{"id":7661,"date":"2022-11-23T15:24:20","date_gmt":"2022-11-23T14:24:20","guid":{"rendered":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/?p=7661"},"modified":"2022-12-07T21:16:15","modified_gmt":"2022-12-07T20:16:15","slug":"good-better-routine","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/teamwork-zahnmedizin.de\/good-better-routine\/","title":{"rendered":"Good & Better-Routine"},"content":{"rendered":"\n

Die Welle der exponentiellen Entwicklungen in der Medizin baut sich seit einigen Jahren auf und wird in der n\u00e4chsten Dekade einiges an Kraft entfalten. Diese Welle bringt enormes Entwicklungspotenzial mit sich, wird aber auch sehr viele Strukturen neu sortieren und uns Zahn\u00e4rzte als Unternehmer und Teamleader vor bedeutende Herausforderungen stellen.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Speziell im zahnmedizinischen Sektor ist diese Entwicklung besonders ausgepr\u00e4gt. Bei meinen verschiedenen Blickwinkeln auf den Gesundheitssektor in den vergangenen Jahren spielen f\u00fcr mich \u2013 im Vergleich zu anderen Sektoren \u2013 zwei Felder eine \u00fcbergeordnete Rolle f\u00fcr das \u00fcberdurchschnittliche Entwicklungspotenzial in der Zahnmedizin: die hohe Technikaffinit\u00e4t und -neugier bei Zahnmedizinern sowie ein etwas breiter ausgepr\u00e4gtes betriebswirtschaftliches Grundverst\u00e4ndnis auf dem dazugeh\u00f6rigen Spielfeld f\u00fcr unternehmerische Aktivit\u00e4ten.<\/p>\n\n\n\n

Die Herausforderungen sind nur im Team zu bew\u00e4ltigen<\/strong>
Trotz des eingangs erw\u00e4hnten Potenzials sollte man sich die Themen, die auf uns zukommen, etwas genauer anschauen. K\u00fcnstliche Intelligenz (KI) oder Automatisierung sind nat\u00fcrlich omnipr\u00e4sente Schlagworte. Diese finden nicht nur theoretisch den Weg in die Praxis, sondern sind bereits eingebettet in praktische L\u00f6sungen und somit auch in den ersten Praxen nutzbar.
In den Praxen werden viele Diskussionen \u00fcber Themen wie Patient Journeys, CRM-Systeme (Costumer Relationship Management) und digitale Workflows gef\u00fchrt. Der Patient r\u00fcckt (endlich) weiter in den Mittelpunkt vieler \u00dcberlegungen.
Hersteller und Industrie erforschen neue M\u00e4rkte abseits ihrer Kernprodukte. Wertsch\u00f6pfungsketten werden neu definiert.
Ganz nebenbei diversifizieren sich auch Wirtschaftsformen und Praxiskonzepte. Es ergeben sich neue Strukturen sowie neue M\u00f6glichkeiten im Hinblick auf die Arbeitswelt. Employer Branding, Cultural Fit und New Work sind gern genommene Buzzwords, um die Besonderheiten, Herausforderungen und aktuellen Mechanismen des Arbeitsmarktes zu beschreiben. Diese Beispiele lassen sich schon jetzt fast endlos fortf\u00fchren und weisen neben dem massiven Potenzial auch gleichzeitig auf das gr\u00f6\u00dfte Problem hin: Das einzig Stetige wird wohl der Wandel bleiben. Wir befinden uns bereits jetzt im Zeitalter der Diskontinuit\u00e4t.
Und selbst wenn man sich auf nur einen Teilaspekt aktueller und zuk\u00fcnftiger Entwicklungen fokussiert, ist meistens die genaue Ursache und Wirkung in diesem Bereich gar nicht so einfach zu erkl\u00e4ren oder gar herzuleiten. Wir Zahn\u00e4rzte k\u00f6nnen nur schwer das Gef\u00fchl ertragen, nicht die Kontrolle \u00fcber das Outcome zu haben; und das wiederum stellt uns vor sehr gro\u00dfe Herausforderungen. Dazu gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht zuerst: In jeder Praxis gibt es ein \u201eTool\u201c, das den entscheidenden Anteil an Erfolg oder Misserfolg tr\u00e4gt und dar\u00fcber entscheidet, ob die eigene Praxis mit allen m\u00f6glichen zuk\u00fcnftigen Entwicklungen zurechtkommen wird: das Team. Die Mitarbeiter sind in vielen F\u00e4llen das am meisten vernachl\u00e4ssigte \u201eTool\u201c, um eine Praxis auf einen sehr erfolgreichen Weg zu bringen und nicht nur widerstandsf\u00e4hig zu machen, sondern auch um Potenziale freizusetzen.
Das f\u00fchrt uns zeitgleich auch zur (vermeintlich) schlechten Nachricht: Ein Team mit dem Funktionsumfang eines Schweizer Taschenmessers, das l\u00e4uft wie ein Schweizer Uhrwerk und die entsprechende Kultur verk\u00f6rpert, findet sich nicht von selbst. Sollte man sich dieses aber zum Ziel machen, dann sind mitunter sehr viel Zeit sowie Energie n\u00f6tig und unter Umst\u00e4nden auch Geld, um einen Entwicklungsprozess auf den Weg zu bringen. Dazu ben\u00f6tigt es vor allem aber auch Handwerkszeug, das den wenigsten in die Wiege gelegt wurde und das nicht in den Curricula der universit\u00e4ren Einrichtungen gelehrt und in der Regel auch nicht in einer Schatulle vom Praxiseigent\u00fcmer an den Nachfolger zeremoniell weitergereicht wird.<\/p>\n\n\n\n

