Fachbericht

Prävention & Zahnerhalt

21.10.21

Wann und wem bringen sie etwas?

Antibakterielle Mundspüllösungen

antibakterielle Wirkstoffe, Mundspüllösungen, Prävention und Therapie gingivaler Erkrankungen

Prof. Dr. Nicole Arweiler

01a – Parodontale Erkrankungen sind weit verbreitet. Auch eine Gingivitis

Aufgrund der Fülle an Mundspüllösungen sowie einer großen Zahl an unterschiedlichen Studien zur deren Wirkung kam vor einigen Jahren bereits der Wunsch auf, eine deutsche Leitlinie zu verfassen. Im Jahr 2017 formierte sich eine Leitliniengruppe mit dem Erstautor Prof. Dr. Thorsten Auschill, der Methodikerin PD Dr. Sonja Sälzer sowie der Koordinatorin Prof. Dr. Nicole Arweiler. Es war die Aufgabe, die Fülle an Literatur mit ihren sehr unterschiedlichen Studien zu sichten, sinnvoll zu begrenzen und im Rahmen einer Metaanalyse evidenzbasierte Aussagen für die verschiedenen Wirkstoffe zu treffen. Nachfolgend fasst Prof. Dr. Nicole Arweiler die wichtigsten Aspekte für die Praxis zusammen.

Frage zum häuslichem chemischen Biofilmmanagement
Wie kann in der täglichen Praxis die Empfehlung zur Anwendung einer Mundspüllösung einfließen?

Prof. Dr. Nicole Arweiler: Das zahnärztliche Team sollte zunächst einmal versuchen, alle mechanischen Möglichkeiten der Entfernung von Biofilmen an Zähnen und Zahnfleisch sowie an Implantaten und Restaurationen auszuschöpfen. Die Zahnputztechnik sollte optimiert und eine Form der Zwischenraumhygiene individuell erklärt werden. Sollten aber die umliegenden Weichgewebe dennoch Entzündungszeichen zeigen, hat das zahnärztliche Team die Aufgabe, ein individuell angepasstes chemisches Biofilmmanagement mit antibakteriellen Mundspüllösungen zu empfehlen. Denn die Heilung und Gesunderhaltung von Weichgeweben sowohl um Zähne als auch um Implantate bleibt eine große Herausforderung für die Zahnmedizin und das Praxisteam.

Die große Zahl angebotener Mundspüllösungen mit unterschiedlichen Inhaltsstoffen macht es dem Verbraucher schwer, eine Auswahl zu treffen. Aber auch für das zahnärztliche Fachpersonal ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob Mundspüllösungen empfehlenswert sind – und wenn ja, welche.
Häufig hört man Befürchtungen: „Wenn ich meinem Patienten eine Mundspüllösung empfehle, dann putzt er doch nicht mehr.“ oder: „Mein Patient macht Öl­ziehen – bringt das überhaupt etwas; soll ich das empfehlen oder soll er auf eine (andere) Lösung umsteigen?“. Auch steht immer wieder die Frage im Raum, ob das Spülen die „gute Mundflora“ zerstört.
Vor diesem Hintergrund wurde die Leitlinie „Häusliches chemisches Biofilm­manage­ment in der Prävention und Therapie der Gingivitis“ verfasst, die in einer umfassenden Literatursuche unter anderem die Größe des Effekts von Mundspül­lösungen auf Plaque und Gingivitis sowie die Qualität der verfügbaren klinischen Studien unter die Lupe genommen hat. Damit sind die Aussagen über ihre Wirksamkeit evidenzbasiert. Das bedeutet, sie gelten als zuverlässig und aussagekräftig, sodass die Leitlinie auch das „Prädikat“ „S3-Leitlinie“ erhielt.
Daneben wurden aber auch viele grundsätzliche Fragen in einem Expertenteam erörtert, und diese Statements erhielten dann anschließend in einem größeren Expertenkreis einen breiten Konsens.

