Fachbericht

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23.11.22

Was macht den Erfolg aus?

Implantation und klinische Performance

Bewertungskriterien, Flappless-Verfahren, Implantaterfolg, Mukoperiostlappen

Dr. Alexander Müller-Busch MSc

Die Insertion eines Implantates ist dann erfolgreich, wenn es fest und korrekt sitzt, weder Schmerzen noch Entzündungszeichen vorliegen und dieser Zustand über viele Jahre aufrechterhalten bleibt. So könnte es ein Patient bewerten. Doch welche Kriterien sind aus Sicht des Behandlers für die Beurteilung des Implantaterfolgs maßgeblich – und wie steht es um die Bewertung minimalinvasiver Implantationsverfahren? Ein Blick auf die Studienlage liefert ebenso evidenzbasierte wie praxisrelevante Erkenntnisse.

Wann ist eine Implantation ein Erfolg? Spricht man von erfolgreicher Implantation, wenn das Implantat nach Jahrzehnten immer noch osseointegriert ist, aber jedes Jahr die Krone/Suprastruktur ausgewechselt werden muss? Oder wenn das Implantat zwar noch fest im Knochen verankert ist, sich aber periimplantäre Entzündungserscheinungen auch durch ein engmaschiges Recallintervall nicht verhindern lassen? Und wie ist es möglich, statt eines einzelnen Implantats bei einem individuellen Patienten universelle Kriterien zur Beurteilung eines „Implantat‧erfolgs“ heranzuziehen oder gar unterschiedliche Implantationsverfahren objektiv zu bewerten? Wo liegen hier die Grenzen zwischen Erfolg und Misserfolg?

Klare Bewertungskriterien aus klinischer Sicht
Die legendäre Arbeitsgruppe um Albrektsson et al. [1] benannte klare Kriterien zur Bewertung des Implantationserfolgs. So ist das einzelne, prothetisch unbelastete Implantat bei der klinischen Untersuchung unbeweglich, röntgenologisch findet sich keine periimplantäre Strahlendurchlässigkeit und ab einem Jahr nach Einsetzen des Implantats beträgt der jährliche vertikale Knochenabbau weniger als 0,2 mm. Zu den gleichen Schlussfolgerungen kommen auch Smith und Zarb [2]. Einig sind sich beide Forschergruppen mit Blick auf die Erfolgskriterien zur Bewertung einer Implantation auch darin, dass der individuelle Implantaterfolg gekennzeichnet ist durch das Ausbleiben von persistierenden/irreversiblen Krankheitszeichen und Symptomen wie Neuropathie, Parästhesie oder Verletzung des Mandibularkanals (Albrektsson et al. [1]). Darüber hinaus wird eine Implantation als Erfolg angesehen, wenn kein persistierender Schmerz, Unbehagen oder eine Infektion in Verbindung mit dem Implantat beobachtet wird (Smith und Zarb [2]). Letztgenannte sehen als Erfolg zudem, dass die prothetische Versorgung mit einer zufriedenstellenden Ästhetik verbunden ist.
Hinsichtlich der eben genannten Erfolgskriterien sehen beide Arbeitsgruppen die Überlebensrate von Implantaten wie folgt: Bei einer 85%igen Erfolgsrate über eine 5-jährige beziehungsweise bei einer 80%igen Erfolgsrate über eine 10-jährige Beobachtungsphase gilt ihnen der Implantaterfolg in puncto Langlebigkeit als ‧ge‧geben.
Inwiefern die hier definierten Parameter Schmerzempfinden, Entzündungsauftreten, Knochensituation sowie auch der Langzeiterfolg in Untersuchungen zum lappenlosen beziehungsweise Lappen-Implantationsverfahren eine Rolle spielen, soll im Folgenden anhand einer Auswahl von Studien erörtert werden.

