Fachbericht

Einblicke

17.06.25

Neue Wege für eine präzisere Diagnostik und Therapie

Digitale Okklusion und instrumentelle Okklusionsanalyse

Analyse und Diagnostik, Digitale Unterstützung, Okklusion, prothetische Versorgung, Therapie

Prof. Dr. Bernd Kordaß

Eine suffiziente Okklusion zählt zu den elementaren Aufgaben in der zahnmedizinischen Diagnostik und Therapie. Beim Blick auf die Okklusion müssen sich Zahnmediziner immer im Klaren darüber sein, dass die Mundhöhle ein Raum höchster Sensibilität und räumlicher Auflösung ist.

Eine präzise Okklusion bildet die Grundlage für die Funktionalität und Langlebigkeit zahnerhaltender und prothetischer Versorgungen und zählt somit zu den elementaren Aufgaben in der zahnmedizinischen Diagnostik und Therapie. Gleichzeitig ist die Mundhöhle ein Raum von extrem hoher Sensibilität und räumlicher Auflösung: Schon geringste Abweichungen von 8 bis 15 Mikrometern werden vom Patienten als störend empfunden. Gleitet der Patient mit der Zunge über die Zähne, ist das Raumgefühl und Empfinden ein anderes, als bei dem reinen Ertasten mit den Fingern. In der Mundhöhle fühlt sich alles vergrößert und intensiver an. Für Zahnärzte bedeutet das: Ein korrekt eingestellter Biss ist kein Detail, sondern eine zentrale Voraussetzung für den Behandlungserfolg (Abb. 1 – Beitragsbild: Das zebris Kieferregistriersystem JMA-Optic in Anwendung und die digitale Umsetzung im Modul „Digitale Okklusion“). Zahnmediziner spüren diese „Innenwelten“ mit funktionellem MRT (fMRT) nach. Genau jene Zentren, die für das Funktionieren des Kausystems relevant sind, lassen sich mit fMRT darstellen und mit vielen wichtigen Erkenntnissen zur Okklusion belegen. Erstmals lassen sich nicht nur Kontaktpunkte, sondern auch Bewegungs- und Belastungsmuster umfassend erfassen und bewerten. Zahnärzte erhalten damit eine differenzierte Grundlage für ihre Behandlung, die über die klassische Okklusionsprüfung hinausgeht.

Digitale Unterstützung für ein komplexes System
Bislang war die Einschätzung der Okklusion in vielen Fällen von analogen Verfahren und subjektiven Einschätzungen abhängig. Doch die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten, die funktionellen Abläufe präzise und objektiv zu erfassen. Ein innovativer Ansatz ist dabei die instrumentelle Okklusionsanalyse mit dem Jaw Motion Analyser JMA-Optic System (zebris Medical). Ein besonderer Vorteil ist hier, dass Zahnmediziner reale Bewegungsaufzeichnungen der Unterkieferfunktion ankoppeln und damit zusätzliche Informationen gewinnen können: Beispielsweise, wenn okkludierende Bewegungsmuster hinsichtlich der Häufigkeit betrachtet werden, mit der eine Annäherung zwischen den funktionell relevanten, okkludierenden Kauflächen stattfindet.

Mehrdimensionale ­Betrachtung der Okklusion
Durch diese Verknüpfung lassen sich nicht nur statische Kontakte, sondern vor allem auch dynamische Belastungsmuster während natürlicher Bewegungsabläufe analysieren. So wird sichtbar, welche okklusalen Flächen beim Kauen besonders häufig adressiert werden und wo möglicherweise eine Überlastung einzelner Bereiche droht.

