{"id":4979,"date":"2022-01-05T11:31:56","date_gmt":"2022-01-05T10:31:56","guid":{"rendered":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/?p=4979"},"modified":"2022-05-31T16:54:57","modified_gmt":"2022-05-31T14:54:57","slug":"wieviel-weichgewebe-benoetigt-ein-implantat","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/wieviel-weichgewebe-benoetigt-ein-implantat\/","title":{"rendered":"Wieviel Weichgewebe ben\u00f6tigt ein Implantat?"},"content":{"rendered":"\n

Die Qualit\u00e4t der periimplant\u00e4ren Weichgewebe um den krestalen Anteil von dentalen Implantaten scheint f\u00fcr deren Erfolg und Bestand ebenso von Bedeutung zu sein wie ihre oss\u00e4re Integration. Wie jedoch die Charakteristika in Bezug auf Weite, Dicke respektive Keratinisierung dieser Mukosa sein soll, wird nach wie vor kontrovers diskutiert und ist Ziel zahlreicher klinischer Studien. F\u00fcr die Augmentation periimplant\u00e4rer Weichgewebe werden verschiedene Verfahrenstechniken und Materialien beschrieben.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Fragen zum Patientenfall
In welchen F\u00e4llen entscheiden Sie sich f\u00fcr einen Weichgewebsaufbau?<\/strong>
Das periimplant\u00e4re Weichgewebe ist f\u00fcr die Langlebigkeit zahn\u00e4rztlicher Implantate genauso wichtig wie deren Osseointegration. Grundvoraussetzung daf\u00fcr ist eine ad\u00e4quate Mundhygiene mit unterst\u00fctzender professioneller Betreuung. Diese ist jedoch aus morphologischen und qualitativen Gr\u00fcnden oft nicht m\u00f6glich, was eine plastische Korrektur notwendig macht.<\/p>\n\n\n\n

Worin liegen hierbei die Herausforderungen?
<\/strong>Da sich h\u00e4ufig Abweichungen vom \u201eregelrechten Bauplan\u201c ohne pathologische Auswirkungen ergeben, ist die Findung der notwendigen und entsprechenden Indikation zu einer chirurgischen Intervention nicht selten inkonklusiv. Auch ist die Auswahl eines entsprechenden Ersatzmaterials zur Weichgewebever\u00e4nderung im individuellen Falle zu entscheiden.<\/p>\n\n\n\n

Die Weichgewebe um dentale Implantate werden als periimplant\u00e4re Mukosa bezeichnet [14], obwohl die Terminologie dieses Gewebes nach wie vor uneinheitlich erfolgt. Die Eigenschaften der periimplant\u00e4ren Mukosa werden w\u00e4hrend jenes Wundheilungsprozesses etabliert, der im Anschluss an eine Implantation oder Er\u00f6ffnungsoperation und eine Abutmentverbindung erfolgt und stellen eine funktionelle Barriere zwischen der Mundh\u00f6hle und den darunterliegenden dentalen Implantaten dar. Die periimplant\u00e4re Mukosa respektive Gingiva an Z\u00e4hnen verf\u00fcgen \u00fcber verschiedene gemeinsame klinische und histologische Charakteristika \u2013 jedoch bestehen auch bedeutende Unterschiede. Bei Z\u00e4hnen inserieren Fasern des parodontalen Ligaments als Sharpeysche Fasern im Wurzelzement und dienen als Verankerung, w\u00e4hrend bei dentalen Implantaten Bindegewebefasern mehr oder weniger parallel zur Implantat- oder Abutmentoberfl\u00e4che verlaufen und nicht am Implantat inserieren oder anhaften. Die Implantatverankerung ist prim\u00e4r osseointegriert. Das periimplant\u00e4re Bindegewebe beinhaltet \u00fcberdies weniger Fibroblasten, aber mehr Kollagenfasern als die Gingiva [16] und entspricht strukturell auch deshalb eher einem Narbengewebe. [23]. Der Verbund mittels Saumepithel ist bei Implantaten l\u00e4nger und permeabler als bei Z\u00e4hnen, wohingegen die Gingiva mehr Blutgef\u00e4\u00dfe aufweist; strukturbiologische Eigenheiten, die periimplant\u00e4re Schleimh\u00e4ute zu einer erh\u00f6hten Anf\u00e4lligkeit gegen\u00fcber bakteriellen Infektionen pr\u00e4disponieren k\u00f6nnten [20]. Der Bestand nichtelastischer Kollagenfasern im unterliegenden Bindegewebe ist auch verantwortlich f\u00fcr das Vorhandensein keratinisierter Gewebe, wobei der Hauptteil desmodontaler Fasern des Zahnhalteapparats nichtelastisch kollagen ist. Aus diesem Grund baut sich normalerweise ein schmales Band an keratinisierter Gingiva wieder auf, auch wenn dieses chirurgisch vollst\u00e4ndig exzidiert wird. Um Implantate ist in vielen F\u00e4llen die periimplant\u00e4re Schleimhaut, trotz Keratinisierung, nicht am darunterliegenden Knochen befestigt. Das kann besonders dann beobachtet werden, wenn periimplant\u00e4re Gewebe hoch dimensioniert sind und die Grenze zwischen keratinisierter und bedeckender Schleimhaut in Relation zum periimplant\u00e4ren Knochenniveau entsprechend koronaler positioniert ist [24].<\/p>\n\n\n\n

