Anwenderbericht

Falldokumention

20.10.21

Implantologische Konzepte im Wandel

Sofortimplantation und Sofortbelastung bei 74-jähriger Patientin

Augmentation, Implantat­prothetik, Sofort­belastung, Sofortimplantation

Dr. Jörg Ruppin

01a – Die Ausgangssituation zeigte im Oberkiefer eine Restbezahnung mit fortgeschrittenen Lockerungsgraden, die aufgrund parodontaler, endodontischer und kariöser Probleme nicht erhaltungsfähig war. Die Unterkiefer-Restbezahnung war zum Zeitpunkt der Erstkonsultation mit einer Modellguss-Teilprothese versorgt.

Komplexe (implantat)prothetische Rehabilitationen erfordern eine präzise Planung nach klar definierten Kriterien, um die für den Patienten optimal passende Versorgung zu finden. Ist diese Zielvorgabe zusammen mit dem Patienten erarbeitet, liegt die Aufgabe des Chirurgen darin, die korrekten prothetischen Parameter chirurgisch präzise umzusetzen und somit die Basis für den prothetischen Erfolg zu schaffen. Je aufwendiger der Patienten­fall ist, desto entscheidender ist ein gut funktionierendes Teamwork zwischen Prothetiker, Zahntechniker und Chirurg von Anfang an. Das gilt sowohl für eine umfangreiche Versorgung in klassischer mehrschrittiger Vorgehensweise als auch im dokumentierten Fall einer Sofortversorgung.

Frage an den Autor

Sofortimplantation, Sofortbelastung, verzögerte Implantation: Wann kann welches Verfahren gewählt werden?
Die Osseointegration eines Implantats ist grundsätzlich nur möglich, wenn Mikrobewegungen des Implantats während der Heilung ausgeschlossen sind. Eine Sofortimplantation – also eine Implantation unmittelbar post extractionem – ist immer dann möglich, wenn keine akut entzündlichen Prozesse des Knochens vorliegen und die vorhandene Knochenqualität und -quantität eine primärstabile Insertion eines Implantats ermöglichen. Eine Sofortbelastung – also eine sofortige okklusale Belastung des Implantats nach Insertion, unabhängig davon, ob es sich um eine Sofort- oder Spätimplantation handelt – ist immer dann möglich, wenn die Primärstabilität eine Mikrobewegung des Implantats während der Einheilung sicher verhindern kann. Die Primärstabilität wird in ISQ-Werten oder Insertionsdrehmomenten gemessen. Als empfehlenswert gelten Insertionsdreh­momente von > 30 Ncm beziehungsweise ein ISQ-Wert von > 75.

Behandlungskonzepte und daraus resultierende prothetische Versorgungen sind den Erkenntnissen einer dynamischen modernen Zahnheilkunde anzupassen. Gerade im Bereich der Implantologie und implantatprothetischen Restaurationen hat sich in den vergangenen Jahren viel bewegt. Dank neuer Implantatdesigns, weiterer Fortschritte in Diagnostik und Planung sowie der Weiterentwicklung minimalinvasiver Protokolle sind heute vielfach schmerzärmere Behandlungs- und Therapieoptionen, Sofortimplantation und -versorgungen möglich – auch in der Alterszahnheilkunde. Beispielhaft sei hier der Fall einer 74-jährigen Patientin vorgestellt, die im Jahr 2013 im Oberkiefer implantologisch – mit Knochenaufbau und acht Implantaten – versorgt wurde und sich im Jahr 2020 die implantatprothetische Restauration des Unterkiefers wünschte. Beide Male wurde die Patientin in unsere oralchirurgische Praxis überwiesen.

