Fachbericht

Implantologie & Parodontologie

25.10.21

Metallfrei liegt im Trend

Update Keramikimplantate

Keramikimplantate ein-/zweiteilig, Zirkon­oxid-Keramiken

Felix Burkhardt, PD Dr. Benedikt Spies, Prof. Dr. Florian Beuer MME, Stefano Pieralli

01 – Beispiel eines einteiligen Zirkonoxid-Implantats (Vita Zahnfabrik)

Aufgrund moderner Bearbeitungsmöglichkeiten und eines gesteigerten Interesses an metallfreien Versorgungen rückte Zirkonoxid in den vergangenen Jahren als dentale Keramik in den Fokus. Diese Hochleistungskeramik wird heute nicht nur für vollkeramische Kronen und Brücken, sondern auch als Implantatwerkstoff verwendet. Zunächst gab es nur einteilige Implantatsysteme auf dem Markt, mittlerweile werden auch zahlreiche zweiteilige Systeme angeboten, sodass das Indikationsspektrum erweitert werden konnte. Dieser Beitrag soll einen Überblick über Vor- und Nach­teile der verschiedenen Designs geben und den aktuellen Wissensstand der prothetischen Versorgungsmöglichkeiten erörtern.

Fragen an die Autoren
Wie stabil sind Keramik­implantate?

Felix Burkhardt: Einteilige Implantate aus Zirkonoxid mit einem „Standarddurch­messer“ von circa 4 mm zeigen sich zur Befestigung von Einzelkronen und dreigliedrigen Brücken klinisch und in Laboruntersuchungen ausreichend stabil. Die sogenannte Alterung des Zirkonoxids scheint dabei klinisch nicht relevant zu sein.

Wie ist die aktuelle klinische ­Studienlage?
Stefano Pieralli: Obwohl es auch zweiteilige keramische Implantatsysteme auf dem Markt gibt, liegt nur für einteilige Implantate ausreichend Evidenz vor. Es fehlen jedoch Studien über Beobachtungszeiträume von mehr als fünf Jahren. Vor allem zu mehrgliedrigem Zahnersatz ist die Datenlage weiterhin schwach. Eine Initiative der PROSEC (Progress in Science and Education with Ceramics) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin versucht, diese Lücke zu schließen und organisiert derzeit eine Feldstudie, zu der auch Kollegen universitärer Kliniken und aus niedergelassenen Praxen eingeladen sind. Bei Interesse kontaktieren Sie bitte die Autoren.

Implantate werden in modernen Behandlungskonzepten häufig als Verankerungselement für Zahnersatz verwendet. Diese Implantate bestehen in der Regel aus Titan, das seit Jahrzehnten erfolgreich zur Versorgung mit Einzelkronen [19], mehrgliedrigen Brücken [18] sowie für abnehmbare Versorgungen [6] verwendet wird und somit den „Goldstandard“ darstellt. Als die ersten Implantate vor circa 50 Jahren entwickelt wurden, gab es neben Titanimplantaten [3] bereits auch keramische Implantate aus Aluminiumoxid [22, 24]. Diese konnten sich aufgrund eines erhöhten Frakturrisikos nicht durchsetzen und wurden Anfang der 90er-Jahre wieder vom Markt genommen [1]. Der Wunsch nach einer metallfreien Alternative aus Keramik bestand jedoch weiterhin. So richtete sich das Augenmerk auf den Werkstoff Zirkonoxid (ZrO₂), der als dentale Keramik aufgrund der Verarbeitungsmöglichkeiten im Rahmen der CAD/CAM-Technologie zunehmend in den Fokus rückte.

