{"id":206,"date":"2021-11-16T12:31:36","date_gmt":"2021-11-16T11:31:36","guid":{"rendered":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/?p=206"},"modified":"2023-10-26T10:52:44","modified_gmt":"2023-10-26T08:52:44","slug":"chirurgie-und-prothetik-alles-geht-in-keramik","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/chirurgie-und-prothetik-alles-geht-in-keramik\/","title":{"rendered":"Chirurgie und Prothetik: Alles geht in Keramik!?"},"content":{"rendered":"\n

Neben den klassischen und \u00fcber Jahrzehnte wissenschaftlich dokumentierten Titanimplantaten, etablieren sich zunehmend metallfreie Varianten zahn\u00e4rztlicher Implantate am Markt. Dies kann einerseits auf eine rapide Entwicklung der materialkundlichen Eigenschaften, sowie auf eine Optimierung der Oberfl\u00e4chenbeschaffenheit zur F\u00f6rderung der oss\u00e4ren Integration zur\u00fcckzuf\u00fchren sein. <\/strong><\/p>\n\n\n\n

Gef\u00f6rdert durch eine zunehmende Aufkl\u00e4rung und Sensibilisierung der Bev\u00f6lkerung, steigt auf der anderen Seite die Nachfrage nach metallfreien Alternativen in der zahn\u00e4rztlichen Therapie. Im Bereich der konservierenden und festsitzenden Prothetik kann dies im vergangenen Jahrzehnt gar als Paradigmenwechsel bezeichnet werden. Komposite und Keramiken haben Amalgame und Metalllegierungen weitestgehend abgel\u00f6st. Entsprechende Empfehlungen finden sich in der aktuellen S3-Leitlinie \u201eVollkeramische Kronen und Br\u00fccken\u201c [32].<\/p>\n\n\n\n

Frage zur Therapie
Wie h\u00e4ufig treten Materialunvertr\u00e4glichkeiten im Patientenkollektiv auf?<\/strong>
Liegt eine positive (Material-)Allergieanamnese vor, so sollten im Vorfeld einer geplanten Implantattherapie weiterf\u00fchrende Untersuchungen angestrebt werden. Die Pr\u00e4disposition f\u00fcr eine Metallunvertr\u00e4glichkeitsreaktion, speziell auf Titan-Grad-4-Implantate, kann als sehr gering bezeichnet werden. Dabei stellen klassische Typ-4-Sensibilisierungen auf Titan eine Rarit\u00e4t dar. Problematisch erscheinen Legierungsbestandteile, wie Nickel, Vanadium und Aluminium, die in Titan-Grad-5-Legierungen enthalten sind. In Bezug auf eine Titanunvertr\u00e4glichkeit finden sich im LTT- oder Titanstimulationstest nachweisbare Sensibilisierungen mit einer Pr\u00e4valenz von 0,004 bis 4 % im Patientenkollektiv.<\/p>\n\n\n\n