Schmerzärmer dank minimalinvasivem Verfahren?
Das konventionelle chirurgische Vorgehen sieht zur Implantation die Bildung eines Mukoperiostlappens vor. Parallel dazu hat sich die lappenlose Implantatinsertion verbreitet, die nachfolgend einer genaueren Betrachtung hinsichtlich oben genannter Erfolgskriterien unterzogen werden soll. Die Annahme, dass lappenlose Implantationsverfahren mit weniger Schmerzen einhergehen als die klassische Lappen-Implantation, liegt nahe. Einen signifikanten Unterschied zwischen beiden Methoden stellten tatsächlich Tsoukaki et al. fest [3]. Sie untersuchten in ihrer prospektiven, randomisierten, kontrollierten klinischen Studie unter anderem das Schmerzempfinden der Patienten (20 Probanden im Alter von 30 bis 62 Jahren bewerteten zwei und sieben Tage nach dem Eingriff anhand einer 10 cm langen visuellen Analogskala ihr Schmerzempfinden). Die Teilnehmer der Gruppe, bei denen die Implantation mit einer Lappenbildung durchgeführt wurde, vermerkten stärkere Schmerzen als die mit einem lappenlosen Eingriff versorgten Patienten.
Was das Auftreten von Entzündungen betrifft, verglichen Al-Juboori et al. lappenlose versus Lappen-Implantationsverfahren in einem Review von Studien der Jahre 1970 bis 2015 [4]. Sie kamen zu dem Schluss, dass sich das lappenlose Verfahren besser bei Sofortimplantation der Implantate eignet. Als Gründe führten sie eine geringere Morbidität sowie die verkürzte Eingriffszeit an. Zudem wies eine Zunahme von Entzündungszellen darauf hin, dass bei der Lappen-Präparation der inflammatorische Prozess langsamer abklingt als bei der lappenlosen Methode.

Positive Knochenreaktion bei Flapless-Verfahren
Nur geringe Veränderungen des Knochenniveaus nach lappenlos durchgeführten Sofortimplantationen unter Verwendung von xenogenem Knochenersatzmaterial beobachteten Covani et al. im Rahmen einer prospektiven Einzelkohortenstudie an 47 Patienten [5]. Nach einem Jahr zeigte sich eine durchschnittliche Knochenresorption von 0,68 ± 0,39 mm im Vergleich zum Ausgangswert. Nach drei und fünf Jahren betrug dieser Wert 0,94 ± 0,44 mm respektive 1,08 ± 0,43 mm. Auf Grundlage ihrer Daten kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die beim 5-Jahres-Follow-up gemessenen Veränderungen des Knochenniveaus als minimal einzuschätzen seien.
Hinsichtlich der Knochenhöhe konnten Sunitha et al. zwischen der Gruppe der lappenlos inserierten und der Gruppe der durch Lappenbildung inserierten Implantaten signifikante Unterschiede feststellen [6]. So betrug der durchschnittliche Verlust der interproximalen Knochenhöhe sechs Monate nach der Implantation 0,03 ± 0,01 mm bei den lappenlos inserierten Implantaten und 0,20 ± 0,06 mm bei den durch Lappenbildung inserierten Implantaten. Für sechs bis zwölf Monate hielten die Autoren Werte von 0,07 ± 0,01 mm bei lappenlosen und 0,35 ± 0,25 mm bei durch Lappenbildung inserierten Implantaten fest. Nach zwei Jahren beobachteten sie im Vergleich zum Vorjahr einen durchschnittlichen Verlust von 0,09 ± 0,02 mm beziehungsweise 0,47 ± 0,40 mm.
Gemäß den Kriterien nach Albrektsson et al. [1] beziehungsweise Smith und Zarb [2] (≤ 0,2 mm Knochenabbau/Jahr) sind die zitierten lappenlosen Implantationen durchweg als Erfolge zu werten. Die durch Lappenbildung inserierten Implantate aus der Studie von Sunitha et al. [6] wären dieser Definition zufolge mit einem Knochenverlust von 0,47 ± 0,40 mm im zweiten Jahr nach der Implantation nur bedingt als Erfolg zu bewerten, wenngleich die Implantate noch inkorporiert waren.

Hohe Überlebensraten selbst auf lange Sicht
Einen Blick auf die Langzeiterfolgsrate lappenloser Implantationen warfen Campelo und Camara [7]. In ihrer retrospektiven Analyse beobachteten sie insgesamt 770 Implantate bei 359 vollkommen oder teilweise zahnlosen Patienten über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg. Zwischen 1990 und 2000 versorgten sie 126 Männer und 233 Frauen entweder mit festsitzendem oder herausnehmbarem Zahnersatz, getragen von lappenlos inserierten Implantaten. Nach zehn Jahren zeigte sich bei den lappenlos inserierten Implantaten eine stark variierende kumulative Erfolgsrate. Während diese bei den im Jahre 1990 inserierten Implantaten bei 74,1 Prozent lag, betrug sie bei den im Jahr 2000 inserierten Implantaten 100 Prozent. In Summe beobachteten die Wissenschaftler 37 Implantatverluste, von denen sich 45,94 Prozent nach dem ersten Jahr in Funktion, 37,83 Prozent zwischen Insertion und Belastung und 16,21 Prozent während des ersten Jahres in Funktion ereigneten. Als verloren galt dabei ein Implantat, wenn es zu irgendeiner Zeit nach der Behandlung entweder mobil war oder Schmerzen verursachte, es schmerzbedingt entfernt werden musste oder es nach dem ersten Jahr in Funktion in zwei aufeinanderfolgenden Jahren einen Knochenverlust von mehr als 0,5 mm aufwies. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse ordnen die Wissenschaftler die lappenlose Insertion als vorhersagbares Verfahren ein. Voraussetzungen hierfür waren: eine adäquate Patientenauswahl und eine adäquate chirurgische Technik.
Einen breit gefächerten Blick auf lappenlose Implantatchirurgie warfen Moraschini et al. [8] in einem systematischen Review mit Meta-Analyse und rückten die Implantat-Überlebensraten bei der Behandlung vollständig zahnloser Patienten in den Fokus. Aus der Recherche von 1658 Titeln bei Medline/PubMed und 42 weiteren beim Cochrane Central Register of Controlled Trials wurden 13 Studien in die Untersuchung eingeschlossen (2005 bis 2014). Insgesamt wurden 329 Patienten im Alter von 34 bis 92 Jahren und eine Gesamtanzahl von 2019 inserierten Implantaten im Ober- oder Unterkiefer in die Nachuntersuchung einbezogen. Bei der Auswertung stellten die Autoren eine hohe kumulative Überlebensrate (97,2 Prozent) über einen Nachuntersuchungszeitraum von ein bis vier Jahren fest.