Was ist die Basis für die ­Anwendung von antibakteriellen Wirkstoffen?
Einen breiten Konsens gab es dazu, dass ein chemisches Biofilmmanagement als alleinige Maßnahme nur in wenigen Fällen beziehungsweise bei bestimmten Situationen empfohlen werden kann. Chemisches Biofilmmanagement ist prinzipiell als Ergänzung zu mechanischen Maßnahmen – wie Zähneputzen, gepaart mit Interdentalreinigung – zu betrachten. Grundsätzlich sollte das zahnärztliche Team versuchen, mechanische Maßnahmen zu verbessern. Patienten äußern oft wie aus der Pistole geschossen, dass sie zweimal täglich Zähne putzen, und das Tag für Tag. Dennoch ist es die Aufgabe des zahnärztlichen Teams, an die Patienten zu appellieren und sie immer wieder zu motivieren, auch wirklich eine Regelmäßigkeit im Hinblick auf die mechanischen Maßnahmen zu etablieren, denn die beste Technik sowie die „beste Bürste“ sind nur so gut wie der Anwender und seine Ausdauer – und parodontale Erkrankungen sind weit verbreitet (Abb. 1a bis c). Ist jedoch bei einem Patienten eine suffiziente Reinigung mittels mechanischer Maßnahmen nicht erreichbar, sollten antibakterielle Wirkstoffe genutzt werden (Abb. 2).

Sind denn antibakterielle ­Wirkstoffe in Zahnpasten nicht schon ausreichend?
Häufig werden Zahnpasten mit ihren propagierten antibakteriellen Wirkstoffen als die ideale Kombination chemischer und mechanischer Mundhygiene betrachtet, sodass Mundspüllösungen gar nicht notwendig erscheinen. Jedoch muss beachtet werden, dass Zahnpasten sehr komplex zusammengesetzt und damit Inaktivierungen der antibakteriellen Wirkstoffe möglich sind. Außerdem sind viele antibakterielle Wirkstoffe nicht gut in einer Zahnpaste löslich, sodass sie besser in eine wässrige Spüllösung inkorporiert werden können.
Das wichtigste Argument für die Anwendung einer Mundspüllösung gegenüber Zahnpasten ist die applizierte Menge: Während bei einer Zahnpaste etwa 1 bis 1,5 g appliziert werden (sollten), kommen bei einer Mundspüllösung etwa 15 bis 20 ml zur Anwendung, was einer etwa zehnfachen (Wirkstoff-)Menge entspricht. Daneben enthalten Zahnpasten Schaumbildner, die zusammen mit dem Speichel bei einem Putzvorgang für eine starke Verdünnung sorgen. Es kann also resümiert werden, dass die Mundspüllösung das ideale Trägermedium für eine antibakterielle Wirkung darstellt.

Wann ist das Spülen mit Mundspüllösungen angebracht?
Zeigt ein Patient einen hohen Entzündungsgrad des Zahnfleisches (Rötung, Schwellung, Blutung), müssen grundsätzlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die hohe Bakterienbelastung der Mundhöhle zu reduzieren. Denn orale Bakterien selbst sowie deren Entzündungsmediatoren können – durchaus unbemerkt – zu einer großen Belastung für den Gesamtorganismus werden und Allgemeinerkrankungen verstärken, während sie meist gar nicht mit der Mundhöhle in Zusammenhang gebracht werden (Abb. 3). Schaut man sich die Prävalenz in Deutschland für pardontale Erkrankungen an, so sind das dann sehr viele Menschen, die von Mundspüllösungen profitieren.

