{"id":2320,"date":"2021-11-15T10:09:06","date_gmt":"2021-11-15T09:09:06","guid":{"rendered":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/?p=2320"},"modified":"2022-05-31T16:58:15","modified_gmt":"2022-05-31T14:58:15","slug":"team-disziplin","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/team-disziplin\/","title":{"rendered":"Team-Disziplin"},"content":{"rendered":"\n

Die digitale Zahnheilkunde h\u00e4lt aktuell Einzug in alle Bereiche der Zahnmedizin. Begr\u00fcndet liegt dies in den sich bietenden disziplin\u00fcbergreifenden Vorteilen, wie einer h\u00f6heren Standardisierung der Arbeitsprozesse, der M\u00f6glichkeit zu optimalem Qualit\u00e4tsmanagement sowie dem Zugriff auf bioinerte, homogene Restaurationsmaterialien. In der Implantologie bildet die dreidimensionale Bildgebung die Voraussetzung f\u00fcr eine patientengerechte individuelle Diagnostik, eine bestm\u00f6gliche dreidimensionale Therapie-Planung sowie schlie\u00dflich deren navigierte chirurgische Umsetzung und Nachkontrolle. Durch die intensive dreidimensionale Planung im restaurativen Team und die anschlie\u00dfende Umsetzung ergeben sich zahlreiche M\u00f6glichkeiten und Vorteile, vorausgesetzt gewisse Rahmenbedingungen werden erf\u00fcllt und beachtet. Dieser Artikel soll den aktuellen Stand der 3D-Planung darstellen und kritisch beleuchten.<\/p>\n\n\n\n

Fragen zum Patientenfall<\/p>\n\n\n\n

Warum entscheiden Sie sich im Team immer h\u00e4ufiger f\u00fcr die dreidimensionale Planung vor einer Implantation?<\/strong>
PD\u2006Dr.\u2006Jan-Frederik G\u00fcth: Vor einer selektiven Operation \u2013 wie es eine Implantation darstellt -, erwarten viele Patienten eine ausf\u00fchrliche Aufkl\u00e4rung \u00fcber die individuellen M\u00f6glichkeiten, deren Vor-und Nachteile und den notwendigen Aufwand. Zudem m\u00f6chten wir als Behandlungsteam das aktuelle Maximum an Vorhersagbarkeit erm\u00f6glichen \u2013 besonders bei der Umsetzung komplexer implantologisch-prothetischer Therapien. Die 3D-Planung unterst\u00fctzt uns ma\u00dfgeblich bei der Erreichung dieser Ziele.<\/p>\n\n\n\n

Wie aufwendig ist der Weg zu einer 3D-gedruckten Chirurgieschablone?<\/strong>
Sobald eine dreidimensionale radiologische Bildgebung durchgef\u00fchrt wurde, k\u00f6nnen vorhandene STL-Daten der klinischen Situation mit den DICOM-Daten der 3D-Aufnahmen in einer Planungssoftware \u00fcberlagert und die Implantatposition zu diesen Daten korreliert werden. Dies vereinfacht die Planung und Herstellung einer Chirurgieschablone zur navigierten Implantation ma\u00dfgeblich.<\/p>\n\n\n\n

Warum digitale dreidimensionale Planung in der Implantologie?<\/strong>
Es ist das erkl\u00e4rte Ziel moderner Zahnheilkunde, vorhersagbare, reproduzierbare und exakt passende Restaurationen mit optimaler Prognose bez\u00fcglich des Langzeiterfolgs zu generieren. Dies gilt vor allem in der Implantologie. Bei der Umsetzung dieses Ziels m\u00fcssen alle Einzelschritte des gesamten Behandlungsprozesses von Anfang bis Ende aufeinander abgestimmt sein. Hierbei kommt besonders den ersten Planungsschritten Bedeutung zu, da der gesamte weitere Behandlungsprozess auf ihnen aufbaut und sie somit die Basis f\u00fcr den Erfolg der gesamten Behandlung darstellen. Geht hier etwas schief, stimmt beispielsweise die Implantatachse oder -position nicht, gestaltet sich die sp\u00e4tere prothetische Versorgung entsprechend aufwendig oder ist im Extremfall gar nicht m\u00f6glich. Als Beispiel sei ein zu weit vestibul\u00e4r stehendes Implantat im Frontzahnbereich genannt, das \u2013 einmal eingeheilt \u2013 nur schwer zufriedenstellend versorgt werden kann.<\/p>\n\n\n\n

