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11.04.23
Motivation durch wiederholte Wetten gegen sich selbst
Forschungsprojekt der Universität Vechta zeigt neuartigen Mechanismus
Forschungsprojekt, Motivation, Selbstbindungsinstrument, Universität Vechta, wiederholte Wetten
Redaktion
Wiederholt gegen sich selbst zu wetten, kann unter anderem das Erreichen von Zielen guter Vorsätze begünstigen. Das ist eines der Ergebnisse des Forschungsprojekts „On the mixed effects of incentives, and the value of repeated betting on achieving personal goals”, welches im Rahmen der Forschungskooperationen Niedersachsen-Israel mit rund 300.000 Euro von der VolkswagenStiftung gefördert wurde. Teams aus der Universität Vechta (Management Sozialer Dienstleistungen) und der Technischen Universität Israel haben rund vier Jahre an diesem Projekt gearbeitet und konnten bei den Teilnehmenden eine Motivationssteigerung für Sport als auch für Freiwilligenarbeit erzielen.
Ob es der regelmäßige Besuch eines Fitnessstudios, der Verzicht auf Zigaretten oder der Entschluss, sich gesellschaftlich mehr zu engagieren, ist: Menschen fällt es oft leicht, sich attraktive Ziele auszumalen, Vorsätze zu fassen und das eigene Verhalten zu planen. Doch die Krux liegt in der Umsetzung. Da Menschen in der Regel sehr sensibel auf Fehlschläge reagieren, geht die Motivation schnell verloren, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass die Umsetzungsbestrebungen in den Hintergrund rücken. Verhaltensforscher beschreiben dieses Phänomen als „Planning- Ongoing-Gap“. Diese Planungslücke zu überbrücken, war das Ziel der Teams um Prof. Dr. Vanessa Mertins (Universität Vechta, Management Sozialer Dienstleistungen) und Prof. Ido Erev, PhD. (Technion Haifa).
Selbstbindungsinstrument wiederholte Wetten
Theoriegeleitet wurde ein Selbstbindungsinstrument in Form von „wiederholten Wetten gegen sich selbst“ entworfen. Während typische Selbstbindungsinstrumente auf einmaligen Wetten beruhen, bei denen man sich für einen langen Zeitraum zu möglichst großen Zielen verpflichtet, steht beim innovativen „wiederholten Wetten“ das Erreichen kleiner und kurzfristiger Ziele im Vordergrund. Es fordert das Festlegen eines erstrebenswerten, täglichen oder wöchentlichen Ziels – beispielsweise eine bestimmte Schrittzahl – und das Hinterlegen eines Wetteinsatzes. Wird das Ziel erreicht, bekommen die Wettenden den Einsatz zusammen mit einem Mikro-Anreiz – beispielsweise wenige Cent – ausbezahlt. Dabei ist der Wetteinsatz, und damit der mögliche Verlust, immer höher als der potenzielle Gewinn. Die ungleiche Ausgestaltung des Wetteinsatzes und der Belohnung hat mehrere Vorteile: Zum einen beobachteten bereits Amos Tversky – er gilt als israelischer Pionier der kognitiven Psychologie bzw. Kognitionswissenschaft – und der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann, dass Menschen bestrebt sind, Verluste zu vermeiden. Zum anderen bildet dieses Ungleichgewicht sehr realitätsnah ab, dass es wiederholte Erfolge benötigt, um ein größeres Ziel zu erreichen.
Die wiederholte Wette wurde sowohl in Deutschland als auch in Israel experimentell in Zusammenarbeit mit mehreren Kooperationspartnern aus der Praxis getestet. Sie fand Anwendung als Motivationsinstrument zur Steigerung der körperlichen Gesundheit – eingebettet und überprüft durch eine eigens entwickelte App – und zur Förderung des intergenerationalen Austauschs in der Freiwilligenarbeit. Nicht in jeder Teilstudie stand Geld im Vordergrund; in Form von „Engagementspunkten“ wurde ebenfalls eine nichtmonetäre Lösung mit großem Erfolg getestet.
Hohe Teilnahmeraten
Während es bisher ein Problem von solchen Selbstbindungsinstrumenten war, dass Menschen durch den möglichen Verlust des Einsatzes abgeschreckt werden, konnten für die „wiederholte Wette gegen sich selbst“ sehr hohe Teilnahmeraten festgestellt werden. Eine mögliche Erklärung sehen die Wissenschaftler darin, dass Menschen diese Herausforderung als Spiel (Gamification) wahrnehmen. Maximilian Hiller, Projektmitarbeiter an der Universität Vechta, weist auf einen weiteren Vorteil hin: „Der neuartige Mechanismus kann nicht nur zuverlässig Verhaltensänderungen bewirken, sondern kann sich aus finanzieller Sicht auch über einen längeren Zeitraum hinweg selbst tragen, was ihn auch zum Beispiel für Krankenkassen äußerst attraktiv macht.“
Der erste von mehreren Artikeln zum wiederholten Wetten wurde im international renommierten Journal of Economic Psychology unter dem Titel „Promoting Healthy Behavior through Repeated Deposit Contracts: An Intervention Study“ publiziert. Das Team um Prof. Dr. Vanessa Mertins arbeitet aktuell in verschiedenen Projekten daran, die Treiber des Erfolgs weiter zu erforschen.
Ein praktisches Beispiel zur wiederholten Wetten aus einer Studie, die in Zusammenarbeit mit einer Krankenkasse durchgeführt wurde:
Die Versicherten wurden mit einem Schrittzähler ausgestattet, der die alltägliche Bewegung getracked hat. Basierend auf diesen Werten wurde nach einer kurzen Phase ein individuelles Schrittziel berechnet. Den Versicherten wurde dann angeboten, über 91 Tage freiwillig an der wiederholten Wette teilzunehmen. Dabei wurde folgendes angeboten: „Gewinne 0,25 Euro für jeden Tag, an dem du das Schrittziel erreichst. Verliere einen Wetteinsatz von 2 Euro für jeden Tag, an dem du dies nicht schaffst. Du kannst nie unter 0 Euro fallen. Du kannst jeden Tag entscheiden, ob du am kommenden Tag an der wiederholten Wette teilnehmen möchtest oder pausierst.“ Am Ende der 91 Tage wurde dann der Gesamtbetrag ausbezahlt. Jeder der 91 Tage war somit potenziell auszahlungsrelevant, was sich grundsätzlich von den „einmaligen Wetten“ unterscheidet.
Quelle: Universität Vechta
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