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28.10.21

Zahnsubstanzerhalt ja – aber nicht um jeden Preis

Aspekte aus Sicht der Praxis

Dr. Jan Hajtó

Dr. Jan Hajtó

Es ist zu Recht das Ziel moderner Zahnheilkunde, Zahnsubstanz weitestgehend zu erhalten, denn kein Restaurationsmaterial ist der eigenen Zahnsubstanz gleichzusetzen. Dennoch definiere ich „substanzschonendes Arbeiten“ in Abhängigkeit von der jeweiligen Indikation. Dabei geht es um die Fragen: Was genau ist darunter zu verstehen? Wann macht maximale Sub­stanzschonung Sinn, und wann ist es dem Langzeiterfolg dienlicher, mehr Substanz abzutragen?
Aus meiner täglichen Praxis weiß ich, dass nicht nur ein Weg zum Ziel führt. Als Praktiker erlebe ich oft, dass maximale Substanzschonung auch Schwierigkeiten bereiten und unter Umständen sogar das Ergebnis negativ beeinflussen kann. So kann zum Beispiel der verständliche Patientenwunsch nach minimalinvasiver Behandlung – möglichst ohne Zahnsub­stanzverlust – dazu führen, dass ein kariöser Zahn nicht vollständig exkaviert wird, weil ein Teil der Karies im nicht sicht­baren Bereich liegt. Das wird das Ergebnis kompromittieren. Man muss manchmal die Kavität extendieren, um Karies vollständig zu entfernen. Es kommt vor, dass ich eine versteckte (Wurzel-)Karies entdecke, die ich vorher diagnostisch nicht erkennen konnte und auf die ich erst explorativ beim Aufschleifen des Zahns stoße.
Auch in meinem prothetischen Alltag gelingt es nicht immer, maximal minimal­invasiv zu arbeiten, denn ich muss, je nach Materialwahl, eine Mindeststärke einhalten, zum einen, damit die Restaurationen nicht frakturieren, und zum anderen, damit der Zahntechniker ausreichend Platz vorfindet, um eine funktionelle, ästhetische Restauration herzustellen. Hinzu kommt, dass minimalinvasives Präparieren sehr anspruchsvoll ist, einen Lernprozess voraussetzt und manuelles Geschick seitens des Behandlers erfordert.

Die Möglichkeit, Zahnsubstanz zu schonen, hängt vom jeweiligen Patientenfall ab. Dabei geht es im Wesentlichen um drei Aspekte: minimaler Zahnsubstanzabtrag, Haltbarkeit der Restauration beziehungsweise des Zahnaufbaus und Ästhetik. Alle drei Aspekte müssen in Einklang gebracht werden. Beeinträchtige ich aufgrund der Substanzschonung die Haltbarkeit, kann das Ergebnis da­runter leiden. Hat ein Patient stark verfärbte Zähne, sind hauchdünne Veneers kontra­in­diziert, da die Stumpffarbe nicht maskiert wird und durchschimmert. Und dies sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass gute Ergebnisse auch einen entsprechenden Substanzabtrag erfordern.

Was ist also wichtig, wenn man wenig oder gar keine Zahnsubstanz opfern möchte? Insbesondere im Frontzahnbereich gelingt substanzschonende Behandlung – in Verbindung mit einer kieferorthopädischen Therapie vorab –, sofern der Patient dazu die Geduld und das Budget aufbringen möchte. Dann kann im Anschluss relativ substanzschonend mit restaurativen Materialien präpariert und therapiert werden. „Non-Prep“-Restaurationen im Frontzahnbereich mache ich ganz selten und nur, wenn ich die Indikation dafür sehe, zum Beispiel bei Zapfen­zähnen oder Lücken. Meistens ist eher das Gegenteil der Fall – die Zähne stehen hervor oder sind verdreht. In diesen Fällen ist es fast unmöglich, den Patienten ohne jegliche Präparation prothetisch zu versorgen. Auch im Seitenzahnbereich bei Abrasionen sehe ich nur selten die Indikation für „Non-Prep“. Mittels minimaler Präparation und Anschrägung schaffe ich mehr Klebefläche und bessere optische Übergänge. Besteht der Patient auf „Non-Prep“, limitiert das die Möglichkeiten, die Situation funktionell und optisch zu verändern.

Dr. Jan Hajtó, München
hajto@dental-team-hajto.de
www. hajto.de

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