Fachbericht

Falldokumention

08.10.24

Risikoarme Versorgung einer 85-jährigen Patientin

Einflügelige Adhäsivbrücke im digitalen Workflow aus mehrschichtigem Zirkonoxid

Adhäsivbrücke, digitaler Workflow, mehrschichtiger Zirkonoxid

Dr. Florian Zwiener

Der Autor beschreibt die Herstellung einer Adhäsivbrücke im Unterkiefer. Bei dem Patientenfall war aufgrund einer ausgeprägten Parodontitis, fehlenden ortsständigen Knochens und eines ­höheren Patientenalters eine Alternative zur herkömmlichen Brücken- und Implantatrestauration notwendig. Eine Herausforderung war das nach der Extraktion des Zahns zu erwartende Gewebedefizit, das eine Weichgewebeaugmentation notwendig werden ließ. Die Lösung: Eine Adhäsivbrücke gefertigt im digitalen Workflow aus einem hochtransluzenten, ästhetischen Zirkonoxid.

Die Wiederherstellung von Ästhetik und Funktion im Frontzahnbereich ist immer eine Herausforderung, insbesondere bei Patienten mit komplexen Bedingungen wie massiver Parodontitis, geringem Knochenangebot [5], Kindern [6] oder im fortgeschrittenem Alter. Diese Faktoren erschweren oft den Einsatz klassischer restaurativer Ansätze wie Implantat- oder konventionelle Brückenversorgungen.

Adhäsivbrücken im 
­klinischen Alltag
Dank der adhäsiven Zahnmedizin und weiterentwickelter Zirkonoxide haben sich Adhäsivbrücken zu einem etablierten Therapiekonzept entwickelt. Insbesondere die einflügelige Adhäsivbrücke gilt im Vergleich zu Einzelzahnimplantaten als prothetische Versorgungsalternative [1]. Ein entscheidender Vorteil gegenüber der konventionellen Brücke besteht darin, dass sich die Anzahl der zu präparierenden Pfeilerzähne halbieren lässt. Dies reduziert nicht nur invasive Maßnahmen, sondern vereinfacht auch die Reinigung. Aktuelle Studien zu einflügeligen vollkeramischen Adhäsivbrücken im Frontzahnbereich zeigen bei korrekter klinischer Anwendung hervorragende Langzeitergebnisse. Nach derzeitiger Studienlage können einflügelige Adhäsivbrücken im Frontzahnbereich empfohlen werden. So weisen Adhäsivbrücken aus Zirkonoxid eine Überlebensrate von 98,2 % über einen Beobachtungszeitraum von 10 Jahren auf [1]. Die Datenlage zeigt auch, dass einflügelige vollkeramische Adhäsivbrücken teilweise metallkeramischen Brücken überlegen sind [2,3]. Komplikationen wie Pfeilerlockerungen sind bei der einflügeligen Variante nahezu ausgeschlossen [4].
Moderne Zirkonoxide wie Katana Zirconia, zuverlässige Befestigungskomposite wie Panavia V5 und digitale Technologien machen die Anwendung von Adhäsivbrücken im klinischen Alltag komfortabler und sicherer. Wichtig ist die Einhaltung der Präparationsrichtlinien und des Protokolls für die adhäsive Befestigung. Denn eine Adhäsivbrücke ist ohne zuverlässige Adhäsion undenkbar, da sie frei jedweder Friktionselemente oder mechanischer Abstützung funktionieren muss. Hinzu kommt die unilaterale Belastung des adhäsiven Verbundes. Die Umsetzung dieses Therapiekonzepts erfordert somit fundierte Kenntnisse in der adhäsiven Befestigung. Entscheidend für die Integrität und Langlebigkeit einer Adhäsivbrücke ist die sorgfältige Beachtung der Herstellerangaben.