Zirkonoxid – eine Hochleistungskeramik
Zirkonoxid, häufig auch als Zirkonium­dioxid oder Zirkonoxid-Keramik benannt, ist ein Metalloxid, das jedoch keine metallischen Eigenschaften aufweist. Das zugrundeliegende Netzwerk beinhaltet zum Großteil (circa 70 %) ionische Bindungen zwischen Sauerstoff- und Zirkon­iumatome [14]. ZrO₂ wird, verglichen mit anderen Keramiken, aufgrund der unter anderem erhöhten Biege­festigkeit (900 bis 1200 MPa) und Risszähigkeit (6 bis 8 MPa√M) [16] als Hochleistungskeramik bezeichnet. Darüber hinaus weist es auch eine hohe Abrasionsfestigkeit sowie geringe thermische Leitfähigkeit auf. Die Erklärung für diese mechanische Beschaffenheit ist in der atomaren Gitterstruktur zu finden. ZrO₂ hat allotropische Eigenschaften und kann deshalb im gleichen Aggregatzustand in verschiedenen Strukturen vorliegen. So zeigt sich ZrO₂ als temperaturabhängiger Polymorph: Bei Raumtemperatur bis 1070 °C liegt es in monokliner Form vor, zwischen 1170 °C und 2370 °C in tetragonaler und ab 2370 °C bis hin zum Schmelzpunkt weist es eine kubische Gitterstruktur auf [8]. Diese Phasenumwandlung ist mit einer Volumenveränderung verbunden und würde den Werkstoff für die zahnmedizinische Verwendung unbrauchbar machen. Zur Beeinflussung der Phasenumwandlung, werden spezielle Oxide wie zum Beispiel Yttriumoxid (Y₂O₃) hinzugegeben, um den tetragonalen Zustand bei Raumtemperatur zu stabilisieren. So wird für die Herstellung von dentalen Implantaten meistens ein mit Yttrium stabilisiertes, tetragonales, polykristallines ZrO₂ (engl.: yttria-stabilized tetragonal zirconia polycrystal, Y-TZP) verwendet.

Wie reagiert ZrO₂ auf äußere Belastung?
Die metastabile Form des tetragonalen ZrO₂ kann durch die sogenannte Transformationsverfestigung der Rissbildung entgegenwirken [8]. Dabei verändern sich um einen entstehenden Riss die Kristalle von tetragonal zu monoklin, was mit einer Volumenzunahme (20 %) verbunden ist. Durch diese Verdichtung der Kristalle um den Riss wird das Risswachstum verlangsamt und gestoppt. Dieser Effekt wird auch als „Selbstheilung“ beschrieben, wobei es sich jedoch um ein begrenztes Phänomen handelt, da die Transformation der Kristalle unter den in der Mundhöhle vorliegenden Bedingungen irreversibel ist. Es musste jedoch festgestellt werden, dass im feuchtwarmen Milieu der Mundhöhle die Umwandlung von tetragonal nach monoklin auch spontan und ohne mechanische Einflüsse stattfinden kann. Man spricht dann in der englischsprachigen Literatur von „low-temperature-degradation“ (LTD, deutsch: Niedertemperaturumwandlung) oder „aging“ (deutsch: Alterung) des Materials. Dieses Phänomen kann auch mit einer Reduktion der mechanischen Eigenschaften einhergehen [7]. In präklinischen Studien im Kausimulator konnte anhand von ZrO₂-Implantaten dieser Effekt über 40 Jahre simuliert werden. Dabei wurde eine Alterung der verwendeten Keramik festgestellt. Diese führte produktabhängig jedoch zu sehr unterschiedlichen Resultaten: Es konnten sowohl erhöhte als auch reduzierte Bruchfestigkeitswerte der Implantate nach Alterungssimulation festgestellt werden. Anzunehmen ist jedoch, dass die alterungsbedingt veränderten Produkteigenschaften klinisch nicht relevant sind [29].

Wo stehen Zirkonoxid-Implantate heute wissenschaftlich?
Positiv zu bewerten sind die Überlebensraten (> 95 % nach zwölf Monaten) der keramischen Implantate sowie der geringe periimplantäre marginale Knochenverlust bei festsitzenden Versorgungen (<1 mm nach zwölf Monaten) [17,  21]. Worauf ist dieser Erfolg zurückzuführen? Zum einen liegt es an der den Titan­implantaten vergleichbaren Osseointegration, die sowohl in präklinischen [17] als auch in klinischen Studien [21] nachgewiesen werden konnte. Zum anderen können die „weichgewebefreundlichen“ Eigenschaften des ZrO₂ wohl zum Erfolg dieser Implantate beitragen. Verglichen mit Titan zeigte ZrO₂ eine geringere Plaque­affinität [11] sowie niedrigere Entzündungswerte des periimplantären Weichgewebes, wie in einer aktuellen Übersichtsarbeit gezeigt werden konnte [23]. Einen weiteren Vorteil gegenüber dem gräulich anmutenden Titan könnte die ansprechendere weißliche Farbe des ZrO₂ darstellen [4]. So kann vermieden werden, dass bei einem dünnen gingivalen Biotyp die gräuliche Farbe des Titans eventuell durchschimmert [30].