Der Patientenfall
Im Jahr 2013 wurde die damals 66-jährige Patientin von ihrer Hauszahnärztin zur Implantation des Oberkiefers in unsere Praxis überwiesen. Eine vorhandene teleskopierende Teilprothese war nach Verlust wichtiger Pfeilerzähne insuffi­zient geworden.
Die Allgemeinanamnese war unauffällig; die Patientin war Nichtraucherin. Der intraorale Befund zeigte im Oberkiefer eine Restbezahnung mit fortgeschrittenen Lockerungsgraden, die aufgrund parodontaler, endodontischer und kariö­ser Probleme nicht erhaltungsfähig war (Abb. 1 und 2). In der Vertikalen zeigte sich ein gut erhaltener Kieferkammverlauf, während in der Aufsicht ein deutliches vestibuläres Defizit in regio 21 bis 24 ­erkennbar war (Abb. 2 und 3). Die Patientin äußerte den Wunsch nach einer gaumenfreien Versorgung mit gutem Komfort und Halt im Oberkiefer. Der Unterkiefer sollte zu einem späteren Zeitpunkt versorgt werden.

Oberkierferrestauration: sieben Jahre in situ
Nach der Extraktion der nicht erhaltungswürdigen Zähne 11, 12, 13 und 17 wurde eine Interimstotalprothese eingegliedert, diese nach dreimonatiger Heilungsphase überprüft und aus den Vorgaben eine Chirur­gieschablone erstellt. Der Patientin sollte eine aufwendige und schmerzhafte Knochenentnahme aus der Beckenregion erspart werden, deshalb wurde der Knochen aus der retromandibulären Region entnommen. Um das begrenzte Knochenangebot optimal einsetzen zu können, kam die chirurgische Schablone bereits zur Augmentation zum Einsatz. Nach den Vorgaben der Schablone erfolgten eine autologe Blockaugmentation zur Rekonstruktion des Kieferkammbogens und eine externe Sinusbodenelevation beidseits mit autologem Knochen und bovinem Ersatzmaterial (Abb. 4).
Drei Monate später konnte in eine stabile Situation implantiert werden. Zunächst erfolgte die Pilotbohrung mittels einer konventionellen Bohrschablone (Abb. 5), die Achsen wurden mit den Camlog-Richtungsindikatoren überprüft. Die Implantate wurden in regio 16, 14, 13, 11, 21, 23, 24 und 26 inseriert (Abb. 6). Zur exakten Umsetzung der Implantatpositionen 14, 13 und 11 wurde bei der Implantation mit autologem Knochen lokal nachaugmentiert. Auf dem postoperativen OPG sind die verwendeten Medartis-Schrauben zu erkennen (Abb. 7). Nach dreimonatiger Einheilphase wurden die Implantate freigelegt und ein Verschiebelappen zur Verbreiterung der keratinisierten ­Gingiva präpariert (Abb. 8).
Zwei Wochen später erfolgte die Rücküberweisung an die Hauszahnärztin zur prothetischen Versorgung. Dank der Implantatpositionierung konnte die Patientin mit vier dreigliedrigen Brücken in regio 16–14, 13–11, 21–23, 24–26 versorgt werden, was gegenüber eine Gesamtkonstruktion zahlreiche Vorteile mit sich bringt, zum Beispiel ein einfaches Handling beim Recall oder im Fall einer Reparatur. Im Verlauf der siebenjährigen Tragezeit zeigte sich die Patientin damit sehr zufrieden (Abb. 9 und 10).