Diese Daten liefern die Grundlage, in welchem Maß eine funktionelle Belastung an diesen Stellen stattfindet. Das JMA-Optic System ermöglicht es, Unterkieferbewegungen in Echtzeit dreidimensional zu erfassen. Um dieses Informationspotenzial zu optimieren, bringen geeignete Kopplungslöffel die anatomischen Scandaten der Kauflächen und Kiefer mit denjenigen der Unterkieferbewegung in Übereinstimmung. Das ist vergleichbar mit dem Anlegen eines klassischen Gesichtsbogens, jedoch mit deutlich höherer Genauigkeit und Aussagekraft. Im Ergebnis lassen sich Okklusionskontakte bei physiologischen Bewegungen erfassen, aber natürlich auch digitale Artikulatoren einsteuern.
Gerade diese Erkenntnisse sind in der täglichen Praxis von enormem Wert: Lokale Überbelastungen können rechtzeitig erkannt und durch gezielte Adjustierung der Restauration vermieden werden. Das hilft unter anderem, Komplikationen wie Chipping bei Zirkonoxid-Kronen zu verhindern und langfristig für eine stabilere Funktion zu sorgen.

Praxisfall
Okklusionsmuster vor und nach ­Therapie im ­Vergleich

Am Beispiel eines Patientenfalls zeigt sich das Potenzial der Methode deutlich: Vor der restaurativen Versorgung lag der Schwerpunkt der Kaukräfte weit distal, was ein erhöhtes Risiko für lokale Schäden bedeutete (Abb. 1 – s.o.). Nach der Versorgung mit vollkeramischen Kronen im Frontzahnbereich sowie metallkeramischen Kronen im Seitenzahnbereich verteilten sich die Belastungen deutlich homogener über die Zahnreihen. Einzelne, stärker belastete Flächen – etwa an einem leicht gedrehten Zahn 16 – wurden gezielt nachkontrolliert und optimiert.

In der grafischen Auswertung werden die Belastungszonen farblich dargestellt: Dunkelrote Bereiche zeigen die zehn Prozent häufigsten belasteten Kontaktflächen, dunkel- und hellblaue Bereiche die seltener beanspruchten Areale. Diese differenzierte Darstellung macht funktionelle Probleme sichtbar, die mit herkömmlichen Methoden kaum zu erfassen wären (Abb. 2).

Ein echter Fortschritt für die Zahnmedizin
Fazit: Mit der „Digitalisierung“ der Okklusion mit dem Modul „Digitale Okklusion“ (zebris Medical) wird eine neue Dimension mit einer viel umfassenderen Sicht auf die Okklusion ermöglicht. Erstmals lässt sich die Komplexität der okklusalen Funktion visualisieren – insbesondere dann, wenn zusätzliche Informationen zu den reinen Kontaktbeziehungen mit einfließen. Damit kommen Zahnmediziner dem Okklusionsgeschehen viel näher, als es mit bisherigen analogen Methoden möglich war (Abb. 3).

Das Ergebnis: mehr Präzision, individuellere Versorgung – und zufriedene Patienten, die von einem spürbar besseren Biss profitieren.

Literatur:
www.teamwork-media.de/literatur

Kontakt
Prof. Dr. Bernd Kordaß
Zentrum für Zahn-, Mund- und ­Kieferheilkunde Greifswald

Fleischmannstraße 42

17475 Greifswald

kordass@uni-greifswald.de

www.uni-greifswald.de

Prof. Dr. Bernd Kordaß fokussiert digitale Technologien und funktionelle Okklusion mit der digital basierten Funktionsdiagnostik. Als Studiendekan für Zahnmedizin und stellvertretender Studiendekan für Medizin an der Universitätsmedizin Greifswald leitet er mehrere Abteilungen, darunter: Digitale Zahnmedizin – Okklusions- und Kaufunktionstherapie, zahnmedizinische Propädeutik/Community Dentistry und die zahnärztliche Radiologie.

  • 1997 wurde er Professor an der Universität Greifswald und übernahm die Leitung der Abteilung für Zahnmedizinische Propädeutik/Community Dentistry. Seitdem hat er maßgeblich zur Entwicklung und Integration digitaler Technologien in die Zahnmedizin beigetragen, insbesondere im Bereich der computergestützten Funktionsdiagnostik und -therapie. Er ist Mitbegründer des Arbeitskreises für „Angewandte Informatik in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ und hat die Entwicklung des virtuellen Artikulators vorangetrieben, der die tatsächlichen Kieferbewegungen digital abbildet.

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