Der Patientenfall – ­­­
die Ausgangssituation
Bei einer 85-jährigen Patientin musste Zahn 32 ersetzt werden (Abb. 1). Der parodontal weitgehend zerstörte Zahn wies eine Mobilitätsklasse II und eine apikale Entzündung auf. Die Patientin wollte auf ein Implantat verzichten, um eine Knochenaugmentation aufgrund ihres Alters und des damit verbundenen erhöhten Risikos zu vermeiden. Zudem sollten die gesunden Nachbarzähne möglichst geschont werden, was auch die klassische Brücke als Versorgungskonzept ausschloss. Unter diesen Umständen wurde gemeinsam mit der Patientin die Entscheidung für eine einflügelige Adhäsivbrücke getroffen.

Eine zusätzliche Herausforderung stellte die Gestaltung eines adäquaten Weichgewebeprofils dar. Im Anschluss an die Extraktion des parodontal geschädigten Zahns war mit einem massiven Gewebedefizit im betroffenen Bereich zu rechnen. Dieses Defizit stellte nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine funktionelle Herausforderung dar. Daher wurde zusätzlich eine Weichgewebeaugmentation mit einem freien Bindegewebetransplantat (BGT) geplant.

Chirurgische Umsetzung
Nach der Extraktion des Zahns 32 wurde ein konservatives Vorgehen als provisorische Erstversorgung gewählt. Die Krone des extrahierten Zahns wurde extraoral als Provisorium umgearbeitet und anschließend mit Komposit an den Nachbarzähnen befestigt. Ziel war es, die frische Extraktionsalveole zu schützen und gleichzeitig die natürliche Ausformung des Weichgewebes in der ersten Phase der Heilung zu begünstigen. Wie erwartet, zeigte sich jedoch nach der Einheilphase ein starkes Gewebedefizit im Bereich des extrahierten Zahns (Abb. 2).

Um ein optimal reinigungsfähiges und ästhetisch ansprechendes Brückenglied gestalten zu können, erfolgte eine Weichgewebsaugmentation. Dazu wurde ein freies Bindegewebetransplantat (BGT) aus dem rechten Tuber entnommen (Abb. 3). Diese Art von Transplantat hat den Vorteil, dass sie eine gute Textur und ein gutes Volumen für die Wiederherstellung des Weichgewebeprofils bietet. Nach der Transplantation folgte eine Einheilzeit von etwa fünf Wochen. Während dieser Zeit konnte das Transplantat im Empfängerbereich einheilen und sich an die umgebende Gewebestruktur anpassen (Abb. 4).

Prothetische Umsetzung
Nach der erfolgreichen Ausformung des Weichgewebes regio 32 erfolgte die Präparation des Nachbarzahns 33 für die Befestigung der Adhäsivbrücke. Es wurden eine schmelzbegrenzte Veneerpräparation mit Retentionsnoppe im Bereich des Tuberculums präpariert und auf der Seite zum Brückenglied ein kleiner approximaler Kasten zur Verstärkung der Keramik sowie zur Positionssicherung angelegt. Wichtig ist das Berücksichtigen der Wandstärken für die Restauration. Bei Zirkonoxid wird eine Mindestschichtstärke des adhäsiven Flügels von 0,7 mm und eine Verbinderstärke von 2 mm in der Breite und 3 mm in der Höhe empfohlen. Nach der Bestimmung der Zahnfarbe mit individualisiertem Farbschlüssel (Abb. 5) ist die Situation mit dem Intraoralscanner (Primescan, Dentsply Sirona) erfasst und die Scandaten sind in die CAD-Software importiert worden.

Herstellung der Adhäsivbrücke
Als Grundlage für die CAD-Konstruktion der Brücke diente die „Vorlage“ des natürlichen Zahns (Abb. 6). Ein wichtiger Konstruktionsschritt war die Gestaltung des Adhäsivflügels. Dieser wurde überkonturiert, um Chipping beim Fräsen zu vermeiden. Die Überkonturierung sollte später angepasst und von Hand präzise auf die endgültige Form geschliffen werden. Die Brücke wurde aus einem Multi-Layered-Zirkonoxid (Katana Zirconia STML) gefräst (Abb. 7 und 8). Zirkonoxid galt lange Zeit aufgrund seiner Opazität als Material der Wahl für den Seitenzahnbereich. Mit der Verfügbarkeit neuer, weiterentwickelter Werkstoffe hat sich dieses Bild gewandelt. Moderne Zirkonoxide weisen eine hohe Transluzenz auf, was sie häufig auch für Anwendungen im Frontzahnbereich prädestiniert.