Unterkieferrestauration als Sofortversorgung
Ausgangssituation und Befund
Nachdem die Patientin vor sieben Jahren die implantologische Rehabilitation des Oberkiefers bei uns hatte durchführen lassen, wurde sie erneut vorstellig mit dem Wunsch, auch den mit einer Modellgussprothese versehenen Unterkiefer neu zu versorgen (Abb. 11). Der Befund zeigte eine Parodontitis apicalis an Zahn 32 bei radiologisch obliteriertem Wurzelkanal. Zahn 43 wies eine tiefe Kronenrandkaries, die Zähne 33 und 35 wiesen eine Wurzelfüllung auf (Abb. 12). Alle Zähne hatten einen mäßigen Attachmentverlust bei Lockerungsgraden zwischen I und II. Der Zahn 32 wurde als nicht erhaltungsfähig eingestuft und initial extrahiert. ­
Zur Versorgung des Unterkiefers waren verschiedene Optionen denkbar:
Teleskopkronen auf den Zähnen 44, 43, 33, 35 und gegebenenfalls zusätzliche Implantate zur strategischen Pfeilervermehrung.
Erhalt der Restzähne und Implantate an 36, 32, 42, 45 und 46 für festsitzende Kronen-Brücken-Versorgung; dazu wäre zumindest in regio 32 bis 42 ein zweizeitiger Knochenaufbau erforderlich, da in diesem Bereich die Knochenbreite absolut insuffizient war.
Entfernung der Restzähne und Implantation in regio 36, 34, 33, 43, 44, 46 für eine festsitzende Brückenversorgung
Die Patientin hatte konkrete Vorstellungen zu dieser Entscheidungsfindung: Sie wünschte eine festsitzende Versorgung und lehnte jede Form von abnehmbarem Zahnersatz – mit oder ohne Implantate – ab. Des Weiteren wünschte sie eine möglichst schnelle Versorgung mit wenigen chirurgischen Eingriffen. Da die Patientin mit der Oberkieferversorgung sehr zufrieden war, war sie auch für ein umfangreicheres implantologisches Konzept offen, unter der Voraussetzung, dass sich ein möglichst schnelles und einzeitiges Verfahren realisieren ließ. Aufgrund dieser Parameter wurde gemeinsam mit der Patientin folgendes Vorgehen festgelegt: Extraktion aller Restzähne und Sofort­implantation von sechs ­Implantaten für eine Sofortbelastung mittels verschraubten Langzeitprovisoriums. Nach abgeschlossener Osseointegration sollte der definitive Zahnersatz bei der überweisenden Kollegin ausgeführt werden.

Material und Methode
Zunächst wurde ein diagnostisches Set-up des Unterkiefers angefertigt und einprobiert, um Phonetik und Ästhetik der späteren Versorgung gemeinsam mit der Patientin überprüfen zu können. Um die geplante festsitzende Sofortversorgung umsetzen zu können, wurde mithilfe des Set-ups eine Röntgenschablone angefertigt und damit ein DVT durchgeführt (Abb. 13). Die Röntgenschablone wurde anschließend optisch eingescannt und mithilfe der radioopaken Referenzmarker ein Matching mit dem DVT-Datensatz durchgeführt. Gemeinsam mit dem zahntechnischen Labor (Fräszentrum Süd, Penzberg) wurden in einer Computer­aided Surgery-Planungssoftware (Organical Dental Implant, Organical CAD/CAM) die prospektiven Implantatpositionen und das dazu notwendige Schablonendesign festgelegt (Abb. 14a und b). Die Implantatpositionen wurden mithilfe des Camlog Guide-Systems (Camlog) in eine im 3-D-Druck hergestellte Bohrschablone übertragen. Bei Camlog Guide handelt es sich um ein sogenanntes „Full Guide“-System; das heißt, alle notwendigen Bohrschritte inklusive der Implantatinsertion werden durch die Schablone geführt. Im vorliegenden Fall musste von dieser Systematik jedoch insofern abgewichen werden, als die speziellen Guide-Bohrer für das Camlog Progressive-Line-System zum Zeitpunkt der Versorgung noch nicht erhältlich waren. Es kamen daher bis zum vorletzten Bohrschritt die Guide-Bohrer des Camlog Screw-Line-Systems zum Einsatz. Danach wurde die Schablone entfernt, und der finale Aufbereitungsschritt sowie die Implantatauswahl und -­insertion wurden manuell vorgenommen. Die Operation erfolgte in Lokalanästhesie mit oraler Sedierung. Zunächst wurden alle Restzähne schonend entfernt, anschließend erfolgten die krestale Schnittführung und die Darstellung des Alveolarknochens, um die knochengetragene Schablone sicher und überprüfbar positionieren zu können (Abb. 15 und 16). Danach wurden alle Implantatbetten mithilfe der Schablone vorpräpariert (Abb. 17) sowie die finale Aufbereitung und Insertion von sechs Progressive-Line-Implantaten (Camlog) manuell durchgeführt (Abb. 18).

