenseite aber durch Beschleifen auf 30° reduziert werden musste, um die exzentrischen ­Parafunktionen zu stoppen. Diese wertvolle Information sollte dann bei der ­definitiven okklusalen Korrektur, wie etwa bei der Anfertigung von Frontzahnkronen oder Veneers, berücksichtigt werden.
Die okklusale Vorbehandlung mit dem Aufbissbehelf ist erfolgreich abgeschlossen, wenn Beschwerdefreiheit erreicht ist und sich die Schienenokklusion über zwei bis drei Wochen nicht mehr verändert hat. Eine okklusale Vorbehandlung mit flankierender Physiotherapie zur Normalisierung der Muskelfunktion dauert erfahrungsgemäß circa sechs bis acht Wochen. Zielt die Therapie hingegen primär auf die Behandlung arthrogener Schäden wie Osteo­arthritis oder anteriore Diskusverlagerung ab, kann sich die konservative Prä-Therapie über einen längeren Zeitraum erstrecken.

Teile dieses Beitrages wurden bereits im Thüringer Zahnärzteblatt 3/21 veröffentlicht.

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