{"id":1315,"date":"2021-10-25T15:02:42","date_gmt":"2021-10-25T13:02:42","guid":{"rendered":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/?p=1315"},"modified":"2022-05-31T16:56:20","modified_gmt":"2022-05-31T14:56:20","slug":"studenten-fuer-die-seniorenzahnmedizin-sensibilisieren","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/studenten-fuer-die-seniorenzahnmedizin-sensibilisieren\/","title":{"rendered":"Studenten f\u00fcr die Senioren\u00adzahnmedizin sensibilisieren"},"content":{"rendered":"\n

Nachfolgend berichtet Dr. Marc Auerbacher, wie Zahnmedizin\u00adstudierende der Poliklinik f\u00fcr Zahnerhaltung und Parodontologie der Ludwig-Maximilians-Universit\u00e4t M\u00fcnchen auf den Umgang mit der immer \u00e4lter werdenden Gesellschaft vorbereitet werden.<\/p>\n\n\n\n

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren im Dezember 2017 in Deutschland 3,41 Millionen Menschen pflegebed\u00fcrftig im Sinne des Pflege\u00adversicherungs\u00adgesetzes (SGB XI). Laut Prognosen wird bis zum Jahr 2030 mit einem Anstieg der Pflegebed\u00fcrftigkeit um 35 Prozent gerechnet. Die F\u00fcnfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) aus dem Jahr 2016 hat gezeigt, dass bei Menschen mit Pflegebedarf die Mund\u00adgesundheit im Vergleich zur altersgleichen Gruppe der \u00e4lteren Senioren ohne Pflegebedarf kompromittiert ist.
H\u00e4ufige Alterserkrankungen, wie zum Beispiel Demenzerkrankungen oder Morbus Parkinson, bei denen das Erkrankungsrisiko mit zunehmendem Lebensalter steigt, wirken sich in der Regel auch negativ auf die Mundh\u00f6hle aus. Unter anderem wird infolge nachlassender motorischer und kognitiver F\u00e4higkeiten die Zahn- und Mundgesundheit stark vernachl\u00e4ssigt und somit speziellen Munderkrankungen, wie beispielsweise einer chronischen Parodontitis oder Karies, Vorschub geleistet. Das Risiko f\u00fcr Karies-, Parodontal- und Mundschleimhauterkrankungen ist bei dieser Patientengruppe \u00fcberdurchschnittlich hoch. Es kann zu Schmerzen und Zahnverlust kommen. Chronische Entz\u00fcndungsherde im Mund k\u00f6nnen aber auch einen Risikofaktor f\u00fcr die Entwicklung einer Pneumonie bei \u00e4lteren und pflege\u00adbed\u00fcrftigen Menschen darstellen, die nach Auskunft des Bundesministeriums f\u00fcr Gesundheit als die h\u00e4ufigste zum Tode f\u00fchrende Infektionskrankheit gilt.<\/p>\n\n\n\n

Seniorenzahnmedizin kein obligatorischer Studieninhalt<\/strong>
Trotz dieser alarmierenden Zusammenh\u00e4nge sind der professionelle Umgang mit multimorbiden und polypharmazierten Patienten und deren zahn\u00e4rztliche Betreuung in der studentischen Ausbildung nach wie vor kein obligatorischer Lehr\u00adinhalt. In der alten Approbationsordnung f\u00fcr Zahn\u00e4rzte aus dem Jahr 1955 taucht das Fach Seniorenzahnmedizin nicht auf. Demzufolge ist es auch kaum verwunderlich, dass sich 76,3 Prozent aller Studierenden in Deutschland nicht ausreichend in der Seniorenzahnmedizin ausgebildet f\u00fchlen. Eine sp\u00e4tere T\u00e4tigkeit in der Senio\u00adrenzahnmedizin ist f\u00fcr nur f\u00fcnf Prozent der Zahnmedizinstudenten vorstellbar. Dies geht aus der Generation-Y-Studie des Instituts der Deutschen Zahn\u00e4rzte (IDZ) hervor. Im beruflichen Alltag f\u00fchrt dies dazu, dass die Absolventen im Umgang mit \u00e4lteren und pflegebed\u00fcrftigen Patienten unsicher sind, weil es im Studium keine Ber\u00fchrungspunkte mit dieser vulnerablen Patientengruppe gab.<\/p>\n\n\n\n

