Teambericht

Labside & Prothetik

28.10.21

Der Wellenschliff

Präparationsform zur minimalinvasiven Versorgung der Unterkiefer-Frontzähne

Gesamtrestauration, minimalinvasiv, Okklusionsausgleich, Präparation, Repositions-Veneers, Unterkiefer-Frontzähne, VDO, Veneer, Vollkeramik

Dr. Michael Fischer, Ztm. Benjamin Votteler

03a&b – Grafische Darstellung des Pfullinger Wellenschliffs mit dem neu gedachten Präparationsdesign für Veneers im Unterkiefer-Frontzahnbereich. Vorteile: reduzierter Abtrag von Zahnsubstanz, vereinfachtes Handling in Praxis und Labor, kaum wahrnehmbarer Übergang zwischen Keramik und Zahn

Wird bei einer Gesamtrestauration im Ober- und Unterkiefer nach einer initialen Funktionstherapie ein dauerhafter Okklusionsausgleich angestrebt, sind in der Regel restaurative Maßnahmen indiziert. Je nach Indikation ist eine prothetische Versorgung respektive das Angleichen der vertikalen Dimension mit einem möglichst geringen Verlust an Zahnhartsubstanz anzustreben. Dazu haben die Entwicklungen in der Adhäsivtechnik viele Möglichkeiten eröffnet. Häufig werden die Molaren minimalinvasiv mit keramischen Repositions-Onlays oder Table-Tops aufgebaut. Im Frontzahnbereich können keramische Kronen oder Veneers adhäsiv eingegliedert werden. Müssen auch die Unterkiefer-Frontzähne der „neuen“ Funktionsebene (Okklusionsebene) angepasst werden, kann ebenfalls das Eingliedern keramischer Kronen oder Veneers) eine wenig invasive restaurative Maßnahme sein. Oft jedoch sind gerade im Unterkiefer-Frontzahnbereich die Präparation sowie das Einsetzen von Veneers eine Herausforderung. Vorgestellt wird eine neue Präparationsform für Veneers im Unterkiefer-Frontzahnbereich im Rahmen zweier komplexer Gesamtrestauration, der „Pfullinger Wellenschliff“.

Fragen zum Präparationsmethode
Lohnt sich der Aufwand in Bezug auf Kosten und Nutzen?

Dr. Michael Fischer: Zieht man den geringen Substanzabtrag, die eindeutige ­Positionierbarkeit während der labortechnischen Herstellung, das einfache adhäsive Eingliedern sowie die effektive Behandlungszeit am Stuhl in Betracht, dann lohnt sich der Aufwand, mittels Pfullinger Wellenschliff als Präparationsform zu arbeiten.

Die Indikationsgebiete von keramischen Veneers haben die Grenze einer rein ästhetisch begründeten Therapie längst überschritten. Aufgrund der Weiterentwicklungen in den Bereichen der keramischen Materialien sowie der Adhäsivtechnik werden Veneers heute oft im Rahmen einer restaurativen Therapie eingesetzt, zum Beispiel Repositions-Veneers. Dazu zählt beispielsweise die Abschlussbehandlung funktionstherapeutischer Maßnahmen. Selbstverständlich ist es nicht das generelle Ziel einer funktionstherapeutischen Behandlung, eine restaurative Therapie anzuschließen. Allerdings ist dies als Folgebehandlung in einigen Indikationen nicht auszuschließen, zum Beispiel bei einem erheblichen Verlust von Zahnsubstanz infolge Biokorrosion oder Bruxismus. Ist nach der erfolgreichen Funktionstherapie eine gleichmäßige okklusale Abstützung nicht gegeben, wird eine restaurative Abschlussbehandlung notwendig. Dafür können nach einer mini­malinvasiven Präparation prothetische Restaurationen auf dem Zahn befestigt werden. Eine Alternative mit gewissen Einschränkungen wäre das Tragen einer Okklusionsschiene (Abb. 1).
Die irreversible Maßnahme (prothetische Restaurationen) erfordert im Vorfeld eine Funktionsdiagnostik sowie die initiale Funktionstherapie, bei der die angestrebte okklusale Veränderung mittels reversibler Maßnahmen (Schiene, Langzeitprovisorium) simuliert wird. Die dauerhafte Stabilisierung der Situa­tion durch keramische Restaurationen wie Veneers beziehungweise Onlays wird mit der Intention eines möglichst geringen Zahnhartsubstanzabtrags realisiert. Als Restaurationsmaterial wird von den Autoren eine hochfeste Glaskeramik favorisiert. Die klinische Bewährung und die Überlebensdauer dieser funktionsstabilisierenden Maßnahme sind belegt [1, 2].