Dem CAD/CAM-Fräsen folgten manuelle Anpassungen am Gerüst, wie das behutsame Zurückschleifen der bewusst angelegten Überkonturierung des Flügels. Zudem wurden leichte Mikrotexturen in die Krone eingearbeitet, um eine natürliche Oberflächenmorphologie zu kreieren (Abb. 9).

Tipp: Für die Bearbeitung eines Zirkonoxid-Gerüstes im Weißlingszustand sollten immer speziell dafür entwickelte rotierende Werkzeuge verwendet werden. Ungeeignete Fräser können zu einer lokalen Überhitzung und damit zu einer dauerhaften Schädigung des Zirkonoxids führen.

Vor dem Sintern wurde das Gerüst mit einem weichen Pinsel vom Zirkonoxidstaub befreit. Die Verwendung eines Dampfstrahlers ist zu vermeiden, da Feuchtigkeit das Zirkonoxid (vor dem Sintern) schädigen kann. Es folgte die konventionelle Langzeit-Sinterung (Abb. 10). Im Anschluss wurde die Krone mit einer dünnen Schicht keramisch-basierter Malfarbe (Cerabien FC Paste Stain) individualisiert und die Arbeit fertiggestellt.

Adhäsive Befestigung
Die Einprobe der Adhäsivbrücke bestätigte die ausgezeichnete Passung. Eine erneute provisorische Versorgung war nach Absprache mit der Patientin nicht nötig. Für die Verklebung wurde nun die Klebefläche der Brücke abgestrahlt (Korundstrahlen 50 µm bei 1 bar Druck), wobei die sichtbaren Anteile schützend mit Kunststoff abgedeckt worden sind. Nach dem Abstrahlen folgte eine Reinigung im Ultraschallbad und das Auftragen des Primers (Clearfil Ceramic Primer, Kuraray Noritake). Nach der Reinigung und Trocknung des Pfeilerzahnes 33 wurde der Schmelz für 30 bis 60 Sekunden mit 37%-iger Phosphorsäure geätzt. Für die eigentliche Verklebung diente ein phosphatmonomerhaltiges Befestigungskomposit (Panavia V5) unter strikter Befolgung der spezifischen Anweisungen des Herstellers.

Ergebnis
Die Adhäsivbrücke wirkt im Mund natürlich. Optisch ist kaum wahrnehmbar, dass es sich bei Zahn 32 um ein Brückenglied handelt (Abb. 11 und 12). Der Zahn wirkt wie aus der Alveole gewachsen, was u. a. auf das Weichgewebemanagement zurückzuführen ist. Abschließend erhielt die Patientin Vorgaben für die Reinigung im Bereich des Pontics und wurde für gründliche Mundhygienemaßnahmen sensibilisiert.

Fazit
Einflügelige Adhäsivbrücken im Frontzahnbereich sind eine empfehlenswerte Option für den klinischen Alltag. Bei korrekter Anwendung sind sie hinsichtlich der Langlebigkeit mit konventionellen Brücken und Einzelzahnimplantaten vergleichbar, bieten jedoch den Vorteil einer schnelleren Versorgung und einer geringeren Invasivität. Im gezeigten Fall bestätigte sich dies: Umfangreiche Präparationen der Nachbarzähne waren nicht erforderlich. Auf knochenaufbauende Maßnahmen, wie sie für ein Implantat erforderlich gewesen wären, konnte verzichtet werden. Die Integration eines freien Bindegewebetransplantats trug ebenso zum erfolgreichen Ergebnis bei wie die Kombination aus ästhetischem Zirkonoxid (Katana Zirconia), digitalen Technologien (Cerec) und Adhäsivtechnik (Panavia V5).