Gibt es Situationen, in denen die Anwendung von Mundspüllösungen zu empfehlen ist?
Es sollte zwischen kurzfristiger – das sind in der Regel zwei bis vier Wochen – und längerfristiger Anwendung –, das können dann zunächst einmal zwei bis drei Monate sein – unterschieden werden. Die kurzfristige Anwendung (14 bis 28 Tage) ist zum Beispiel zur Unterstützung der Mundhygiene bei akuter Gingivitis oder begleitend zu einer Parodontitstherapie indiziert mit dem Ziel zusätzlich zur mechanischen Biofilmentfernung die Keimzahl drastisch zu reduzieren. Des Weiteren gibt es Situationen, bei denen vorübergehend die mechanische Mundhygiene eingeschränkt ist oder auch gar nicht mechanisch auf dem Gewebe geputzt werden soll, wie das beispielsweise nach chirurgischen Eingriffen, nach Implantation, nach Extraktion, bei bimaxillärer Schienung oder bei akuten oralen Erkrankungen wie der nekrotisierenden ulzerierenden Gingivitis (NUG) und der nekrotisierenden ulzerierenden Parodontitis (NUP) der Fall sein kann. In diesen Fällen sorgt das Spülen für eine Hemmung der Plaqueneubildung und stellt eine „chemische Zahnbürste“ dar. Eine gehemmte Biofilmbildung fördert dann auch die Wundheilung, die ja in solchen Situationen gewünscht wird. Während alle Situationen meist auf wenige Wochen beschränkt sind, könnte die Anwendung aber durchaus bei Bedarf nochmals verlängert werden. Da für eine hohe Keimzahlreduktion ein Wirkstoff mit hoher Effektivität benötigt wird, werden in der Leitlinie chlorhexidinhaltige Spüllösungen mit einer Konzentration von ≥ 0,1 % empfohlen.
Das Indikationsgebiet für eine längerfristige Anwendung bezieht sich dann eher auf bestimmte Patientengruppen.

Welchen Patientengruppen kann das zusätzliche Spülen empfohlen werden?
Viele Menschen haben Probleme, eine gute mechanische Mundhygiene zu betreiben, die sie entzündungsfrei hält. Meist handelt es sich dabei um Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen längerfristig nicht in der Lage sind, adäquat zu putzen.

In der Leitlinie haben wir folgende Pa­tientengruppen zusammengestellt:
Patienten mit mechanisch schwer oder nicht zugänglichen Bereichen (zum Beispiel mit festsitzenden KFO-Apparaturen oder prothetischen Konstruktionen, Abb. 4)
Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf (zum Beispiel Pflege­bedürftige)
Patienten mit chronischen Erkrankungen
Patienten, die unter besonderer Medikation stehen (bei/nach Chemotherapie und/oder Bestrahlung)
Schwangere sowie Kinder und Jugendliche
Patienten mit Implantaten und implantatgetragenem Zahnersatz

Einfach gesagt: alle, die ihre mechanischen Mundhygienemaßnahmen verbessern wollen oder verbessern müssen. Da chronische Gingivitis zum einen zur Entwicklung einer Parodontitis führt, aber zum anderen auch eine starke Belastung für die Allgemeingesundheit darstellt, können wir insbesondere diesen Personengruppen nur empfehlen, mit antibakteriellen Maßnahmen den Restbiofilm chemisch zu beeinflussen und die bakterielle Belastung ihrer Mundhöhle zu reduzieren.