Wechselseitige Schutzokklusion
Insbesondere bei komplexen Gesamtrestaurationen ist in vielen Situationen eine Erhöhung der vertikalen Dimension (VDO, vertical dimension of occlusion) indiziert. Der prothetischen Restauration ist eine initiale Funktionstherapie vorgeschaltet, bei der unter anderem die anzustrebende VDO getestet wird. Nach erfolgreichem Abschluss der initialen Therapie wird die Situation mit weiterführenden restaurativen Maßnahmen stabilisiert. In die Planung und Umsetzung der Restaurationen fließen Überlegungen zum Gestalten der statischen und dynamischen Okklusion ein. Bei festsitzenden Restaurationen gilt das Konzept einer frontzahngeschützten Okklusion [16]. Dabei treten bei Laterotrusion und Protrusion dynamische Okklusionskontakte an Front- und Eckzähnen auf. Während bei der Protrusion – unter normaler Belastungsverteilung – die oberen Frontzähne führen, übernehmen bei der Latero-Protrusion die Eckzähne zusammen mit den Frontzähnen der Arbeitsseite und bei der Laterotrusion nur die Eckzähne die Führung. Die Seitenzähne diskludieren. Über den Mechanismus der Frontzahnführung werden die Seitenzähne vor hori­zontalen Überbelastungen während der Seitwärtsbewegungen geschützt. Daher spricht man von der „Frontzahnschutz­okklusion“. Hingegen fangen die horizontalen Kauflächen der Seitenzähne in der Regel die statischen Kräfte im Schlussbiss auf und schützen die Frontzähne vor protrusiver Überbelastung [15, 13]. Diese wechselseitige Schutzokklusion ist auch bei einer Erhöhung der vertikalen Dimension mit festsitzenden, parodontal abgestützten Restaurationen abzubilden. Um die posterioren Zähne beziehungsweise Restaurationen ausreichend zu schützen, ist ein fronteckzahngeführtes Okklu­sionsmuster anzustreben. Zwangsläufig müssen dafür oft die unteren Frontzähne über einen Schneidekantenaufbau verlängert werden, um einen korrekten Overjet und -bite erzielen zu können.

Keramisches ­Restaurationsmaterial
Der Aufbau der Zähne zum Erreichen einer Frontzahnschutzokklusion kann nach der Initialtherapie und dem Stabilisieren der VDO über keramische Restaurationen realisiert werden. Zu bevorzugen ist eine hochfeste Glaskeramik wie Lithium-Disilikat. Dabei handelt es sich um ein hoch belastbares Material mit einer höheren Biegefestigkeit als herkömm­liche Glaskeramik und einer geringeren Festigkeit als Zirkonoxid. Aufgrund der guten lichtoptischen Eigenschaften ist eine monolithische Gestaltung – kein Chipping – möglich. Zudem ist aufgrund der Materialkennwerte von einem schmelzähnlichen Verschleißverhalten auszugehen. Die Möglichkeiten der Adhäsivtechnik lassen eine weitestgehend substanzschonende Restauration zu. Die positiven Materialeigenschaften wie die hohe Bruchfestigkeit ermöglichen die Anwendung adhäsiv befestigter, nicht retentiv präparierter Molarenrestauratio­nen [6]. Diese sogenannten Okklusions-Onlays werden im Molarenbereich zum Wiederherstellen von durch Erosionen oder Attritionen geschädigten Kauflächen eingesetzt [8]. Sie unterscheiden sich von herkömmlichen Teilkronen und Kronen unter anderem durch eine geringere Extension nach zervikal. ­Okklusions-Onlays sind auf das Abdecken der Kaufläche beschränkt. Die geringe Extension führt zu einem reduzierten Zahnhartsubstanzverlust, wodurch beispielsweise die Pulpa geschützt wird. Im Unterkiefer-Frontzahngebiet kann mit dem vorgestellten Präparationskonzept des „Pfullinger Wellenschliffs“ (reduziertes Präparationsdesign) ein ähnliches Vorgehen angestrebt werden (Abb. 2).