Bei allen Implantaten, auch bei den in die frischen Extraktionsalveolen als Sofortimplantat inserierten, wurde eine Primärstabilität von mehr als 35 Ncm erreicht. Eine Sofortversorgung mittels verblockten Langzeitprovisoriums erschien somit sicher möglich. Die verbliebenen Spalträume zwischen Sofortimplantaten und Extraktionsalveolen wurden mit autologen Knochenspänchen augmentiert, die aus den Bohrstollen gewonnen werden konnten.
Es folgten das Einschrauben von Abform­pfosten für die geschlossene Abformtechnik und der sorgfältige mikrochirurgische Nahtverschluss mit resorbierbarem Nahtmaterial um die Pfosten (Abb. 19).
Das Langzeitprovisorium war anhand der virtuellen Vorplanung aus mikrogefülltem PMMA-Kunststoff (Brecam.Multicom, bredent group) einteilig gefräst worden. Bei einer „Fully-guided“-Vorgehensweise hätte es direkt postoperativ eingesetzt werden können. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Behandlung noch nicht vorliegenden Progressive-Line guide drills und der daher notwendigen manuellen Implantatauswahl und -insertion war klar, dass die Implantate nicht exakt der virtuellen Planung entsprechen konnten. Daher erfolgte die Abformung unmittelbar postoperativ, um das fertig gefräste Provisorium unter Laborbedingungen exakt auf die Klebebasen aufpassen und basal perfekt ausarbeiten zu können.
Ein Tag post op wurde das final ausgearbeitete, individualisierte und colorierte PMMA-Langzeitprovisorium (Abb. 20) ohne weitere Nacharbeiten okklusal verschraubt (Abb. 21); es zeigte sich dabei eine exzellente Passung. Die Schraubenkanäle wurden mit Teflonband und Flowable-Komposit verschlossen. Die Patientin wurde instruiert, eine mechanische Reinigung des OP-Gebiets nach zehn Tagen wieder aufzunehmen und in den ersten Wochen weiche Kost zu sich zu nehmen. Da resorbierbares Nahtmaterial verwendet wurde, mussten die Fäden nicht entfernt werden.
Der postoperative Verlauf gestaltete sich völlig komplikationslos, bis auf 2x 600 mg Ibuprofen in den ersten 24 Stunden postopertiv konnte auf eine Schmerzmedikation verzichtet werden.
Nach einer Einheilzeit von drei Monaten war die Osseointegration aller Implantate abgeschlossen. Es folgte eine klinische und radiologische Kontrolle der hart- und weichgewebigen Heilung, in deren Verlauf sich reizlose Verhältnisse und eine vollständige Osseointegration aller Implantate zeigten (Abb. 22 und 23). Die Patientin konnte somit, wie mit der überweisenden Zahnärztin vereinbart, zur Anfertigung des definitiven Zahnersatzes rücküberwiesen werden. Es wurden drei Brücken in regio 36–34, 33 –43 und 44–46 angefertigt. Die Ausführung erfolgte als zementierte Brücken auf NEM-Gerüsten im CAD/CAM-Sinterverfahren (CeraMill Sintron, Amann Girrbach) auf individuellen Titanabutments. Als Verblendmate­rial wurde ein Hochleistungsmikrohybrid-Komposit gewählt (Gradia, GC Europe) (Abb. 24 bis 26).