Welche Wirkstoffe sind denn nun am wirksamsten?
Die Suche nach Wirkstoffen mit der höchsten Effektivität war der eigentliche Fokus der Leitlinie. Es wurde gezielt nach Studien gesucht, bei denen eine Gruppe von Probanden eine Mundspüllösung zusätzlich zum Zähneputzen benutzte und die andere Gruppe nur putzte (natürlich mit gleicher Zahnbürste und Zahnpaste), sodass dann der Effekt der jeweils getesteten Mundspüllösung über das Zähneputzen hinaus beurteilt werden konnte. Der Effekt war dabei die signifikante Reduktion von Gingiva- und Plaqueindizes. Diese Studien mussten eine hohe Qualität haben, was mittels bestimmter Parameter überprüft wurde. Studien, die diese Qualität nicht erfüllten, wurden nicht berücksichtigt.
Aus den vielen eingeschlossenen Studien konnte dann die Wirkung ermittelt werden, die von der Arbeitsgruppe als „großer“, moderater“ oder „kleiner Effekt“ kategorisiert wurde. Ebenso wurde festgelegt, ob sich dieser Effekt mit hoher Evidenz – also aus sehr vielen Studien – oder mit niedriger Evidenz – aus nur wenigen Studien – belegen lässt.
Am wirksamsten zeigte sich der Wirkstoff Chlorhexidin(digluconat) („großer Effekt auf Plaque und Gingivitis bei hoher Evidenz“), der in seiner Konzentration von ≥0,1% in Deutschland als Arzneimittel gilt und daher von der Leitliniengruppe für die kurzfristige Anwendung favorisiert wird, obwohl die berücksichtigten Studien – wie erwähnt – sogar eine sechsmonatige Anwendungsdauer hatten. Ein großer Effekt bei hoher Evidenz konnte auch dem Wirkstoff „ätherische Öle“ bescheinigt werden, wobei die große Wirksamkeit eigentlich nur der spe­ziellen Formulierung aus vier ätherischen Ölen zugeordnet werden konnte. Eine Mundspüllösung mit Triclosan/Copolymer zeigte ebenfalls einen hohen Effekt auf Plaque und Gingivitis, jedoch bei moderatem Evidenzgrad. Diese Lösung ist in Deutschland jedoch nicht erhältlich, unsere Literatursuche fand jedoch auf internationalem Niveau statt, sodass wir diese mit aufgelistet haben. Da Lösungen mit Cetylpyridiniumchlorid (CPC) einen „moderaten“ sowie Aminfluorid/Zinnfluorid einen zwar „kleinen“, aber dennoch signifikanten Effekt gegenüber dem Zähneputzen allein aufwiesen, haben wir auch diese Lösungen in unsere Empfehlung mit aufgenommen. In der Empfehlung sind sie dann alle alphabetisch aufgezählt, auch wenn es – wie oben beschrieben – ein paar Unterschiede in der Wirksamkeit gab.
Neben diesen empfohlenen Wirkstoffen gibt es immer wieder Nachfragen, ob das durchaus häufig angewendete „Ölziehen“ oder dieses oder jenes Produkt denn wirkt, sinnvoll ist oder gar empfohlen werden kann? In der Leitlinie konnten das Ölziehen oder alternative Wirkstoffe nicht berücksichtigt werden, da es keine Sechsmonatsstudien gab, die das wichtigste Einschlusskriterium darstellten. Generell fehlen klinische Wirksamkeitsnachweise und Studien, die die betreffenden Produkte mit den oben genannten „Standardwirkstoffen“ vergleichen würden, sodass eine Einordnung der Wirksamkeit möglich ist. Für die tägliche Praxis kann man jedoch konstatieren, dass das Produkt, das bei einem Patienten zu einer guten und gesunden Mundhöhle führt, das ihn motiviert und ihm offensichtlich auch angenehm anzuwenden ist, nicht schlecht sein kann. Auf wissenschaftlicher Ebene braucht es natürlich evidente Wirksamkeitsnachweise, damit es keine „Geldverschwendung“ ist.

Muss man Nebenwirkungen ­befürchten?
Viele Patienten − und häufig auch das zahnärztliche Team – äußern die Sorge, ob es mit dem „Mehr an Chemie“ auch zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann. Sehr häufig wird befürchtet, dass Mundspüllösungen die „gute Mundflora“ zerstören, viele denken, dass solche antibakteriellen Wirkstoffe Resistenzen auslösen könnten. Dazu muss festgehalten werden, dass alle genannten Indikationen nicht ein Spülen bei einem „gesunden“, gut funktionierenden Biofilm propagieren. Ganz im Gegenteil: Eine Mundspüllösung wird empfohlen, wenn der Biofilm in ein Ungleichgewicht geraten ist und Entzündungen der Mundhöhle oder gar eine Parodontitis klinisch sichtbar sind. Dann reduziert eine Mundspüllösung eine viel zu große Bakterienlast und hilft, wieder ein Gleichgewicht in der Mundhöhle herzustellen.
Resistenzen sind bei der Anwendung von Mundspüllösungen prinzipiell ausgeschlossen, denn es handelt sich dabei nicht um Antibiotika, sondern um antibakterielle Wirkstoffe – im Fall von Chlorhexidin um ein Antiseptikum, das nicht spezifisch, sondern unspezifisch Bakterienmembranen zerstört oder Stoffwechselvorgänge hemmt. Solche unspezifischen Wirkmechanismen können in Bakterien nicht zur Resistenzbildung führen. Gerade Chlorhexidin wird seit nahezu 50 Jahren weltweit millionenfach verwendet, und bislang sind keine Resistenzen bekannt. Die klinischen Anwendungsstudien hatten – wie erwähnt – eine sechsmonatige und zweimal tägliche Anwendungsdauer. Dabei wurden keinerlei gesundheitsschädliche Nebenwirkungen registriert; lediglich Verfärbungen sind häufige Nebenwirkungen in Studien.
Jedoch handelt es sich bei Nebenwirkungen, wie zum Beispiel anaphylaktischen Reaktionen, um ernstzunehmende Zwischenfälle, die – gerade für das Arzneimittel Chlorhexidin – bei dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm) gemeldet werden müssen. Die Leitlinie widmet sich ausführlich dem Thema, auch wenn dies normalerweise in Leitlinien nicht unbedingt thematisiert wird. Hier in Kürze: Patienten können auf Chlorhexidinlösungen, aber auch prinzipiell auf andere Mundspülformulierungen allergisch reagieren, anaphylaktische Reaktionen können zum Tode führen. Dies kann aber prinzipiell bei vielen Wirkstoffen und Produkten, zum Beispiel auch bei der Lokalanästhesie, geschehen. Während jeder anaphylaktische Schock tragisch ist, werden jedoch die Zahlen für Chlorhexidin in Deutschland sowie weltweit von Experten als eher niedrig eingeschätzt angesichts des langjährigen und ubiquitären Einsatzes von Chlorhexidin, nicht nur in der Zahnmedizin, sondern in vielen Bereichen der Medizin.