Gerade vor dem Hintergrund, dass eine Implantation eine elektive, das hei\u00dft, eine vom Patienten gegen\u00fcber anderen Behandlungsalternativen bevorzugte und ausdr\u00fccklich erw\u00fcnschte Therapiealternative darstellt, die mit einer finanziellen und zeitlichen Belastung einhergeht, sollte ein H\u00f6chstma\u00df an Sicherheit und Vorhersagbarkeit angestrebt werden. Dies wiederum hilft, sp\u00e4tere \u00dcberraschungen, Entt\u00e4uschungen oder Unzufriedenheit zu vermeiden. Einen Schl\u00fcsselfaktor des Workflows stellt somit die Festlegung der sp\u00e4teren Implantat\u2027position dar, die heute mittels digitaler Verfahren pr\u00e4zise geplant werden kann.
Die Vorteile der digitalen dreidimensionalen Implantationsplanung sind leicht nachzuvollziehen: Durch die dreidimensionale Darstellung der anatomischen Gegebenheiten und die bessere Orientierung w\u00e4hrend des chirurgischen Eingriffs dank Chirurgieschablonen erh\u00f6ht sich zun\u00e4chst die Sicherheit w\u00e4hrend des operativen Eingriffs. Zudem k\u00f6nnen bereits vor Beginn der eigentlichen Behandlung m\u00f6gliche Schwierigkeiten erkannt und wichtige Entscheidungen bez\u00fcglich des chirurgischen Vorgehens beim Hart- und Weichgewebsmanagement und der prothetischen Behandlungsstrategie getroffen werden, zum Beispiel bei der Materialwahl oder der Versorgungsform. Au\u00dferdem vereinfacht und verbessert sich durch die anschauliche Darstellung der anatomischen Situation die Kommunikation mit dem Patienten. Das hei\u00dft, die digitale Planung erm\u00f6glicht ein exaktes, an der sp\u00e4teren prothetischen Versorgung ausgerichtetes Backward Planning. Diesen Vorteilen stehen aktuell jedoch die noch immer vergleichsweise hohen Kosten f\u00fcr Planung und Herstellung der Schablonen sowie der verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig hohe technische Aufwand gegen\u00fcber.<\/p>\n\n\n\n

Die digitale dreidimensionale Planung und deren Umsetzung in eine Chirurgieschablone zur navigierten (\u201eguided\u201c) Implantatinsertion war lange Zeit mit einem erheblichen technischen Aufwand verbunden, der mehrere Besuche der Patienten in der Praxis erforderte. Zur Herstellung der entsprechenden R\u00f6ntgenschablonen mussten im Vorfeld Situationsabformungen und Modelle erstellt werden. Die Schablonen wurden dem Patienten w\u00e4hrend der dreidimensionalen Bildgebung in einer zweiten Sitzung im Mund eingesetzt. Auf Basis der Planungsdaten mussten diese R\u00f6ntgenschablonen im Labor aufwendig in eine Chirurgieschablone umgearbeitet werden. Dies war notwendig, da die Referenzierung der Implantatposition \u00fcber entsprechende r\u00f6ntgenopake, in der R\u00f6ntgenschablone integrierte Marker erfolgte.<\/p>\n\n\n\n

