{"id":2133,"date":"2021-10-28T16:33:17","date_gmt":"2021-10-28T14:33:17","guid":{"rendered":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/?p=2133"},"modified":"2022-05-31T16:58:16","modified_gmt":"2022-05-31T14:58:16","slug":"so-stark-wie-moeglich-so-lange-wie-noetig","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/so-stark-wie-moeglich-so-lange-wie-noetig\/","title":{"rendered":"\u201eSo stark wie m\u00f6glich \u2013 so lange wie n\u00f6tig\u201c"},"content":{"rendered":"\n

Nicht jede An\u00e4sthesieform ist f\u00fcr alle Indikationen geeignet. F\u00fcr Behandler ist es daher nicht immer leicht, die richtige Wahl zu treffen. PD Dr.\u2006mult.\u2006Peer K\u00e4mmerer, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik f\u00fcr Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie der Universit\u00e4tsmedizin Mainz, spricht \u00fcber die Anwendungsbereiche der intraligament\u00e4ren An\u00e4sthesie, das Patientenrechtegesetz und die Anforderungen an verschiedene Spritzensysteme.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Herr Dr.\u2006K\u00e4mmerer, ganz allgemein: Was ist bei der lokalen Schmerzausschaltung entscheidend?<\/strong>
Wir Zahn\u00e4rzte m\u00fcssen vor allem ber\u00fccksichtigen, was f\u00fcr den Patienten wichtig ist. Viele Studien belegen, dass Patienten am meisten Wert auf eine ausreichende Wirkung legen und der Schmerz ausgeschaltet wird. Zudem achten viele auch darauf, dass das Taubheitsgef\u00fchl nach der Behandlung schnell nachl\u00e4sst. Deshalb muss ganz individuell und vor allen Dingen gemeinsam mit dem Patienten entschieden werden, welche An\u00e4sthesieform die richtige ist.<\/p>\n\n\n\n

Die Einbindung des Patienten \u2013 diesen Punkt greift das Patientenrechtegesetz von 2013 ebenfalls auf. Was m\u00fcssen Behandler beachten?<\/strong>
Das Patientenrechtegesetz schreibt vor, \u00fcber alle potenziellen Formen der Behandlung aufzukl\u00e4ren \u2013 das betrifft auch die An\u00e4sthesiem\u00f6glichkeiten. Der Wissensdrang ist hier gr\u00f6\u00dfer, als viele vielleicht denken. Ich erlebe es im Berufsalltag oft, dass Patienten genau \u00fcber das An\u00e4sthetikum und m\u00f6gliche Komplikationen Bescheid wissen wollen. Hier ist der Zahnarzt gefordert. Inzwischen gibt es auch einige Rechtsurteile.<\/p>\n\n\n\n

Tipp vom Experten<\/strong>
\u201eAuf meinen Veranstaltungen ist auch immer wieder das Auftreten einer Bakteri\u00e4mie Thema. Um diese zu vermeiden, hilft ein ganz simpler Tipp: Einfach nicht entlang des Zahnhalses, sondern durch die Papille in den Sulkus stechen, so gelangen weniger Bakterien in die Blutbahn.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Welche sind das?<\/strong>
2004 kam es beispielsweise in Folge einer Leitungsan\u00e4sthesie zu einer dauerhaften Sch\u00e4digung des Nervus lingualis. Der Patient wurde im Voraus nicht \u00fcber andere M\u00f6glichkeiten der Bet\u00e4ubung informiert, sodass seine Einwilligung als unwirksam erkl\u00e4rt wurde. Das Oberlandesgericht Koblenz entschied, dass der Zahnarzt 6000 Euro Schmerzensgeld an den Patienten zahlen musste [1]. Und auch 2016 entschied das Oberlandesgericht Hamm in einem \u00e4hnlichen Fall, dass ein Patient Schmerzensgeld in H\u00f6he von 4000 Euro vom Zahnarzt erhalten sollte, nachdem die Zunge des Patienten infolge einer Leitungsan\u00e4sthesie taub blieb [2]. Nat\u00fcrlich muss der Behandler nicht immer \u00fcber alle An\u00e4sthesiefomen 
aufkl\u00e4ren, sondern nur \u00fcber jene, die im vorliegenden Fall infrage kommen. Auch hier gilt wieder: Jede Situation muss individuell betrachtet werden.<\/p>\n\n\n\n

Bei welchen Indikationen raten Sie Zahn\u00e4rzten, die ILA einzusetzen, und bei welchen sollte eine andere Form der An\u00e4sthesie vorgezogen werden?<\/strong>
In meinen Augen ist die ILA eine hervorragende An\u00e4sthesieform f\u00fcr viele Indikationen. Deshalb benutze ich sie wann immer m\u00f6glich. Gerade bei Eingriffen an Einzelz\u00e4hnen, wie bei endodontischen Behandlungen, bei Zahnextraktionen oder bei der F\u00fcllungstherapie, bietet sich die ILA an. Sind hingegen tiefliegende Z\u00e4hne, zum Beispiel Weisheitsz\u00e4hne, betroffen oder muss ein gesamter Quadrant bet\u00e4ubt werden, wie bei der Parodontitisbehandlung, kommt die ILA nicht infrage. Auch der Anteil von betroffenem Weichgewebe ist entscheidend: Je h\u00f6her der Weichgewebsanteil, desto weniger lohnt sich der Einsatz der ILA. Grund daf\u00fcr ist, dass bei der ILA nur der Zahn, die umgebende Gingiva aber nur sehr umschrieben bet\u00e4ubt wird. Bei der ILA ist allerdings der Injektionsschmerz geringer als beispielsweise bei der Leitungsan\u00e4sthesie des Nervus alveolaris inferior, das kann gerade bei Kindern und Angstpatienten von Vorteil sein. Die d\u00fcnneren, k\u00fcrzeren Spritzennadeln wirken ebenfalls weniger erschreckend.<\/p>\n\n\n