Wie sollte ein ideales häusliches Biofilmmanagement aussehen?
Ein ideales häusliches Biofilmmanagement besteht darin, dass jeder Patient bestmöglich seine Zähne mechanisch reinigt. Eine elektrische Zahnbürste erleichtert prinzipiell allen Menschen den Reinigungsvorgang und kann auch Defizite in der Feinmotorik auffangen. Eine Interdentalraumhygiene bevorzugt mit Interdentalraumbürstchen – wer mit Zahnseide gut klarkommt, kann weiterhin Zahnseide benutzen – sollte die mechanische Reinigung komplettieren. Bleibt noch ein Restbiofilm an den Zähnen übrig – das sieht man am besten in einer Prophylaxesitzung bei dem Vorputzen durch den Patienten –, dann profitiert der Patient von einem anschließenden etwa einminütigen ­Spülen mit einer Mundspüllösung (Abb. 5). Bei lokalen Problemstellen wie Engstand oder Implantaten kann alternativ das Interdentalbürstchen in Mundspüllösung eingetaucht werden, sodass dort gezielt chemisches Biofilmmanagement betrieben werden kann (Abb. 6a und b).

Was kann ich Schwangeren ­empfehlen?
Liest man die Beipackzettel vor allem der Chlorhexidinlösungen mit ≥0,1 % Konzentrationen, die ja als Arzneimittel zugelassen sind, steht dort geschrieben: „Es liegen keine ausreichenden Erfahrungen oder Untersuchungen zur Sicherheit einer Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit vor. Deshalb sollte … unter besonderer Vorsicht angewendet werden.“ In der wissenschaftlichen Literatur findet sich jedoch ein Metareview, das fünf Studien enthält, bei denen Schwangere im Rahmen einer Parodontitistherapie auch Chlorhexidinspülungen angewandt haben. Es wird von keinerlei schwerwiegenden Nebenwirkungen berichtet. Es wurde sogar geschlussfolgert, dass die tägliche Anwendung von Chlorhexidin-mundspüllösungen mit einer Reduktion von Frühgeburten verbunden war. Letztlich obliegt es aber dem Zahnarzt, die Empfehlung sorgfältig abzuwägen.