Einteiliges versus zweiteiliges Design
Derzeit gibt es sowohl einteilige (Abb. 1) als auch zweiteilige Keramikimplantat-­systeme (Abb. 2). Einteilige ZrO₂-Implantate befinden sich seit Anfang der 2000er-Jahre auf dem Markt. Klinische Studien wurden erstmals 2006 veröffentlicht [2, 10]. Die Zahl der Veröffentlichungen ist seitdem stetig gewachsen und lässt auf ein gesteigertes Interesse an dieser Versorgungsart schließen. Dennoch gibt es derzeit keine Studien mit Beobachtungszeiträumen von mehr als sieben Jahren [20]. Einteilige Keramikimplantate bestehen aus einem enossalen und einem transmukosalen Anteil sowie einem integrierten Abutment. Deshalb ist eine möglichst prothetisch orientierte Positionierung für die spätere Versorgung und den klinischen Erfolg entscheidend (Abb. 3a bis f). Insbesondere in ästhetischen Bereichen ist eine Planung mittels prothetischen Set-ups und dreidimensio­nalen Röntgenbilds empfehlenswert, da eine Korrektur der Abut­mentachse nachträglich nur begrenzt möglich ist. Zwar kann das Abutment später mittels Diamantschleifkörpern noch bearbeitet und angepasst werden, allerdings verringert die Präparation die Bruchfestigkeit der Keramikimplantate, da der Querschnitt der Implantate reduziert wird [25]. Darüber hinaus erlaubt das Monoblock-Design nur eine transmukosale Einheilung, sodass eine ausreichende Primärstabilität obligatorisch ist. Eine weitere Herausforderung stellt das Einsetzen der prothetischen Restauration dar. Bei einteiligen Implantaten kann die prothetische Versorgung nur zementiert werden, wodurch die Gefahr von unerreichbaren Zementresten und daraus resultierenden periimplantären Entzündungen des Gewebes gegeben ist [9]. Deshalb wurden Methoden entwickelt, die Zementüberreste so gering wie möglich zu halten: Durch ein Vorzementieren im Labor oder ein oral gelegenes Abflussloch (venting hole) können bei der Eingliederung Zementüberschüsse minimiert werden [31].

Zweiteilige Zirkonoxid-Implantate wurden erstmals 2015 in klinischen Studien untersucht [15] und weisen bis heute nur eine geringe Evidenz auf [21]. Ein Vorteil gegenüber dem einteiligen Design bieten das erweiterte Indikationsspektrum sowie auch die Möglichkeit einer geschlossenen Einheilung (Abb. 4a bis f).
Es ist jedoch anzumerken, dass die meisten auf dem Markt befindlichen zweiteiligen Systeme nicht auf Knochenniveau inseriert werden und der transgingivale Anteil mit dem enossalen Teil fest verbunden ist. Die Abutments werden meistens aus ZrO₂ oder anderen metallfreien Werkstoffen wie Polyetheretherketon (PEEK) hergestellt. Darüber hinaus lässt sich die Wahl des Schraubenmaterials ebenso diskutieren. Um ein möglichst metallfreies System zu bekommen, wird statt Gold und Titan zum Beispiel auch karbonfaserverstärkter PEEK-Kunststoff zur Herstellung von Schrauben verwendet. Neben der Verschraubung stellt auch das Einkleben von Abutments eine weitere praktizierte Lösung dar. Dabei handelt es sich um eine irreversible Verbindung zwischen Implantat und Abutment, die bei Komplikationen einen Austausch des Abutments erschwert. Es konnte in einer präklinischen Studie mittels Kausimulators gezeigt werden, dass unter Belastung die Verklebung zweiteiliger Systeme möglicherweise einen Schwachpunkt darstellt [27]. Zudem ist das Vorgehen mit der Schwierigkeit der Trockenlegung verbunden, die für einen sicheren Klebeverbund zwischen Implantat und Abutment gewährleistet werden muss.

Prothetische Versorgung
Es gibt derzeit sehr wenige klinische Studien zur prothetischen Versorgung von Zirkonoxid-Implantaten und diese sind hauptsächlich auf Einzelzahnversorgungen und dreigliedrige Brücken begrenzt. Die Überlebensraten auf einteiligen keramischen Implantaten sind sehr zufriedenstellend [17]. Als Werkstoffe kommen vollkeramische Materialien aus Zirkon­oxid oder Lithiumdisilikat infrage. Letzteres war in monolithischer Form für Einzelzahnversorgungen auch noch nach fünf Jahren erfolgreich [28]. Eine geringe Evidenz gibt es für implantatgetragene Brücken, die in der kontemporären Literatur maximal dreigliedrig waren [28]. Alle untersuchten Brücken bestanden aus verblendetem ZrO₂, und es traten häufig Abplatzungen (Chipping) sowie Rauigkeiten der Verblendkeramik auf. Obwohl die Patientenzufriedenheit dadurch nicht negativ beeinflusst wurde, sind zur Vermeidung dieser Komplikationen monolithische Versorgungen bei maximal vestibulärer Verblendung zu bevorzugen. Für abnehmbare Prothesen gibt es bislang kaum klinische Studien. Existierende Daten für einteilige Zirkonoxid-Implantate zeigen hohe Komplikations- und niedrige Überlebensraten [12].