Die Bedeutung keratinisierter Mukosa f\u00fcr die periimplant\u00e4re Gesundheit
<\/strong>Die Bedeutung einer ad\u00e4quaten Breite keratinisierter und\/oder befestigter Mukosa f\u00fcr die Aufrechterhaltung von Gesundheit respektive Langzeitstabilit\u00e4t periimplant\u00e4rer Gewebe wird vielfach diskutiert und kontrovers beschrieben [1-6, 8,9,11,12,15,18,19,21,22,27,28,29,30].
Fr\u00fche Studien zeigten, dass kein Vorhandensein keratinisierter und\/oder befestigter\/attached Mukosa (KAM) respektive deren sogenannte ad\u00e4quate Breite von 2\u2006mm f\u00fcr den Erfolg von Implantaten oder den Erhalt gesunder periimplant\u00e4rer Weichgewebe notwendig ist[1,12,29]. Vor allem wurden diese klinischen Erkenntnisse durch experimentelle Tierstudien bekr\u00e4ftigt, die keinen Unterschied periimplant\u00e4rer Weichgewebeverh\u00e4ltnisse fanden, unabh\u00e4ngig von der Anwesenheit oder der Breite der KAM. Auch eine Verdickung und Verbreiterung der Mukosa beeinflusste die periimplant\u00e4ren Weichgewebeverh\u00e4ltnisse nicht wesentlich [25].
Im Gegensatz dazu lassen vor allem neuere Untersuchungen darauf schlie\u00dfen, dass eine geringe Weite (< 2\u2006mm) an KAM periimplant\u00e4re Weich- als auch Hartgewebe anf\u00e4lliger f\u00fcr Entz\u00fcndungen und Abbau machen k\u00f6nnte. Eine inad\u00e4quat weite und dicke Mukosa kann eine Plaqueakkumulation erleichtern [2,4,14,17,36 [34\u201338] und in der Folge eine mukosale Entz\u00fcndung beg\u00fcnstigen [2,7,8,14,17,34, 36,37,39,40], was als Konsequenz das Risiko periimplant\u00e4ren Knochenverlustes oder Weichgeweberegressionen erh\u00f6hen k\u00f6nnte [2,17,30,36].
Es ist evident, dass die Weite periimplant\u00e4rer Mukosa auch einen Einfluss auf immunologische Faktoren hat [4,31]. Im Vergleich zur Gingiva scheint auch die peri-implant\u00e4re Mukosa geringere F\u00e4higkeiten im Aufbau einer Entz\u00fcndungsantwort gegen \u00e4u\u00dfere Einfl\u00fcsse zu haben [32]. Das zeigt umso mehr auch die Bedeutung optimaler und technisch richtiger Mundhygiene besonders auch bei eingeschr\u00e4nkter KAM, was auch durch Studien bei Patienten mit konsequenten, regelm\u00e4\u00dfig professionellen Betreuungsprogrammen best\u00e4tigt werden konnte [9]. Die optimale Mundhygiene scheint folgerichtig auch der wichtigste Faktor zur Aufrechterhaltung periimplant\u00e4rer Gesundheit zu sein, was der dentalen Situation entspricht .
Dies sollte auch im Zusammenhang mit j\u00fcngsten systematischen Reviews gesehen werden, die \u00fcbereinkommen, dass eine inad\u00e4quate Weite und Dicke periimplant\u00e4rer Weichgewebe (KAM) mit vermehrter Plaqueakkumulation, Entz\u00fcndung, Weichgeweberegression und Attachmentverlust assoziiert ist[5,11,12,29].
Obwohl die Evidenz f\u00fcr die Notwendigkeit, KAM zur Aufrechterhaltung von Implantatgesundheit und Gewebestabilit\u00e4t und damit \u00dcberlebensraten von Implantaten zu verbessern nach wie vor begrenzt und unschl\u00fcssig ist [9,22,28,43], kann eine \u00c4nderung der Qualit\u00e4t periimplant\u00e4rer Gewebe aus praktischen und klinischen Gr\u00fcnden, vor allem zur Etablierung einer optimalen Hygiene, von Vorteil oder auch notwendig sein.<\/p>\n\n\n\n

