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13.04.23

Fachleute raten von bestimmten Therapieverfahren ab

Neue S3-Leitlinie zur Therapie periimplantärer Infektionen

dgi, DGZMK, Mukositis, Periimplantitis, Risikofaktoren, S3-Leitlinie, Therapieverfahren

Redaktion


Die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) und die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) haben eine komplett überarbeitete S3-Leitlinie zur Behandlung periimplantärer Infektionen an Zahnimplantaten veröffentlicht. Erstmals haben die Fachleute von 17 wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Organisationen in dieser Leitlinie über mehreren Therapieverfahren wegen fehlendem (Zusatz-)Nutzen auch den Daumen gesenkt: In 13 von 21 Empfehlungen raten sie vom Einsatz bestimmter Behandlungen ab.

Für die nun vorliegende Aktualisierung der S3-Leitlinie zeichnet erneut Prof. Dr. Frank Schwarz von der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie der Goethe Universität Frankfurt als Autor verantwortlich. Er wurde von elf weiteren Autoren bei diesem Projekt unterstützt. Die neue Leitlinie enthält 21 Empfehlungen, wovon 18 komplett neu formuliert wurden.

Grundlegende Neubewertung
Möglich wurde diese Überarbeitung durch eine hohe Zahl neuer, qualitativ hochwertiger Veröffentlichungen und wissenschaftlicher Studien. 2021 standen 80 Veröffentlichungen, davon 62 Studien zur Verfügung. „Diese Daten haben uns erlaubt“, sagt Schwarz, „die Effektivität alternativer und adjuvanter Verfahren zur nichtchirurgischen Therapie der periimplantären Mukositis und der Periimplantitis sowie der chirurgischen Behandlung der Periimplantitis grundlegend neu zu bewerten.“ Ein Forschungsbedarf bleibt. So fehlt es noch an der nötigen Trennschärfe, ab der es sinnvoll ist, bei einer Periimplantitis die nichtchirurgische Therapie abzusetzen und mit der chirurgischen zu beginnen. Auch die Tatsache, dass bei einer periimplantären Mukositis zwar alle Therapieverfahren bestimmte klinische Parameter verbessern können, ein vollständiges Abheilen der Entzündung jedoch nicht vorhersehbar zu erreichen ist, erfordert weitere Untersuchungen.

Auffallend ist, dass die Fachleute über bestimmten Verfahren, die in der alten Leitlinie mangels unsicherer Evidenz mit einer „Kann man machen“-Empfehlung versehen worden waren, klar die Daumen senkten: In 13 Empfehlungen wird von bestimmten Methoden abgeraten. Schon bei der Planung und vor der Behandlung gilt es, bestimmte Risikofaktoren zu beachten und zu vermeiden. Patienten soll die Bedeutung einer guten Mundhygiene erläutert werden. Liegt eine Parodontalerkrankung vor, soll diese leitliniengerecht behandelt werden. Eine Implantat-Nachsorge ist daher unerlässlich. „Eine frühzeitig erkannte und behandelte periimplantäre Mukositis ist eine wichtige präventive Maßnahme zur Verhinderung einer Periimplantitis“, betont Prof. Schwarz. Dafür ist die konsequente Implantatnachsorge unerlässlich und Bestandteil der Behandlung.

Therapie der periimplantären Mukositis
Bei einer periimplantären Mukositis sollen die Betroffenen zu einer Veränderung ihres Verhaltens bezüglich der Mundhygiene motiviert werden. Hinzu kommen soll die Entfernung von Biofilm mit konventionellen Verfahren in der Praxis. Eine vollständige Abheilung der periimplantären Mukositis ist jedoch weder mit konventionellen noch mit alternativen Verfahren zur Biofilmentfernung bei allen Patienten vorhersehbar erreichbar. Darum empfehlen die Fachleute engmaschige Nachuntersuchungen, etwa im dreimonatigen Abstand.

Um die klinischen Zeichen der Infektion zu eliminieren, haben alternative und adjuvante Methoden im Vergleich mit dem konventionellen Debridement keinen (zusätzlichen) Nutzen. Nicht zum Einsatz kommen sollten darum die alternativen Verfahren wie etwa Glycinpulver-basiertes Air-Polishing oder Chitosan-Bürsten. Dies gilt auch für adjuvante Verfahren wie die Diodenlaser-/antimikrobielle photodynamische Therapie, eine lokale antiseptische Behandlung sowie eine systemische Therapie mit Antibiotika oder Probiotika.

Therapie der Periimplantitis – nichtchirurgische Behandlung
Anders als bei der Mukositis sollten alternative Verfahren zur Biofilmentfernung bei der nichtchirurgischen Therapie der Periimplantitis eingesetzt werden: eine Monotherapie mit Er:YAG-Laser oder Glycin-gestütztes Air-Polishing. Die Anwendung von Ultraschall hat indes keinen zusätzlichen klinischen Effekt.