Wie geht es weiter?
Das Interesse an metallfreien Versorgungen ist groß und das Thema der keramischen Implantate dehnt sich gerade vom deutschsprachigen Raum auf weitere implantologische Märkte aus. Obwohl momentan viele Implantate angeboten werden, gibt es insbesondere für die zweiteiligen Systeme kaum klinische oder präklinische Evidenz, sodass diese in weiteren Studien untersucht werden müssen. Derzeit wird auch an einer Optimierung und Modifizierung der ZrO₂-Keramiken geforscht, um die mechanischen Eigenschaften weiter zu optimieren und den Alterungs­prozess zu minimieren. Bereits klinisch erprobt sind zum Beispiel Zirkon­oxid-Keramiken mit einem deutlich erhöhten Aluminiumoxid­anteil von 20 bis 30%. In einer prospektiven klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass über einen Beobachtungszeitraum von drei Jahren diese aluminium­oxidverstärkte ZrO₂-Keramik eine den Titan­im­plantaten vergleichbare Erfolgsrate aufweist [26]. Ebenso interessant erscheint die Möglichkeit, ZrO₂ mit Ceroxid zu stabilisieren. Cer-dotiertes ZrO₂ ist weniger alterungsanfällig, weist jedoch eine deutlich reduzierte Biegefestigkeit im Vergleich zu Y-TZP auf. Durch Hinzufügen zweier sekundärer Phasen (äquiaxiales Aluminiumoxid und Strontium­hexa­aluminat) kann die reduzierte Biegefestigkeit jedoch ausgeglichen und die verminderte Alterungs­anfälligkeit beibehalten werden [5, 13]. Ein weiteres Forschungsfeld stellen alternative Verarbeitungs­möglich­keiten des Zirkon­oxids dar, da die subtraktive Bearbeitung des Werkstoffs recht kosten- und ver­schleiß­intensiv ist. Alternative technische Möglichkeiten wie das in der Summe preisgünstigere Keramik­spritzgussverfahren (Injection Molding) bieten sich hier an. Darüber hinaus birgt auch die Wahl des Abutment- und Schraubenmaterials Verbesserungs­potenziale auf dem Weg zum komplett metallfreien Implantat. Obwohl es bereits vielversprechende Studien zu einteiligen Systemen gibt, fehlen auch dazu prospektive klinische Studien mit Langzeitergebnissen, die der Beurteilung dienen, ob Keramik­implantate bedenken­los als „sichere“ Alternative zu den Titan­implantaten verwendet werden können. Eine geplante multizentrische Feldstudie unter Leitung der Charité – Uni­ver­si­täts­medizin Berlin versucht, dies­bezüglich prospektive klinische Daten zu erheben. Bei dieser Studie sollen einteilige Keramikimplantate im Seiten­zahn­bereich mit voll­kera­mi­schen, monolithischen Brücken versorgt und auf ihren Langzeiterfolg untersucht werden. Interessierte Kolleginnen und Kollegen sind zur Teilnahme an der Feldstudie ein­geladen.

Fall 1 Versorgung einer Schaltlücke regio 13 bis 16 mit einteiligen ZrO₂-Implantaten (Vita Zahnfabrik) an der Charité – Universitäts­medizin Berlin in der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre

Fall 2 Versorgung einer Einzelzahnlücke in regio 24 mit einem zweiteiligen ZrO2-Implantat (Camlog) und einer vertikal verschraubten vollkeramischen Krone an der Charité – Universitätsmedizin Berlin in der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre

Literaturverzeichnis unter
www.teamwork-media.de/literatur

ProduktProduktnameFirma
Fall 1
Bohrschablone
Implantate
2ingis Guide
ceramic.implant
2ingis/Belgien
Vita Clinical
Fall 2
Bohrschablone
Implantate
Krone
Smop
Ceralog
IPS e.max CAD
Swissmeda
Camlog
Ivoclar Vivadent
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