Haftverbund und Adhäsivtechnik
Keramische Veneers werden vorzugsweise adhäsiv an den natürlichen Zähnen befestigt. Grundsätzlich basiert der adhäsive Halt an dem Zahn auf einem kraftschlüssigen Verbund. Mit der Adhäsivtechnik – dem Ätzen mit 30- bis 40%iger Phosphorsäure – erhält der Schmelz eine optimale Oberflächenmorphologie für mikromechanische Verankerung [9, 10, 17]. Mit Phosphorsäure wird eine Rautiefe erzeugt, die das retentive Ätzmuster ergibt. Von der Schmelzhaftung abzugrenzen ist die Dentinhaftung. Diese ist primär durch zwei Probleme erschwert: die Hydrophilie des Dentins sowie die Schmierschicht nach mechanischer Bearbeitung. Mit modernen Dentin-Adhäsivsystemen ist die Dentinhaftung möglich, jedoch ist eine Schmelzhaftung vorzuziehen. Es wird empfohlen, die Ränder der Präparation für einen optimalen Haftverbund in den Bereich des Schmelzes zu legen und die Schmelzprismen schräg anzuschneiden [3, 5].

Präparationsformen für ­Frontzahn-Veneers
Generell unterscheiden sich die Präparationstechniken bei Veneer-Versorgungen ebenso voneinander wie das Maß des Substanzabtrags. Unterscheiden lassen sich Veneers in konventionelle labiale Schalen, Teilveneers (Eckzahnaufbauten, Inzisalkanten-Aufbauten), palatinale Veneers zum Aufbau von Frontzahnführungsflächen, minimalinvasive „Additionale Veneers“, „Non-Präp“-Veneers, 360°-Veneers und adhäsiv zu befestigende Dreiviertelkronen [12].
Bei der Präparation des Zahns für die Aufnahme eines Veneers ist der Erhalt des Zahnschmelzes ein den Erfolg bestimmender Faktor [4, 11]. Dabei existieren klare Präparationsvorgaben, die je nach klinischer Situation angepasst werden können, zum Beispiel Okklusionsverhältnisse, Design des Veneers und Schichtstärke [7]. Beispielsweise gewährleistet eine palatinale Hohlkehle im inzisalen Bereich einen hohen Freiheitsgrad für das Festlegen der Inzisalkantenposition, zum Beispiel bei umfangreicheren Zahnhartsubstanzverlusten [14]. Auch die Präparationsdesigns für untere Frontzähne unterscheiden sich. So können die Zähne zum Beispiel nach dem sogenannten Medium-Wrap-Design präpariert werden. Der approximale Kontaktpunkt und somit die Zahnbreite bleiben weitestgehend erhalten und definieren das Breiten-Längen-Verhältnis des keramischen Veneers. Hingegen werden beim Long-Wrap-Design die Kontaktpunkte durch eine approximale Präparation aufgelöst, wodurch sich gestalterisch mehr Variationen ergeben [7]. Klassischerweise werden primär drei Präparationstypen für Veneers unterschieden:
Veneer-Präparation mit rein vestibulärer Schmelzreduktion, bei der die Inzisalkante in oro-vestibulärer Ausdehnung bis etwa zur Hälfte einbezogen wird („Kontaktlinsen-Veneers“)
Veneer-Präparation mit zusätzlicher inzisal-horizontaler Reduktion der Schneidekante (inzisale Stufe)
Veneer-Präparation mit zusätzlicher inzisal-horizontaler Reduktion und oraler Einfassung der Schneidekante (inzisale Überkuppelung). Wird vom Autor nicht empfohlen.