STL meets DICOM<\/strong>
Eine Schl\u00fcsselentwicklung in der dreidimensionalen Implantatplanung ist die M\u00f6glichkeit, dreidimensionale Volumendaten aus der radiologischen Bildgebung (DICOM) mit Oberfl\u00e4chendaten im STL- Format zu \u00fcberlagern. STL steht f\u00fcr Standard Tesselation Language, die Beschreibung einer dreidimensionalen Oberfl\u00e4che durch Oberfl\u00e4chendreiecke. Dieses Vorgehen erm\u00f6glicht, neben den bisherigen Vorteilen der 3D-Planung, die Datenakquise zur 3D-Planung in Form einer zu digitalisierenden analogen oder rein digitalen Abformung sowie die radiologische Diagnostik (DVT) in einer Sitzung, was den Prozess erheblich vereinfacht.
Das Referenzieren und \u00dcbertragen der geplanten Implantatposition in eine Chirurgieschablone erfolgt anhand der gescannten oralen Oberfl\u00e4chen. Hierzu werden beide Datens\u00e4tze (DICOM und STL) in eine Implantatplanungssoftware importiert. Anschlie\u00dfend erfolgt die \u00dcberlagerung. Zu diesem Zweck werden in den meisten Planungssoftwares Punkte markiert, die in den beiden Datens\u00e4tzen miteinander korrespondieren und der Software bei der groben Ausrichtung der Daten helfen. Die weitere \u00dcberlagerung der beiden Datens\u00e4tze erfolgt nun anhand einer \u201ebest-fit\u201c-Korrelation (Abb.\u20061a bis c).
Je h\u00f6her die Qualit\u00e4t der radiologischen Aufnahme und des Oberfl\u00e4chenscans, desto besser ist hier das Ergebnis. Deshalb gilt es, Artefakte w\u00e4hrend der Bildgebung, beispielsweise durch Bewegung des Patienten, zu vermeiden. Nach der dreidimensionalen Ausrichtung der Daten zueinander muss das Ergebnis durch den Anwender kontrolliert werden. Sollten hierbei Ungereimtheiten auftreten, kann dies zu einer nicht exakt passenden Schablone oder zu einer Fehlpositionierung des Implantats w\u00e4hrend der Operation mit entsprechender Gefahr f\u00fcr die umliegenden anatomischen Strukturen f\u00fchren. Hierzu dienen zum einen eine dreidimensionale farbkodierte Darstellung der Abweichungen (Abb.\u20062), zum anderen Querschnitte durch die \u00fcberlagerten Datens\u00e4tze, in denen sich Interferenzen exakt erkennen lassen (Abb.\u20063 und 4). Deshalb ist diesem Schritt besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Zusammen mit den STL-Modelldaten wird das zuvor erstellte digitale Mock-up (Abb.\u20065a und b), das hei\u00dft eine erste, orientierende Konstruktion der geplanten prothetischen Arbeit, in die Planungssoftware importiert. Diese liefert entscheidende Anhaltspunkte f\u00fcr die sp\u00e4tere Implantatausrichtung in der Planungssoftware und erm\u00f6glicht ein pr\u00e4zises Backward Planning. Bevor die eigentliche Implantatplanung beginnt, k\u00f6nnen nun wichtige, zu sch\u00fctzende anatomische Strukturen, wie beispielsweise der Nervus alveolaris inferior (Abb.\u20066a bis c) markiert werden.
Aus in der Software hinterlegten Implantatdatenbanken kann ein f\u00fcr die jeweiligen anatomischen und prothetischen Vorgaben passendes Implantat ausgew\u00e4hlt und dreidimensional in allen Raumachsen variierbar positioniert werden. Hierbei k\u00f6nnen zudem wertvolle Informationen zum vorhandenen Knochen- und Platzangebot (Abb.\u20067a und b) und \u00fcber eventuell notwendige augmentative Ma\u00dfnahmen gewonnen werden (Abb.\u20067c). Ebenso lassen sich m\u00f6gliche Nachteile in der Implantatachse und -position besser absch\u00e4tzen, die bei einem Verzicht auf augmentative Ma\u00dfnahmen, wie beispielsweise Sinusboden-Elevationen oder laterale Augmentationen, entstehen w\u00fcrden (Abb.