Techniken zur periimplant\u00e4ren Weichgewebsaugmentation
<\/strong>Im Allgemeinen k\u00f6nnen zwei Methoden zur Vermehrung von Weichgewebe um dentale Implantate unterschieden werden:<\/p>\n\n\n\n

  1. Ausweitung der Breite keratinisierter Mukosa (KAM) mittels apikalem Verschiebelappen und Vestibulumplastik kombiniert mit einem freien Schleimhauttransplantat oder allogenem\/xenogenem Transplantatmaterial.<\/li>
  2. Gewinn an Weichgewebevolumen durch Aufbau mit subepithelialen Bindegewebetransplantaten oder allogenen\/xenogenen Weichgewebs-Ersatzmaterialien.<\/li><\/ol>\n\n\n\n

    Sowohl freie Schleimhauttransplantate zur Verbreiterung als auch Bindegewebe-transplantate zur Verdickung von Gingiva und periimplant\u00e4rer Mukosa sind lange eingef\u00fchrt und umfassend in der Literatur beschrieben [17,7,26].
    F\u00fcr die Durchf\u00fchrung dieser Techniken zur \u00c4nderung der Weichgewebequalit\u00e4t um dentale Implantate sind unterschiedliche Zeitpunkte respektive Protokolle denkbar:<\/p>\n\n\n\n

    1. vor der eigentlichen Implantateinbringung zur Verbesserung insuffizienter Weichgewebe<\/li>
    2. w\u00e4hrend der Implantatinsertionsoperation<\/li>
    3. als Teil der \u201esecond-stage surgery\u201c respektive Implantater\u00f6ffnung<\/li>
    4. im Rahmen eines Komplikationsmanagements bei bereits in Funktion stehenden Implantversorgungen (Weichgeweberegressionen oder Entz\u00fcndungen)<\/li><\/ol>\n\n\n\n

      Apikaler Verschiebelappen\/Vestibulumplastik mit Transplantat zur Verbreiterung keratinisierter Mukosa
      <\/strong>Ziel dieser Technik ist es, ein ausreichend breites Band an keratinisierter Mukosa (vornehmlich vestibul\u00e4r) zu schaffen, um damit eine ad\u00e4quate Mundhygiene zu erleichtern oder \u00fcberhaupt erst zu gew\u00e4hrleisten (Abb.\u20061 und 2).
      Operativ wird mittels Vestibulumplastik respektive apikal positioniertem Lappen ein Empf\u00e4ngerbett aufbereitet, worin ein Transplantat als Mediator zur Weichgewebsaugmentation und Entwicklung ad\u00e4quater KAM eingebracht wird (Abb.\u20063 bis\u202f5).
      Vorzugsweise sollte ein schmales Band keratinisierten Gewebes am koronal-marginalen Rand des Implantats vorhanden sein. Ein d\u00fcnn pr\u00e4parierter Spaltlappen kann exzidiert oder hoch im Vestibulum an der Basis vern\u00e4ht werden, sodass ein ausreichend tiefes Vestibulum f\u00fcr einen guten Mundhygienezugang kreiert wird. Das Empf\u00e4ngerbett ist idealerweise nur mit Periost bedeckt, Dr\u00fcsen-, Fett-, und Muskelgewebe sind vollst\u00e4ndig entfernt. Dieses wird in maximaler Ausdehnung vom Transplantat (Wundkontraktion und Schrumpfung) belegt.
      Es ist f\u00fcr eine optimale Wundheilung bedeutsam, das Transplantat so immobil als auch so dicht wie m\u00f6glich an die Unterlage zu fixieren, sodass kein interponiertes Blutkoagulum und keine Bewegung den Einheilprozess st\u00f6ren k\u00f6nnen. Dies kann mittels Einzelknopf- und Paketn\u00e4hten erfolgen. Ein Wundverband ist nicht notwendig (Abb.\u20066 bis 8). Das klinische Ziel, eine verbreiterte keratinisierte Mukosa und ein vertieftes Vestibulum als Gew\u00e4hr einer ad\u00e4quaten vornehmlich h\u00e4uslichen Eigenhygiene, wird damit erreicht (Abb.\u20069). Als Transplantate stehen Eigengewebe (freies Gaumen-Schleimhauttransplantat) oder allogene\/xenogene Ersatzgewebe zur Verf\u00fcgung.<\/p>\n\n\n