Diskussion
Um mit Sofortversorgungskonzepten erfolgreich zu sein, bedarf es einer konsequenten Planung im Sinne eines „backward planning“ unter Einbeziehung aller Partner (Patient, Überweiser, Zahntechniker und Chirurg) von Anfang an. Um ein Langzeitprovisorium sinnvoll vorbereiten zu können, ist eine exakte Umsetzung der geplanten Implantatpositionen entscheidend. Dafür bietet sich die Technik der schablonengeführten „computer-guided surgery“ an. Solche Techniken sind techniksensitiv, und man muss sich über die Möglichkeiten und Grenzen des verwendenten Systems im Klaren sein. Fehlerquellen, die eine exakte Implantatpositionierung kompromittieren können, gibt es viele: Neben den technischen Fehlerquellen bei DVT, Matching und Planungssoftware ist vor allem eine sicher reproduzierbare Positionierung der Bohrschablone im Mund essenziell. Am einfachsten gelingt dies, wenn ausreichend Restzähne zur Fixierung der Schablone verwendet werden können. Sind nicht genug Restzähne für eine sichere Fixierung vorhanden, ist der Einsatz von Fixierungspins oder knochengetragenen Schablonen möglich. Die Genauigkeit von knochengetragenen Schablonen ist vergleichbar mit der anderer Techniken [5], sie erfordern aber die Präparation eines Mukoperiostlappens zur vollständigen Darstellung der Knochenoberfläche.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, mit einer Navigationsschablone zu arbeiten: zum einen die Führung eines Pilotbohrers beziehungsweise mehrere Aufbereitungsschritte bei manueller Implantatinsertion und zum anderen die sogennante „Fully-guided“-Vorgehensweise, bei der alle Bohrschritte inklusive der Implantatinsertion durch die Schablone geführt werden. Die „Fully-guided“-Technik ermöglicht nachweislich signifikant höhere Genauigkeiten [1, 4, 5] und sollte daher, falls eine navigierte Bohrschablone in Erwägung gezogen wird, immer bevorzugt werden.
Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass es immer Abweichungen zwischen geplanten und erreichten Implantatpositionen geben wird. Typische Fehler sind für marktübliche Systeme Achsenabweichungen zwischen 3 und 4 Grad und Posi­tionsabweichungen am Implantatapex von circa 1 mm [1, 4]. Im aktuellen ITI Consensus Statement wird das Einhalten eines Sicherheitsabstands von 2 mm zu gefährdeten anatomischen Strukturen empfohlen [3]. Unter Berücksichtigung dieser Limitationen wird klar, dass ein Langzeitprovisorium immer im Sinne eines „passive fit“ im Mund angepasst werden muss. Dabei hat der Behandler zusätzlich für eine möglichst optimale Trockenlegung bei der intraoralen Passivierung zu sorgen, was unmittelbar postoperativ wegen Blut- und Speichelkontaminierung extrem schwierig sein kann.
Unter Berücksichtigung dieser Punkte wurde im vorgestellten Fall der Weg über eine postoperative Abformung gewählt, um das im CAD/CAM-Verfahren vorbereitete Provisorium unter Laborbedingungen optimal anpassen und finalisieren zu können. Die dabei erreichte Genauigkeit und Materialgüte wiegt den Nachteil des leicht verzögerten Einsetzens – im vorliegenden Fall am ersten postoperativen Tag – bei Weitem auf.

Im beschriebenen Fall wurden eine Sofortimplantation in die frischen Extraktionsalveolen und eine Implantation in vollständig ausgeheiltem Knochen durchgeführt. Es handelt sich also um eine Mischung aus Sofort- und Spätimplantation. An allen Implantaten wurde dabei ein Insertionsdrehmoment von mindestens 35 Ncm erreicht. Diese Werte wurden sicher auch dank des Implantatdesign der neuen „Progressive-Line“-Implantate erzielt, die mit konischer Implantatspitze, Sägezahngewinde mit guten selbstschneidenden Eigenschaften sowie krestalem Verankerungsgewinde für Sofortimplantation und -belastung geeignet ist. Dank des flexiblen Bohrprotokolls eignen sich die Implantate auch für die Spätimplantation und die Knochenklassen D1 und D2. Es ist also ein flexibel einsetzbares Implantatsystem, mit dem im beschriebenen Fall alle Indikationen abgedeckt werden konnten.
Das Langzeitprovisorium wurde als verblockte „Full arch“-Restauration ausgeführt. Dies ist einerseits im Hinblick auf die Verblockung der sofort belasteten ­Implantate und andererseits aufgrund des verwendeten PMMA-Materials sinnvoll. So konnte ein rein gefrästes Provisorium ohne aufwendige Metallverstärkungen eingesetzt werden, ohne dass es in der Tragezeit von circa 3,5 Monaten zu Brüchen oder Rissen kam. Der definitive Zahnersatz ist in drei einzelne Brücken geteilt, was nach vollständiger Osseointegration aller Implantate problemlos möglich ist und im Hinblick auf die Torsion des Unterkiefers bei Kaubewegungen zur Vermeidung von Spannungen im Material sehr empfehlenswert erscheint.