Von den adjuvanten Therapien kann die antimikrobielle photodynamische Therapie zum Einsatz kommen. Von einer Diodenlaser-Anwendung raten die Fachleute hingegen ab. Dies gilt auch für lokale antiseptische und antibiotische Therapien sowie Probiotika. Eine systemische Behandlung mit Antibiotika sollte aufgrund genereller gesundheitlicher Bedenken auf Patienten- und Bevölkerungsebene nicht routinemäßig eingesetzt werden.

Eine Reevaluation des Behandlungserfolges sollte spätestens nach sechs Monaten erfolgen. Wird das Behandlungsziel durch eine nichtchirurgische Therapie nicht erreicht, sollten insbesondere fortgeschrittene Läsionen frühzeitig chirurgisch behandelt werden.

Therapie der Periimplantitis – chirurgische Behandlung
Es stehen vier chirurgische Therapiekonzepte zur Verfügung, die alle die vollständige Entfernung des Granulationsgewebes sowie eine Dekontamination der Implantatoberfläche umfassen:

  • Lappenoperation (nicht-rekonstruktiv)
  • Lappenoperation und resektive Maßnahmen (z. B. Exzision von Weichgewebe zur Taschenelimination, chirurgische Knochenremodellation, Glättung rauer Implantatoberflächen)
  • Lappenoperation mit augmentativen Maßnahmen (rekonstruktive Therapie)
  • Lappenoperation mit kombinierten resektiven/augmentativen Maßnahmen

Die Fachleute raten bei den chirurgischen Verfahren von adjuvanten Antiseptika bei der nicht-rekonstruktiven Chirurgie ab. Alternative Verfahren zur Dekontamination der Implantatoberflächen (Titanbürste, Glycinpulver-basiertes Air-Polishing) bieten hingegen im Vergleich zum konventionellen Debridement mit Plastikküretten Vorteile bezüglich Bleeding-on-Probing (BOP) und Sondierungstiefe. Bei der rekonstruktiven chirurgischen Therapie sollte eine Ozontherapie oder der Einsatz eines Kohlenstoffdioxidlasers zur Dekontamination der Implantatoberfläche nicht eingesetzt werden.

Periimplantäre Infektionen sind ein relevantes Problem.

Periimplantäre Infektionen bei Implantatpatienten werden durch bakterielle Biofilme verursacht: Das Weichgewebe um Implantate entzündet sich (periimplantäre Mukositis). Dies kann sowohl bei Titan- als auch bei Keramikimplantaten auftreten. Die Erkrankung schreitet fort, wenn sie nicht behandelt wird, und greift auf das Knochengewebe über – dann lautet die Diagnose: Periimplantitis.

  • Die gewichtete Prävalenz beträgt für die periimplantäre Mukositis 43 Prozent und 22 Prozent für die Periimplantitis.
  • Studien belegen die Folgen einer Nichtbehandlung: Im Experiment entzündet sich bei Menschen das Weichgewebe um Zahnimplantate, wenn die Bildung und Anreicherung von Plaque drei Wochen lang nicht durch Zähneputzen gestört wird.
  • Bleibt sie unbehandelt, entwickelt sich aus einer klinisch manifesten periimplantären Mukositis binnen eines Beobachtungszeitraums von fünf Jahren in 43,9 Prozent der Fälle eine Periimplantitis.
  • Durch eine regelmäßige vorbeugende Therapie konnte die Inzidenz in einer Kontrollgruppe hingegen auf 18,0 Prozent reduziert werden. Unbehandelt führt eine Periimplantitis zum Implantatverlust.

Risikofaktoren sind Parodontalerkrankungen, eine schlechte Mundhygiene, eine vorausgegangene Strahlentherapie sowie unregelmäßige Kontrolluntersuchungen. Auch biologische Faktoren der Patienten sowie Zementreste einer Behandlung, Fehlpositionierungen von Implantaten, ebenso ein fehlerhafter Sitz und/oder mangelnde Präzision der Sekundarteile und Überkonturierungen von Restaurationen spielen eine Rolle.
Diagnostischer Schlüsselparameter für die klinische Diagnostik periimplantärer Infektionen ist die Blutung auf Sondierung (BOP). Auch Sondierungstiefen sind relevant. Allerdings sollten diese auf Basis früherer Messungen, etwa nach Eingliederung der Suprakonstruktion, bewertet werden. Die Produktion von Eiter ist ein charakteristisches Merkmal einer Periimplantitis. Der marginale Knochenabbau lässt zumeist auch die periimplantären Sondierungstiefen steigen und gibt Aufschluss über den Schweregrad einer Periimplantitis. Der radiologisch nachweisbare Knochenabbau unterscheidet die Periimplantitis von einer Mukositis.

Quelle: DGI

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