Fachspezifisches Assessment<\/strong>
Bereits zum f\u00fcnften Mal in Folge fand in Kooperation mit dem Institut f\u00fcr Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin am Klinikum der LMU M\u00fcnchen und unter Leitung von Priv.\u2011Doz.\u2006Dr.\u2006Michael Drey, Bereichsleiter der Akutgeriatrie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV am Klinikum der LMU M\u00fcnchen, das \u201eInter\u00adprofessionelle geriatrische Assessment im Pflegeheim\u201c (IgAP) statt. Bei dieser Veranstaltung haben Studenten der Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie sowie Sch\u00fcler der staatlichen Berufsfachschule f\u00fcr Krankenpflege die M\u00f6glichkeit, Bewohner des \u201eM\u00fcnchenstifts\u201c mit einem fachspezifischen Assessment zu untersuchen und ihre Untersuchungsergebnisse sowie Handlungsempfehlungen im multidisziplin\u00e4ren Team zu diskutieren.
Im Fall der Zahnmedizinstudenten be-deutet dies, dass mithilfe eines Untersuchungsbogens verschiedene extra- und intraorale Befunde erhoben werden. Die Studenten sollen sich ein Bild der aktuellen Mundhygienesituation des Bewohners verschaffen und vorhandenen Zahnersatz bez\u00fcglich Funktionalit\u00e4t und Hygienezustand beurteilen. Auf dieser Grundlage wird anschlie\u00dfend eine Behandlungsempfehlung erstellt. Neben einem Behandlungskonzept soll diese auch konkrete Vorschl\u00e4ge f\u00fcr die Umsetzung eines individuellen Mundhygiene\u00adplans enthalten.
Die Ergebnisse werden zun\u00e4chst in Kleingruppen f\u00e4cher\u00fcbergreifend mit den Teilnehmern aus den anderen Disziplinen diskutiert. Im Vordergrund steht dabei der interkollegiale Austausch innerhalb des Teams. Die Teilnehmer sollen erfahren, wie wichtig die Kommunika\u00adtion und der Informationsaustausch mit anderen Berufsgruppen im Hinblick auf das gemeinsame Behandlungsziel, n\u00e4mlich die bestm\u00f6gliche (zahn)medizinische Versorgung des pflegebed\u00fcrftigen Patienten, sind. Im Anschluss werden die ausgearbeiteten Handlungsempfehlungen im Plenum vorgetragen. Ein Experte aus den jeweiligen Professionen (Geriater, Zahnarzt, Pharmakologe, Lehrkraft f\u00fcr Pflegefachberufe) kommentiert die vorgetragenen Assessmentergebnisse. Anschlie\u00dfend werden Problemstellungen identifiziert, und es wird gemeinsam \u00fcber L\u00f6sungsvorschl\u00e4ge debattiert.
Auch die Pflegeeinrichtung profitiert von der Veranstaltung: Eine anwesende Pflegefachkraft dokumentiert die Ergebnisse und gibt diese an die zust\u00e4ndigen (Zahn-)\u00c4rzte vor Ort weiter beziehungsweise vermittelt im Bedarfsfall einen Untersuchungstermin f\u00fcr den Bewohner. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist f\u00fcr Zahnmedizinstudenten bislang fakultativ und ab dem Klinischen Semester m\u00f6glich.
Die Auswertung der Evaluationsb\u00f6gen macht deutlich, dass bei einem Gro\u00dfteil der Teilnehmer im Vorfeld vorhandene Ber\u00fchrungs\u00e4ngste durch den Projektnachmittag abgebaut werden k\u00f6nnen, sodass sich ein Bewusstsein f\u00fcr die zahnmedizinischen Sorgen und N\u00f6te pflegebed\u00fcrftiger Menschen entwickelt. Das Interesse, im Bereich der Seniorenzahnmedizin t\u00e4tig zu werden, wird dadurch geweckt (siehe Grafik auf S.\u2009328).<\/p>\n\n\n\n

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