Fazit
Festsitzende implantologische Restaurationen gehören zu den anspruchsvollsten Versorgungsformen. Fehler in der Planung führen häufig zu Misserfolgen aufgrund von Chipping, mangelnder Hygienefähigkeit sowie insuffizienter Phonetik und Ästhetik. Als Langzeitkomplikation kommen noch Implantatverluste aufgrund schlechter Reinigbarkeit und/oder biomechanischer Überlastung hinzu, zum Beispiel durch stark abgewinkelte Implantatachsen oder extraaxiale Belastungen auf die Implantate. Daher ist ein „team approach“ zwischen Prothetiker, Zahntechniker und Chirurg im Sinne eines vollumfänglichen „backward planning“ unerlässlich.

Im vorgestellten Fall wurde die Oberkiefer-Versorgung im „backward planning“ mit konventionellen Modellen und Bohrschablonen durchgeführt. Im Unterkiefer kam dagegen ein digitaler Workflow zum Einsatz: Scan der Modelle, 3-D-Röntgen, Matching der Datensätze im virtuellen Artikulator und virtuelle Implantatplanung sowie eine „Fully-guided“-Bohrschablone, hergestellt im 3-D-Druckverfahren.
Das Vorgehen spiegelt den Paradigmenwechsel wider, der in der Zahntechnik in den letzten Jahren stattfindet: weg vom konventionellen und hin zum digitalen Workflow. Der digitale Weg bietet viele Vorteile hinsichtlich Zeit­ersparnis, Präzision, Planbarkeit und Fertigungstechnik.
Ebenso haben sich die Implantat­designs weiterentwickelt. So entspricht das im präsentierten Fall verwendete ­„Progressive-Line“-Implantatdesign den Forderungen nach höherer und besser vorhersagbarer Primärstabilität auch im kompromittierten Knochenlager. Daher können in vielen Fällen Sofort­implantations- und Sofortbelastungskonzepte realisiert werden, die für den Patienten eine erhebliche Zeitersparnis darstellen. Entsprechende Insertionsdrehmomente beziehungsweise ISQ-Werte vorausgesetzt, liegen die Erfolgsraten bei der Sofortbelastung in einem mit der verzögerten- beziehungsweise Spätbelastung vergleichbaren Bereich [2].
Der Einsatz einer „Fully-guided“-Bohrschablone ermöglicht bei der Implantation eine größere Sicherheit, eine verbesserte Präzision und gegebenenfalls ein minimalinvasives Vorgehen.
Bei all diesen vielversprechenden Entwicklungen darf jedoch die Planung nie aus dem Fokus geraten.
Ein vollständiges „backward planning“ im Team ist eine conditio sine qua non bei komplexen Implantatversorgungen unabhängig davon, ob ein analoger, teil- oder volldigitaler Workflow gewählt wird.

Literaturverzeichnis unter
www.teamwork-media.de/literatur

ProduktProduktnameFirma
CAD-PlanungssoftwareOrganical Dental ImplantOrganical CAD/CAM
BohrschabloneCamlog Guide SystemCamlog
ImplantateProgressive-LineCamlog
Provisorium
PMMA-Kunststoff
Brecam.Multicombredent group
Definitive Versorgung
NEM-Brückengerüst
Verblendmaterial
Ceramill Sintron
Gradia
Amann Girrbach
GC Europe
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