Fazit
Unter Berücksichtigung der eingangs genannten Bewertungskriterien von Albrektsson et al. [1] und Smith und Zarb [2] lässt sich die lappenlose Implantation auf Basis der genannten Studien als erfolgversprechendes Verfahren einordnen. Positive Resultate zeigen sich sowohl in puncto Schmerz- und Entzündungsreduktion als auch hinsichtlich ästhetischer Gesichtspunkte sowie der hohen Erfolgsraten lappenlos inserierter Implantate, teils über lange Zeiträume hinweg.

Flapless weitergedacht
Ein lappenloses Implantationsprotokoll heißt MIMI (Champions-Implants). Wird ein zweiteiliges Champions (R)Evolution-Implantat inseriert, wird die lappenlose Vorgehensweise (flapless approach) in der chirurgischen Phase um einen entscheidenden Aspekt in der prothetischen Phase ergänzt. Dank des Shuttles dieses Implantats muss keine Wiedereröffnung der Gingiva erfolgen, um den Implantatkopf freizulegen, denn der Shuttle fungiert gleichzeitig als chirurgische Verschlussschraube und als Gingivaformer. Das mit der Wiedereröffnung der Gingiva assoziierte Risiko von Weich- und Hartgewebsabbau wird auf diese Weise vermieden. So kombiniert das MIMI-Verfahren die Vorzüge der lappenlosen Insertion mit einem relevanten Vorteil in der prothetischen Phase.
Der chirurgische Eingriff erfolgt im Low-Speed-Verfahren, zunächst mit konischen Dreikantbohrern. In der Kompakta sieht das MIMI-Bohrprotokoll eine Umdrehungszahl von 250 U/min vor, in der Spongiosa 50 bis 70 U/min. Dies ermöglicht die sogenannte CNIP-Navigation (Cortical Navigated Implantation Procedure) (Abb. 2 bis 7), bei der der Bohrer von der kortikalen Schicht des Kieferknochens geführt wird und dementsprechend stets in der Spongiosa verbleibt. Bei der Wahl des letzten Bohrers kommt zudem ein Durchmesser zum Einsatz, der circa 0,5 mm größer ist als der Implantatdurchmesser. Auf diese Weise wird eine krestale Entlastung sichergestellt. Lässt es die Anatomie zu, wird optimalerweise 1 bis 2 mm subkrestal implantiert – so bleibt der „Platform-Switching-Effekt“ vollumfänglich erhalten.
Bei schmalen Kieferkämmen ist die Implantation im ‧MIMI II-Verfahren nach Dr. Ernst Fuchs-Schaller möglich, das ebenfalls auf der CNIP-Navigation, einer minimalinvasiv ausgeführten horizontalen Knochendistraktion, basiert. Zusätzlich kann bei Bedarf ein interner, direkter ‧Sinuslift als minimalinvasive Vorgehensweise zur Anhebung des Kieferhöhlenbodens erfolgen.

Vita:
Dr. Alexander Müller-Busch
legt seine Schwerpunkte auf „Parodontologie“ und „Implantologie“, dies schon in seiner Master- und Doktorarbeit. Im Jahr 2022 hat er unter anderem „Fehlerhafte Implantation in der ästhetischen Zone – was nun?“ (Dent Impl Parodontol) sowie den Podcast „Gewährleistung stabiler Implantat- und Prothetikbedingungen“ veröffentlicht.

Kontakt
Dr. Alexander Müller-Busch MSc
Nürnberger Straße 34, 85055 Ingolstadt
dr_mueller_busch@aol.com

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