H\u00f6ren Sie gut zu!<\/strong>
Um Ihnen einen solchen Werkzeugkasten an die Hand zu geben, gen\u00fcgen nat\u00fcrlich keine zwei Seiten in einem Fachjournal, allerdings gibt es ein einzelnes, recht spannendes Werkzeug, auf das ich Sie gerne aufmerksam machen w\u00fcrde. Es ist in jeder Praxis vorhanden, in der Regel sogar doppelt, bringt keine Kosten mit sich, wird aber leider viel zu selten genutzt: das Ohr. Damit kann man dem eigenen Team zuh\u00f6ren. Das h\u00f6rt sich zun\u00e4chst recht simpel an, und ich betone es deshalb so, denn es gibt \u201ezuh\u00f6ren\u201c und \u201ezuh\u00f6ren\u201c. Teammitglieder haben in der Regel ein ausgesprochen gutes Gesp\u00fcr daf\u00fcr, ob Sie mit ihnen \u00fcber das Wetter reden und sich immer wieder pseudointeressiert nach den gleichen Themen erkundigen oder ob Ihrerseits ein tiefgreifendes Interesse besteht, Vorg\u00e4nge zu verstehen, Probleme aufzusp\u00fcren, Kritik zu empfangen und daraus auch Potenziale abzuleiten, um Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Auch das h\u00f6rt sich erstmal logisch an, die Kunst liegt aber darin, solche Abl\u00e4ufe \u00fcber den motivierten initialen Aufschlag hinweg zur Routine und damit zur DNA des eigenen Teams werden zu lassen. Wenn man es schafft, das Thema \u201ezuh\u00f6ren \u2013 empfangen \u2013 umsetzen\u201c nachhaltig zu implementieren und es fest in Routinen zu integrieren, wird der geschaffene Mehrwert die investierte Arbeit bei Weitem \u00fcbersteigen. Was dabei hilft: nicht alles sofort zu wollen und klein anzufangen und sich auch bewusst werden, dass Ver\u00e4nderungsprozesse inkrementelle Kreisl\u00e4ufe sind und kein Kurzstreckenlauf.<\/p>\n\n\n\n