Die als biokompatibel bezeichneten Metalle zeigen bei der Mehrheit der Patienten keine negativen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus. Einige Patienten weisen jedoch eine ausgepr\u00e4gte Metallsensitivit\u00e4t auf, die mittlerweile durch Lymphozytentransformationstests (LTT) und Titanstimulationstests nachgewiesen werden kann. Bei dieser Patientengruppe sollte eine Metallexposition unter allen Umst\u00e4nden vermieden werden [8,\u200914,\u200915,\u200941].
So haben sich keramische Materialien (monolithisches Lithiumdisilikat: Kronen, Zirkonoxid: Kronen\/Br\u00fccken) auf Niveau der Implantat-Prothetik und der Implantat-Abutment-Verbindung (Titanklebebasis-Konzept) in den vergangenen Jahren zunehmend etabliert und zeigen wissenschaftlich hohe \u00dcberlebensraten [28]. Doch wie sieht es auf Niveau des Implantats aus? Kann hier ein keramisches Material den Goldstandard Titan in seinen werkstoffkundlichen Eigenschaften und seiner zuverl\u00e4ssigen Osseointegration ersetzen?
In den vergangenen Jahren hat sich Zirkonoxid als Implantationsmaterial in der zahn\u00e4rztlichen Chirurgie zunehmend etabliert. Dahinter steht das Bestreben nach \u00e4sthetischem und immunologisch neutralem Zahnersatz einerseits, andererseits versucht man einen alternativen Werkstoff zu finden, der in Zukunft Titan als Standardmaterial gleichgesetzt werden k\u00f6nnte. Zirkonoxid zeichnet sich durch seine hohe Festigkeit und H\u00e4rte aus [6,\u200913] und hat sich in vielen Bereichen der Zahnmedizin bew\u00e4hrt. Der Anwendungsbereich liegt zunehmend in der Kronen- und Br\u00fcckenprothetik, als Material f\u00fcr Wurzelstifte und in der Verwendung als ImplantatabutmentMaterial [3,\u20095,\u200924,\u200926]. Weiterhin konnte man in der Vergangenheit viele Erfahrungen beim Einsatz von Zirkonoxid als orthop\u00e4disches Implantatmaterial, zum Beispiel als k\u00fcnstliches H\u00fcftgelenk, sammeln [4,\u200933].
Im Gegensatz zur ISO Norm 6872, die f\u00fcr den zahn\u00e4rztlichen Bereich gilt, sind die Anforderungen an das in der Implantologie zur Anwendung kommende Zirkon\u00adoxid deutlich h\u00f6her. Die ISO Norm 13356 gilt f\u00fcr Zirkonoxid-Implantate \u2013 hier muss beispielsweise die maximale Radioaktivit\u00e4tskonzentration mit 0,2\u2006Bq\/g f\u00fcnfmal niedriger liegen als bei einer Indikation im Dentalbereich [40].<\/p>\n\n\n\n

Biologische und immunologische Aspekte<\/strong>
Die Trennung der Zahnmedizin von der allgemeinen Medizin ist ein veraltetes Modell. Krankhafte Ver\u00e4nderungen des Zahn-, Mund- und Kieferbereichs und ein Gro\u00dfteil der von Zahn\u00e4rzten verwendeten Materialien und Methoden k\u00f6nnen Haupt- oder Mitverursacher f\u00fcr die Entstehung vieler Erkrankungen sein [22,\u200923].<\/p>\n\n\n\n

Materialunvertr\u00e4glichkeiten<\/strong>
Materialunvertr\u00e4glichkeiten im dentalen Bereich setzen sich aus material\u00adassoziierten und nichtmaterialassoziierten Reaktionen, St\u00f6rungen und Erkrankungen zusammen [29]. Dabei sind die urs\u00e4chlichen Zusammenh\u00e4nge zwischen im K\u00f6rper integrierten Materialien und wahrscheinlichen k\u00f6rperlichen Reaktionen auf die verwendeten Materialien schwer zu diagnostizieren und bed\u00fcrfen oft einer intensiven interdisziplin\u00e4ren Zusammenarbeit. Die zentrale Frage ist hierbei, ob es sich um dentalbezogene, allgemeinmedizinische und\/oder psychosomatische Ursachen handelt [30].
Ein h\u00e4ufig beobachtetes Problem stellt die Freisetzung von Legierungsbestandteilen im oralen Milieu dar. Dabei bilden Korrosionsprozesse die Grundlage und sind oftmals Ausl\u00f6ser m\u00f6glicher Beschwerden [18,\u200920,\u200929]. Die Auswirkungen lokaler intraoraler Faktoren \u2013 wie zum Beispiel ein reduzierter pH-Wert bei einer Spaltkorrosion \u2013 auf dentale Werkstoffe und davon ausgehende Fernwirkungen auf den Organismus sind in der Literatur vielfach belegt [11,\u200916,\u200919, 21,\u200925,\u200946]. So kann beispielsweise Gold als Legierungsbestandteil lokal intraoral lichen-ruber-\u00e4hnliche Ver\u00e4nderungen der Mukosa bewirken [1] und als Fernwirkung Magen-Darm-Beschwerden ausl\u00f6sen [11,\u200935].
Grunds\u00e4tzlich kann die Zahl der Patienten mit nachgewiesenen Materialunvertr\u00e4glichkeitsreaktionen jedoch als gering angegeben werden [12,\u200929,\u200946].
Aus diesen Erfahrungen und Erkenntnissen, so formulierte es Reitemeier (2015) [30], resultieren folgende Empfehlungen:<\/p>\n\n\n\n