Zudem dienen im Rahmen einer restaurativen Therapie approximale, inzisale oder zervikale Teilveneers (Additionals oder Frontzahnchips) der funktionellen Wiederherstellung respektive dem Stabilisieren der bei der initialen Funktionstherapie erarbeiteten Situation. Grundsätzlich sollte die Präparation des Zahns für das Veneer gut geplant werden, zum Beispiel mit einem Wax-up. In die Überlegungen hinsichtlich des Designs fließen unterschiedliche Parameter ein, denn Form und Volumen des Abtrags sind abhängig von der individuellen Patientensituation sowie der Indikation. So ist beispielsweise bei einer ästhetisch indizierten Umfassung der Frontzähne mit keramischen Veneers auf eine gleichmäßige Schichtstärke zu achten. Hingegen besteht bei restaurativ begründeten beziehungsweise funktionskorrigierenden restaurativen Veneers – wie Aufbau Front-Eckzahnführung, Angleichung der VDO – häufig kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Präparationstiefe und Schichtdicke des Veneers. Das Veneer wird additiv aufgetragen und ergänzt verloren gegangene Zahnhartsubstanz. Grundsätzlich ist für die Planung einer Veneer-Präparation ein diagnostisches Wax-up empfehlenswert beziehungsweise wird mit therapeutischen Versorgungen aus Komposit im Vorfeld das Design der anzustrebenden Situation definiert.

Verlängerung der unteren ­Frontzähne mit Veneers
Im Rahmen von Gesamtrehabilitationen, die ein Anheben der vertikalen Distanz (VDO) erfordern, ist eine Verlängerung der unteren Frontzähne respektive der Inzisalkanten oft unumgänglich. Nur so kann wieder ein regulärer Overjet und Overbite realisiert werden. Als Maßnahmen für den Aufbau der Zähne sind bisher bekannt:

  1. Kompositaufbauten,
  2. Keramische Non-Präp-Veneers,
  3. Klassische Veneers,
  4. 360°-Veneers und
  5. Kronenpräparation.

Alternativ zu diesen bekannten Präparationsformen haben die Autoren eine modifizierte Präparationstechnik für untere Frontzähne etabliert, die bei Gesamtrestaurationen mit Erhöhung der Vertikalen angewandt wird.
Modifiziertes Präparationsdesign
Der „Pfullinger Wellenschliff“ stellt eine neue Methodik für die Präpara­tion von unteren Frontzähnen bei einem Schneidekantenaufbau dar (Abb. 3). Das Präparationsdesign entspricht einem Wellenschliff, wobei nur vestibulär beschliffen werden muss. Ein großer Vorteil dieses neu gedachten Präparationsdesigns ist, dass trotz geringer Invasivität stabile glaskeramische Restaurationen erarbeitet werden können. Zudem liegen die Präparationsränder komplett im Schmelzbereich und entfernt von der Gingiva. Die eindeutige Positionierbarkeit bei der Herstellung sowie während der adhäsiven Befestigung ist ein weiteres Argument für den Wellenschliff. Gegenüber Non-Präp-Veneers zum Aufbau einer funktionellen Fläche muss beim Wellenschliff etwas Zahnsubstanz beschliffen werden. Dafür jedoch ist das Handling für Zahnarzt und Zahntechniker einfacher. Außerdem ist der Übergang zwischen Zahn und Keramik dank des Wellenschliffs optisch kaum wahrzunehmen.