\u20067d). Es k\u00f6nnen weitere wichtige Informationen gesammelt werden, beispielsweise zur Implantat-Prothetik-Relation, zur Lage der Implantatschulter, zur Schleimhautdicke oder zur Lage des Schraubenkanals. Um eine optimale Ausrichtung auf die vorliegende klinische Situation, die geplante Restauration, die entsprechende Belastungssituation des Implantats und schlie\u00dflich die gew\u00fcnschte \u00c4sthetik zu erzielen, kann f\u00fcr jede Situation ein individuell geeignetes Implantatdesign ausgew\u00e4hlt werden und entsprechend den individuellen Gegebenheiten und Anforderungen positioniert werden. Die gesamte Planung und die Positionierung der Implantate muss entweder vom ausf\u00fchrenden Operateur selbst durchgef\u00fchrt oder durch diesen vor dem Export der Daten kontrolliert und freigegeben werden. Neben den f\u00fcr den Operateur wichtigen Informationen zur Entscheidungsfindung dienen die anschaulichen Darstellungen auch der besseren Kommunikation mit dem Patienten w\u00e4hrend der pr\u00e4operativen Aufkl\u00e4rung.
Bei der Umsetzung der Daten in eine Chirurgieschablone erfolgt nun das Referenzieren der Implantatposition in Relation zur STL-Oberfl\u00e4che (Abb.\u20068). Anschlie\u00dfend kann das digitale Design der Bohrschablone in der Implantatplanungssoftware erfolgen. Hierbei wird festgelegt, ob die Chirurgieschablone lediglich f\u00fcr die Pilotbohrung verwendet werden soll oder ob eine vollnavigierte Implantation geplant ist. Im letzten Fall muss die Wahl der entsprechenden Bohrh\u00fclsen auf das operative Vorgehen und\/oder das chirurgische Navigationssystem des Implantatherstellers abgestimmt sein (Abb.\u20069a und b).
Der fertige Konstruktionsdatensatz kann wiederum als STL-Datei exportiert werden und unmittelbar, beispielsweise \u00fcber 3D-Druckverfahren oder fr\u00e4stechnisch, in eine Chirurgieschablone umgesetzt werden (Abb.\u200610a und b, 11a und b). Anschlie\u00dfend erfolgt die Ausarbeitung und die entsprechende Befestigung\/Verklebung der auf das Implantatsystem abgestimmten Bohrh\u00fclsen (Abb.\u200612a und b).
Zu jeder 3D-Planung erh\u00e4lt der Operateur einen Planungsreport, der den Implantattyp, die -l\u00e4nge, den -durchmesser und dessen Positionierung wiedergibt. Ebenso enth\u00e4lt der Planungsreport den sogenannten Offset der Bohrh\u00fclsen, aus dem sich die individuelle Bohrerl\u00e4nge ergibt. Aus diesen Angaben kann der Operateur auf die notwendigen Instrumente wie Distanzh\u00fclsen, L\u00f6ffel et cetera schlie\u00dfen (Abb.\u200613a und b).
Zu Beginn der Implantation wird die Bohrschablone einprobiert und der korrekte Sitz \u00fcberpr\u00fcft (Abb.\u200614). Je nach Positionierung der Bohrh\u00fclsen kann es sein, dass die Bohrschablone auf der Schleimhaut aufsitzt. Hierauf muss bereits w\u00e4hrend der Planung geachtet und gegebenenfalls ein Kompromiss zwischen H\u00fclsenh\u00f6he beziehungsweise deren vertikaler Positionierung und der individuellen Mund\u00f6ffnung, sprich der Zug\u00e4nglichkeit mit dem chirurgischen Winkelst\u00fcck bei reduziertem vertikalen Platzangebot gefunden werden. Bei sehr hoch \u00fcber der Gingiva positionierten H\u00fclsen kann das Einf\u00e4deln des Bohrers in der korrekten Bohrachse, besonders im posterioren Bereich, \u00e4u\u00dferst schwierig werden. Alternativ muss zun\u00e4chst ein Schleimhautschnitt erfolgen und ein entsprechender Lappen gebildet werden, um die Chirurgieschablone in die korrekte Position zu bringen. Bei einem geplanten minimalinvasiven Vorgehen durch Schleimhautstanzung und resultierender offener Einheilung m\u00fcssen somit die Bohrh\u00fclsen zwingend so positioniert werden, dass sie nicht mit der Schleimhaut interferieren.
Anschlie\u00dfend erfolgt das schrittweise chirurgische Vorgehen (Abb.\u200615a und b). Nach der Pilotbohrung wird das Implantatbett mit den jeweils zuvor festgelegten Bohrern aufbereitet (Abb.\u200616a bis c). Vor der Implantatinsertion kann bei Bedarf noch eine Kontrolle mit entsprechenden Richtungsindikatoren erfolgen (Abb.\u200617). Abbildung 18 zeigt die Situation sieben Tage postoperativ nach der Insertion von f\u00fcnf Implantaten.<\/p>\n\n\n