Was kann ich gezielt bei Entzündungen am Implantat empfehlen?
Implantate sind weit anfälliger gegenüber Biofilmen als Zähne. Eine Studie von Salvi et al. (2012) ließ Probanden mit gesunden Implantaten (und gesunden Zähnen) ­21  Tage auf jegliche Mundhygienemaßnahmen verzichten, danach durften sie wieder ihrer normalen Mundhygiene nachgehen und es wurde weiter 21 Tage nachbeobachtet. Alle 7 Tage erfolgte die Überprüfung von Plaqueindex, Gingiva­index und Entzündungsmarkern wie Matrix-Metallo-Proteinase 8 (MMP-8) und Interleukin-1ß (IL-1ß). Es zeigte sich, dass die Plaquebildung an Implantaten und Zähnen nicht unterschiedlich war, aber der Gingivaindex sowie die Entzündungsmarker sich an den Implantaten zu den entsprechenden Zeitpunkten signifikant von den an Zähnen unterschieden. Das heißt, dass bei fehlender Mundhygiene die Werte am Implantat schneller und höher stiegen und bei wieder einsetzender Mundhygiene nicht wieder auf die Ausgangswerte zurückkamen – so wie das am Zahn der Fall war.
Während das Implantat also sehr viel mehr Pflege und Biofilmmanagement benötigt, erschwert die häufig groß­volumige Suprakonstruktion den Patienten die Reinigung des Zahnfleischsaums (Abb. 7). Daneben wurde der Autorin schon häufig von Patienten die Frage gestellt, wieso eine künstliche Zahnwurzel denn gereinigt werden müsse. Zwar bemerken Patienten häufig selbst einen langsamen Rückgang des Weichgewebes um das Implantat und das zunehmende Freiliegen von „silbernen Implantat­hälsen“ – das große Ausmaß der am Implantat besonders rasch fortschreitenden Entzündung mit besonders schnellem Gewebeverlust ist den Patienten aber oft nicht bewusst (Abb. 8a bis c). Dann ist das zahnärztliche Team gefordert, konsequente Nachsorge zu betreiben und zudem konsequent zu diagnostizieren, das heißt, regelmäßig Messungen um das periimplantäre Gewebe vorzunehmen und gegebenenfalls Röntgenbilder anzufertigen. Es ist also sehr viel Aufklärung notwendig, und es muss ein passendes Interdentalraumbürstchen mit dem Patienten ausgewählt werden, das den oft großen Hohlraum um das Implantat ausfüllt und dort den Biofilm mechanisch entfernt. Dann kann das erwähnte Eintauchen des Bürstchens in eine Mundspüllösung die entzündungsauslösenden Bakterien in­aktivieren (Abb. 9a bis c). Bei einer akuten Entzündung (Mukositis) kann auch für etwa 14 bis 28 Tage ein hochkonzentriertes Chlorhexidingel (1 %) für eine starke Keimzahlreduktion sorgen.

Zusammenfassung und Ausblick
Auch wenn die deutsche Mundgesundheitsstudie gezeigt hat, dass parodontale Erkrankungen prozentual rückläufig sind (DMS V), steigen dennoch die absoluten Zahlen, denn die Kohorte der älteren Menschen steigt stetig an.
In unseren Zahnarztpraxen werden wir also immer mehr älteren Menschen begegnen, die glücklicherweise über mehr eigene Zähne verfügen. Da im Alter jedoch die Möglichkeiten zur Pflege der Zähne und der oft aufwendigen Restaurationen auf diesen Zähnen nachlassen, steigt das Risiko dieser Zähne, parodontal zu erkranken. Daneben sind die Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit aufgrund eines geschwächten Immunsystems zu beachten.
Die Heilung und die Gesunderhaltung von Weichgeweben sowohl um Zähne als auch um Implantaten sind und bleiben eine große Herausforderung für die Zahnmedizin. Das zahnärztliche Team sollte hier zum Wohle der Patienten alle Möglichkeiten berücksichtigen. Dazu gehört auch die Empfehlung von antibakteriellen Mundspülprodukten, die in vielen Situationen und mit hoher Effektivität das Zähneputzen verbessern.

Weiterführende Literatur
Auschill TM, Sälzer S, Arweiler NB: S3-Leitlinie „Häusliches chemisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis“, AWMF-Registernummer: 083-016, Stand: Januar 2018 (https://www.awmf.org › uploads › tx_szleitlinien › 083-016k_S3_Haeuslic…)
Jordan AR, Micheelis W (Hrsg) Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V), Deutscher Ärzteverlag (DÄV), Köln 2016
Salvi GE, Aglietta M, Eick S, Sculean A, Lang NP, Ramseier CA. Reversibility of experimental peri-implant mucositis compared with experimental gingivitis in humans. Clin Oral Implants Res. 2012; 23:182-190

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