Patientenfall 1
Bei der Patientin wurde über eine funktionelle Initialtherapie die neue vertikale Bisshöhe mittels Schiene über einen Zeitraum von sechs Monaten etabliert (Abb. 4). Für den Aufbau der Zähne zum dauerhaften Stabilisieren der VDO waren keramische Restaurationen geplant. Im ersten prothetischen Therapieschritt sollten die Zähne im Oberkiefer versorgt werden. Dafür wurden alle Zähne präpariert, wobei ein substanzschonendes Vorgehen im Fokus stand. Im Seitenzahngebiet sollten eine Brücke (25 auf 27) und ansonsten Einzelkronen gefertigt werden. Die Oberkiefer-Frontzähne wurden für die Aufnahme von 360°-Veneers präpariert, da aufgrund der Bisshebung auch die palatinalen Bereiche in die Restauration eingebunden werden mussten.
Um die validierte Bisshöhe zu stabilisieren, erhielt die Patientin nach der Präparation im Oberkiefer beziehungsweise dem Einsetzen der provisorischen Versorgung die Schiene im Unterkiefer wieder eingegliedert. Im Labor wurden vollkeramische Restaurationen aus Lithium-Disilikat angefertigt und zugleich die noch nicht präparierten Zähne im Unterkiefer additiv aufgebaut. Es wurde eine Art „Deckel“ aus Komposit in entsprechender Morphologie und Bisshöhe angefertigt. Unmittelbar nach der adhäsiven Eingliederung der keramischen Restaurationen im Oberkiefer konnten diese temporären Versorgungen ohne Präparation auf den unteren Zähnen befestigt werden. Die Patientin erhielt so die Möglichkeit, die Situation – die neue VDO – nochmals zu testen; nun bereits mit neu versorgtem Oberkiefer.
Im zweiten prothetischen Therapieschritt wurden die Zähne im Unterkiefer präpariert. Im Frontzahnbereich (Zähne 34 bis 44) kam der Pfullinger Wellenschliff zur Anwendung (Abb. 5). Die Vorteile dieser Präparationsart in diesem Fall war die geringe Invasivität, das vereinfachte Handling bei der Herstellung der Frontzahn-Veneers sowie deren Eingliederung. Aufgrund des reduzierten Präparationsdesigns musste nur in den vestibulären Bereichen Substanz abgetragen werden. Der Wellenschliff erfordert Fingerspitzengefühl und Präzision – ein geringer zeitlicher Mehraufwand, der sich jedoch aufgrund der Vorteile, die diese Präparationsart mit sich bring, lohnt. Im Seitenzahnbereich wurden die Zähne für die Aufnahme einer Brücke von Zahn 45 auf Zahn 47 sowie für Kronen und Teilkronen von 35 bis 37 vorbereitet. Nach einer Überabformung (Abb. 6) wurde die Grundzahnfarbe als Basis für die Rohlingsauswahl bestimmt (Abb. 7).
Im Labor konnten die vollkeramischen Restaurationen in der Presstechnik hergestellt werden (Abb. 8 bis 11). Die exakte Bisshöhe wurde zuvor im Mund evaluiert. Herstellung und Eingliederung der Veneers gestalteten sich dank des Wellenschliffs deutlich einfacher als mit anderen Veneer-Präparationsarten, da die Restaurationen am Zahn eine definierte Position hatten. Die adhäsive Eingliederung folgte den bekannten Abläufen. Die keramischen Restaurationen wurden geätzt beziehungsweise für das Verkleben konditioniert (Abb. 12). Nach dem Reinigen der Zähne wurden die Oberflächen mit Phosphorsäuregel vorbereitet, abgespült und getrocknet, mit Primer vorbehandelt und es wurde Haftvermittler beziehungsweise Bonder aufgetragen (Abb. 13 bis 16). Nach dem Applizieren des Befestigungsmaterials konnten die Restaurationen eingegliedert und Materialüberschüsse entfernt ­werden (Abb. 17 bis 19). Nach der Lichthärtung wurden die Ränder geglättet und die approximalen Kontakte angepasst sowie final poliert (Abb. 20 bis 24). Dabei zeigte sich ein weiterer Vorteil des Pfullinger Wellenschliffs. Der Übergang zwischen Zahn und Keramik ist dank des „diffusen“, bewusst unregelmäßig angelegten Präparationsdesigns optisch kaum wahrzunehmen. Eine Kontrolle der funktionellen Gegebenheiten bildete den Abschluss der prothetischen Therapie. Die in der Initialphase stabilisierte neue vertikale Bisshöhe konnte 1:1 mit den ­keramischen Restaurationen übernommen werden (Abb. 25).

