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19.07.22
Empfehlungen für eine interdisziplinäre und evidenzbasierte Versorgung
multidisziplinäre Behandlung, Parodontitis, S3-Leitlinie
Redaktion
Anlässlich der EuroPerio 10 in Kopenhagen/Dänemark veröffentlich die European Federation of Periodontology (EFP) in Folge auf die 2020 publizierte S3-Leitlinie zur Behandlung von Parodontitis des Stadiums I-III (2) eine weitere S3-Leitlinie. Diese neue Leitlinie beinhaltet Empfehlungen zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Parodontitis (Parodontitis Stadium IV), welche im November in einem Clinical Guideline Workshop unter der Federführung von Professor David Herrera, Madrid/Spanien konsentiert wurden. In dem Workshop waren zahlreiche deutsche Experten aus allen Bereichen der Zahnmedizin vertreten (Foto).
„Durch Zahnfleischbluten, lockere Zähne, Mundgeruch und Verlust von Zähnen, kann Parodontitis erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben“, erklärt der Leiter des Workshops und Autor Prof. Dr. David Herrera von der Universität Complutense in Madrid/Spanien. „Bei parodontal erkrankten Menschen können Schwierigkeiten beim Kauen oder Probleme mit der Aussprache auftreten. Einige schämen sich für die orale Situation, sind frustriert und hilflos.“ Die Parodontitis-Behandlung sollte daher nicht nur weiteren Zahnverlust verhindern, sondern auch Funktion, Ästhetik und Lebensqualität der betroffenen Patienten wiederherstellen. Demzufolge sind komplexe, auf die individuellen Bedürfnisse angepasste Therapien unter Beteiligung verschiedener zahnmedizinischer Fachdisziplinen erforderlich und genau hier setzen die Empfehlungen der neuen Leitlinie an.
Handlungsbedarf für multidisziplinäre Behandlung
In Deutschland leiden schätzungsweise 10 bis 11 Millionen Menschen an einer schweren Parodontitis (Stadium III und IV). Parodontitis ist damit eine der häufigsten chronisch-entzündlichen nicht übertragbaren Erkrankungen. „Eine alleinige systematische Parodontitistherapie reicht in schweren Parodontitisfällen nicht aus, um die Dentition zu stabilisieren. Daher ist in der Regel für die orale Rehabilitation eine umfassende multidisziplinäre Behandlung notwendig, die auch prothetische, implantologische und/oder kieferorthopädische, Maßnahmen beinhaltet.“, so Professor Moritz Kebschull, Birmingham/England, Mitglied des Workshop-Organisationskomitees der EFP und Leitlinien-Beauftragter der DG Paro (Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e. V.).
Diagnose in fünf Schritten
Die klinische Diagnose einer fortgeschrittenen Parodontitis (Stadium IV) umfasst fünf Komponenten. Zunächst wird der Schweregrad der parodontalen Destruktion, die Beeinträchtigungen der Ästhetik, der Kau- und Sprachfunktion beurteilt. Im zweiten Schritt wird die Anzahl der Zähne, die aufgrund von Parodontitis verlorengegangen sind, ermittelt. Im dritten Schritt wird bestimmt, welche verbleibenden Zähne erhalten werden können. Viertens: Bewertung aller oralen Faktoren, die den Erhalt von Zähnen und/oder das Setzen von dentalen Implantaten erschweren oder begünstigen können, zum Beispiel Zahnlücken oder das Knochenangebot. Im fünften Schritt wird die Gesamtprognose der Person beurteilt, einschließlich der Wahrscheinlichkeit eines Fortschreitens oder Wiederauftretens der Erkrankung, unter Berücksichtigung von Risikofaktoren wie Rauchen und Diabetes. Professor Maurizio Tonetti von der Shanghai Jiao Tong University School of Medicine, Shanghai/China, Mitautor der Leitlinie, erklärt: „Dieser detaillierte Diagnoseprozess ist entscheidend, da er es uns ermöglicht, einen multidisziplinären Behandlungsplan auf der Grundlage dessen zu entwerfen, was technisch und biologisch machbar sowie kostengünstig ist, und dabei die Präferenzen und Erwartungen der Patienten zu berücksichtigen.“
Mehr Behandlungsqualität weltweit
EFP-Präsident Professor Andreas Stavropoulos, sieht in der Leitlinie für Parodontitis im Stadium IV eine wichtige Ergänzung der Leitlinien für die Stadien I bis III (2). „Damit gibt es auf europäischer Ebene zum ersten Mal Empfehlungen für eine interdisziplinäre und evidenzbasierte Versorgung aller Stadien von Parodontitis“, so Stavropoulos. Die Anwendung der Leitlinie solle die Qualität der Parodontalbehandlung in Europa und weltweit verbessern. Die EFP werde mit nationalen Fachgesellschaften für Parodontologie zusammenarbeiten, um die Leitlinie zu übersetzen und in den nationalen Versorgungsrahmen zu implementieren, erläutert der EFP-Präsident.
Ausblick:
Wie auch bereits bei der letzten Leitlinie, wird die DG PARO in einem Adolopment-Verfahren die Originalempfehlungen der neuen EFP-Leitlinie durch eine Expertengruppe auf ihre Anwendbarkeit im deutschen Gesundheitssystem hin überprüfen und in Deutschland implementieren.
Verweise zu den Publikationen
1) David Herrera, Mariano Sanz, Moritz Kebschull, Søren Jepsen, Anton Sculean, Tord Berglundh, Panos N. Papapanou, Iain Chapple, Maurizio S. Tonetti. Treatment of stage IV periodontitis –The EFP S3 level clinical practice guideline. J Clin Periodontol. 2022. doi:10.1111/jcpe.13639.
2) Mariano Sanz, David Herrera, Moritz Kebschull, Iain Chapple, Søren Jepsen, Tord Berglundh, Anton Sculean, Maurizio S. Tonetti. Treatment of stage I-III periodontitis –The EFP S3 level clinical practice guideline. J Clin Periodontol. 2020;47(Suppl 22):4–60. doi:10.1111/jcpe.13290. – Deutsche Version
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