Wie k\u00f6nnte ein erster Schritt aussehen?<\/strong>
Ich habe extrem gute Erfahrungen mit folgender \u201eGood & Better\u201c-Routine gemacht. Das komplette Team \u2013 ich meine wirklich alle \u2013 trifft sich zum regelm\u00e4\u00dfigen Meeting. Bei gr\u00f6\u00dferen Teams ab zw\u00f6lf Personen kann man auch unterteilen; es geht aber auch mit 20 oder mehr Mitarbeitern, wenn man ge\u00fcbt ist.
Jeder Teilnehmer erh\u00e4lt zwei verschiedenfarbige Haftnotiz-Stapel. Jeder notiert in f\u00fcnf Minuten Still-Arbeit auf einer Farbe f\u00fcr sich Dinge, die gut laufen. Auf der anderen Farbe werden Punkte gesammelt, die besser laufen k\u00f6nnten; jeder Punkt als Schlagwort auf einem einzelnen Haftnotizzettel.
Dann stellt jeder kurz die Punkte vor und sortiert sie zu den Kategorien \u201eGood\u201c oder \u201eBetter\u201c an die Wand. Doppelnennungen werden aggregiert. Am Ende fasst eine Person alles zusammen, und es wird eine Liste erstellt, in der die Punkte vermerkt werden, die gut laufen, und diejenigen Punkte, die besser laufen k\u00f6nnten. Bei den \u201eBesser-Themen\u201c wird konkret definiert, bis wann wie und durch wen sie verbessert werden k\u00f6nnten. Achtung Falle! Bitte an der Stelle nicht den Chef raush\u00e4ngen lassen. Auch hier bietet es sich an, Vorschl\u00e4ge anzuh\u00f6ren und nicht zu bestimmen, wie es zu laufen hat.
Beim n\u00e4chsten Meeting \u2013 diese finden alle sieben, 14 oder auch 28 Tage statt \u2013 wird als erstes die Liste kontrolliert und abgehakt, was ge\u00e4ndert werden konnte, besprochen, was schwierig bleibt oder wo noch nachgebessert werden muss. Dann geht das Spiel von vorne los. Wird nie langweilig. Versprochen!<\/p>\n\n\n\n

Prozess mit positiven Effekten<\/strong>
Die Effekte sind offensichtlich. Zuh\u00f6ren wird strukturiert und dadurch deutlich einfacher. Auf der anderen Seite geht das Adressieren von Problemen einfacher von den Lippen, da es unpers\u00f6nlicher wird. Wir reden ja nicht dar\u00fcber, was schiefl\u00e4uft, sondern was besser werden kann. Und auch Mitarbeiter, die immer wieder in der zweiten Reihe \u201euntergehen\u201c, haben pl\u00f6tzlich eine Stimme, werden geh\u00f6rt und merken, dass auch sie viel zur Verbesserung der Praxisabl\u00e4ufe beitragen k\u00f6nnen.
Diese Routine kontinuierlich aufrechtzuerhalten ist kein einfacher Prozess und muss stetig gelebt werden. Aber es lohnt sich, denn die positiven Effekte stellen sich bald ein, und damit realisiert das ganze Team sehr schnell, dass es funktioniert.
Den Motor eines funktionierenden Teams kann man langfristig und nachhaltig nicht mit einem Obstkorb, einem Kicker, einem K\u00fchlschrank mit Club Mate oder sonstigen Goodies am Leben halten. Funktioniert nicht, das wei\u00df ich aus eigener Erfahrung.<\/p>\n\n\n\n

Dr. Paul Hadrossek<\/strong> ist Zahnarzt und Digitalunternehmer. Nach Stationen in Versorgungsstrukturen (Klinik, Praxis, ZMVZ), im Start-up-Sektor mit Gr\u00fcnder- und Investorensicht ber\u00e4t Dr. Hadrossek \u00e4rztliche Kollegen, Start-ups, Investoren und Unternehmen im Gesundheitssektor bei Wachstumsfragen, Innovationen, digitalen Gesch\u00e4ftsmodellen und Kooperationen.<\/p>\n\n\n