Patientenfall 2
Auch dieser Patient hatte eine stark abgesenkte vertikale Bisshöhe (Abb. 26). Mit einer funktionalen Initialtherapie mittels Schiene im Unterkiefer wurde eine neue Bisshöhe validiert. Nach Akzeptanz der Bisslage erfolgte die prothetische Rehabilitation, wobei erneut in zwei Phasen vorgegangen wurde. Die während der Init­ialphase erarbeitete Bisslage sollte mit keramischen Restaurationen dauerhaft stabilisiert werden. Im Oberkiefer sollten dafür die Zähne 15 bis 17 mit einer Brücke, 14 mit einer Krone und 24 mit einer Teilkrone versorgt werden. Für die Frontzähne waren 360°-Veneers geplant, um auch die Palatinalflächen aufbauen zu können.
Grundsätzlich ist es bei einer solchen Therapie unverzichtbar, während der prothetischen Phase die neue Bisshöhe zu erhalten. Daher wurde wie im ersten dargestellten Fall zunächst der Oberkiefer präpariert, mit Provisorien versorgt und im Unterkiefer die Schiene wieder eingegliedert. Nach der therapeutischen Phase wurden im Labor die vollkeramischen Restaurationen hergestellt. Während im vorangegangenen Fall indirekte temporäre Kompositrestaurationen („Deckel“) für die Unterkiefer-Frontzähne im Labor erstellt worden waren, kam in diesem Fall – ­aufgrund des vergleichsweise geringen Platzangebots – die direkte Methode zur Anwendung. Nach dem Einsetzen der vollkeramischen Restaurationen im Oberkiefer diente ein im Labor auf der Basis eines Wax-up hergestellter Silikonschlüssel (transparentes Formteil) dem Herstellen temporärer Chairside-Restaurationen aus lichthärtendem Komposit. Der Patient testete in den folgenden Wochen die Situation und die neue Bisslage.
Danach erfolgte die Präparation der Zähne im Unterkiefer. Die Zähne 46, 47, 35, 36 (Implantat), 37, 38 wurden für die Aufnahme von Kronen und 44/34 sowie 45 für Teilkronen (mit vestibulärem Wellenschliff) vorbereitet und die Frontzähne im Sinne eines optimalen Substanzerhalts nach dem „Pfullinger Wellenschliff“ präpariert (Abb. 27). Zahn 41 hatte bereits eine Krone, weshalb dort die Präparation nur leicht angepasst worden ist. Bei diesem Fall wurde ein reduzierter Wellenschliff vorgenommen. Das Herstellen der keramischen Restaurationen sowie die adhäsive Eingliederung folgten dem im Fall 1 beschriebenen Vorgehen (Abb. 28 bis 34).­ Erneut spielte der Wellenschliff seine Vorteile aus: vereinfachtes Handling in Praxis und Labor, geringe Invasivität sowie aufgrund des unregelmäßig verlaufenden Präparationsrands diffuser, augenscheinlich nicht sichtbarer Übergang zwischen Zahn und Keramik.

Diskussion
Der Aufbau der unteren Frontzähne beziehungsweise der Inzisalkanten im Rahmen einer komplexen Gesamttherapie mit Erhöhung der VDO erfordert zunächst immer eine Rehabilitationsphase. Erst nach dem Stabilisieren der vertikalen Bisshöhe, zum Beispiel mit Schiene oder Langzeittherapeutikum, erfolgt der dauerhafte Aufbau der Zähne. Die Autoren favorisieren dafür eine hochfeste Glaskeramik und präparieren die Zähne im Unterkiefer-Frontzahngebiet entsprechend dem im Artikel vorgestellten Wellenschliff. Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Methoden, die Frontzähne im Unterkiefer an die im Vorfeld validierte VDO anzugleichen.