Kontakt
Dr. Florian Zwiener
Praxis für Zahnheilkunde
Walder Straße 1
40724 Hilden
info@dr-doering-hilden.de
www.dr-doering-hilden.de

Dr. Florian Zwiener ist seit 2021 in der Praxis für Zahnheilkunde, Dr. Frank Döring, in Hilden tätig. Im Jahr 2020 absolvierte er das Curriculum Endodontologie bei der DGET. Dr. Zwiener ist Referent für den Bereich digitale Zahnheilkunde und Mitglied in folgenden wissenschaftlichen Fachgesellschaften: DGI, DGET und DGZMK.
Promotion an der Universität zu Köln 2021
Studium der Zahnmedizin in Köln 2012 – 2017

twm Veranstaltungen

Fortbildung

Curriculum Funktionsdiagnostik

Stabile, reproduzierbare Okklusion und gelungene Ästhetik


tw Newsletter

Service

Immer auf dem neuesten Stand

Mit unserem teamwork-Newsletter bleiben Sie immer auf dem Laufenden, mit aktuellen Entwicklungen und Nachrichten aus der Branche.


tw Abonnement

Service

Exklusive Inhalte

Als Abonnent erhalten Sie die aktuelle Ausgabe regelmäßig frei Haus geliefert und bekommen zusätzlich Zugriff auf exklusive Inhalte. Sie finden alle Abo-Angebote im Online-Shop unseres Mutterunternehmens Mediengruppe Oberfranken.


twm Bookshop

Bookshop

Fachbücher bestellen

Sie finden unser gesamtes Angebot an Fachbüchern im Online-Shop unseres Mutterunternehmens Mediengruppe Oberfranken im Bereich „Dental“ unter shop.mgo-fachverlage.de.


Anzeige

Fachbericht

Falldokumention

08.10.24

Risikoarme Versorgung einer 85-jährigen Patientin

Einflügelige Adhäsivbrücke im digitalen Workflow aus mehrschichtigem Zirkonoxid

Adhäsivbrücke, digitaler Workflow, mehrschichtiger Zirkonoxid

Dr. Florian Zwiener

Weitere Beiträge zum Thema

Fachbericht

Falldokumention

11.09.24

Von der Chairside-Fertigung zur echten Single-Visit-Dentistry

Die Digitalisierung verändert nahezu alle Bereiche der Zahnmedizin und scheint sich teilweise durch immer intelligentere Technologien, smarte Algorithmen und vernetzte …

Fachbericht

Falldokumention

19.04.24

Die Vielfalt von Zirkonoxid ­im Praxisalltag

Multi-Layered-Zirkonoxid bietet viel Flexibilität im zahnärztlichen Praxisalltag. Je nach Ausgangs­situation und Anspruch des Patienten können das passende Material und die …

twm Veranstaltungen

Fortbildung

Curriculum Funktionsdiagnostik

Stabile, reproduzierbare Okklusion und gelungene Ästhetik


tw Newsletter

Service

Immer auf dem neuesten Stand

Mit unserem teamwork-Newsletter bleiben Sie immer auf dem Laufenden, mit aktuellen Entwicklungen und Nachrichten aus der Branche.


tw Abonnement

Service

Exklusive Inhalte

Als Abonnent erhalten Sie die aktuelle Ausgabe regelmäßig frei Haus geliefert und bekommen zusätzlich Zugriff auf exklusive Inhalte. Sie finden alle Abo-Angebote im Online-Shop unseres Mutterunternehmens Mediengruppe Oberfranken.


twm Bookshop

Bookshop

Fachbücher bestellen

Sie finden unser gesamtes Angebot an Fachbüchern im Online-Shop unseres Mutterunternehmens Mediengruppe Oberfranken im Bereich „Dental“ unter shop.mgo-fachverlage.de.


Anzeige