  1. Funktionelle Kompositaufbauten
    Vorteil: minimalinvasives Vorgehen, jederzeit korrigierbar
    Nachteil: zahnmedizinisch anspruchsvoll (Schichttechnik, Oberflächengestaltung, Formgebung); Gefahr von erhöhtem Abrasionsverhalten/Komposit; Risiko von Verfärbungen beziehungsweise Einschränkung der Ästhetik während der Tragedauer
  2. Keramische Non-Präp-Veneers
    Vorteil: minimalinvasiv, abrasionsstabil, Farbe und Oberfläche langzeitstabil
    Nachteil: technisch sensitiv; sowohl klinisch als auch labortechnisch anspruchsvoll; Kontrolle der statischen und dynamischen Okklusion im Labor nur schwer möglich; Positionierbarkeit im Mund während des adhäsiven Eingliederns oft problematisch; reduzierter Haftverbund (Übergang meist in der Schmelz-Dentin-Grenze)
  3. Klassisches Veneer
    Vorteil: abrasionsstabil, Farbe und Oberfläche langzeitstabil, definierte Präparationsgrenze (keine dünn auslaufenden Keramikränder); einfaches Gingiva­management bei der Abformung
    Nachteil: vergleichsweise hohe Invasivität
  4. Neue Methode: Schneidekanten­aufbau mit Wellenschliff
    Vorteil: geringerer Substanzabtrag als bei klassischen Veneers; form-, farb- und oberflächenstabil; eindeutige Positionierbarkeit während der Herstellung sowie bei der adhäsiven Befestigung; Präparationsränder im oberen Zahndrittel (fern der Gingiva) sowie komplett im Schmelz (hohe Haftwerte); gutes Farbmanagement zwischen Zahn und Veneer (Präparation als Wellenschliff ist optisch schwieriger wahrzunehmen)
    Nachteil: Invasiver als Non-Präp-Methoden; Grundfarbe eines Zahns kann nicht verändert werden (ggf. vorab Bleaching)
  5. 360°-Veneer
    Vorteil: form-, farb- und oberflächenstabil; eindeutige Positionierbarkeit während der Herstellung sowie bei der adhäsiven Befestigung; gutes Farbmanagement zwischen Zahn und Veneer
    Nachteil: deutlich erhöhter Substanzabtrag
  6. Krone:
    Vorteil: form-, farb- und oberflächenstabil; eindeutige Positionierbarkeit während der Herstellung sowie bei der adhäsiven Befestigung; gutes Farbmanagement; Möglichkeit, die Grundfarbe des Pfeilerzahns zu kaschieren
    Nachteil: maximal invasiv mit allen bekannten Folgen für Zahn und Parodont

Fazit
Der im Artikel vorgestellte Wellenschliff ist eine neu gedachte Präparationsform für Unterkiefer-Frontzähne, die – bei entsprechender Voraussetzung – von den Autoren seit einiger Zeit erfolgreich für Unterkiefer-Frontzähne gewählt wird. Für diese Indikation liegt ein ausreichend langer Beobachtungszeitraum vor. Zudem wurde das Konzept in jüngster Zeit von den Autoren für Eckzähne im Oberkiefer angewandt.
Gegenüber anderen Präparationsmethoden zum Aufbau der Inzisalkanten ist das Zahnhartsubstanz schonende Vorgehen bei gleichzeitig vereinfachtem Handling in Praxis und Labor als vorteilhaft zu erachten (Tab. 1). Als Restaurationsmaterial für den irreversiblen Aufbau der Zähne bei einer komplexen restaurativen Gesamttherapie hat sich Lithium-Disilikat bewährt. Die Glaskeramik gewährleistet lichtoptische Möglichkeiten, die der natürlichen Zahnsubstanz sehr nahekommen. Die mechanischen Eigenschaften lassen einen langzeitstabilen, dauerhaften Aufbau der Zähne und somit in dargestellter Indikation einen dauerhaften Okklusionsausgleich (VDO) zu.

Literaturverzeichnis unter www.teamwork-media.de/literatur

PräparationsdesignSchonung
Zahnhartsubstanz
HandlingÄsthetikHaltbarkeit
für Kompositaufbauten+++
für Non-Präp-Veneers+++++++
für Veneers++++++
Pfullinger Wellenschliff+++++++
für 360°-Veneers++++++
für Kronen+++++
Übersicht zu verschiedenen Präparationsformen für Unterkiefer-Frontzähne im Rahmen einer restaurativen Therapie zum Angleich der Okklusionsebene

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