Teambericht

Labside & Prothetik

27.01.22

Kompensation ungünstiger Implantat­angulationen – zwei Fälle aus der Praxis

Abutments mit abgewinkeltem Schraubenkanal

abgewinkelter Schraubenkanal, Abutment, Implantat­prothetik

Dr. Martin Gollner, Ztm. Simon Schömer

01 – Darstellung des abgewinkelten Schraubenkanals am grafischen Beispiel einer implantatprothetischen Frontzahnrestauration. Der Schraubenkanalaustritt ist in den palatinalen Bereich verlegt.

Die moderne Implantologie ist von dem Wunsch geprägt, Indikationsgebiete zu erweitern. Es soll möglichst vielen Patienten eine sichere, langzeitstabile implantatprothetische Rehabilitation angeboten werden ­können. Manchmal sind die klinischen Gegebenheiten jedoch nicht optimal, um implantatchirurgische und prothetische Anforderungen in Einklang zu bringen. Für diese Fälle braucht es individuell gestaltbare Komponenten, die dennoch eine ästhetische Versorgung ermöglichen.

Für langzeitstabile Implantatprothetik stehen im Rahmen der Knochenaugmentation und des Weichgewebemanagements unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung, die vielfältige Möglichkeiten eröffnen. Zusätzlich werden zu den chi­rurgischen Vorgehensweisen prothetische Komponenten, Fertigungstechnologien sowie Restaurationsmaterialien stetig weiterentwickelt; dazu zählen individuelle Abutments, Titanbasen, moderne Keramiken, CAD/CAM-Fertigung et cetera. Fokus der Optimierungen liegt auf Funktion, Ästhetik und Sicherheit. So wird unter anderem der Verbindung zwischen Implantat und prothetischer Restauration hohe Beachtung gezollt. Unterschieden werden kann zwischen externen und internen Verbindungen, wobei externe Verbindungen eine geringere Langlebigkeit und Bruchfestigkeit zeigen [1, 7, 8]. Grundsätzlich kann die prothetische Restauration auf dem Implantat zementiert oder verschraubt verankert werden.
Für die Entscheidung sind verschiedene Gesichtspunkte zu betrachten, zum Beispiel parodontale, funktionelle und ästhetische Gegebenheiten. Letztlich muss die Suprastruktur derart gestaltet werden können, dass eine optimale Reinigungsmöglichkeit, eine ausreichend hohe Stabilität, eine angemessene funktionelle axiale Belastung des Implantats und eine gute Ästhetik vereint werden. Als Vorteil des Verschraubens gilt die bedingte Abnehmbarkeit, die eine dauerhafte Befestigung ermöglicht und zugleich eine Entnahme der Suprakonstruktion zulässt, zum Beispiel im Falle einer Komplikation. Zudem wird mit dem Verschrauben das Risiko umgangen, das aus einer Zementierung resultieren kann [8, 9, 10].
Ein Nachteil verschraubter Restaurationen besteht in der Forderung einer achsengerechten Implantatposition, um ästhetische Limitationen durch einen nach vestibulär ausgerichteten Schraubenkanal zu vermeiden. Bei einer ungünstigen Inklination der Implantatachse stellt dies eine Herausforderung dar. In solchen Situationen können Abutments mit abgewinkeltem Schraubenkanal (zum Beispiel ASC Flex, Medentika) ein Lösungsweg sein. Diese Abutments bieten die Möglichkeit, den Schraubenkanalaustritt – bis zu einem gewissen Maße – den klinischen Gegebenheiten anzupassen. Der Schraubenkanal kann idealisiert positioniert werden – ästhetisch und funktionell –, ohne die Anforderungen an das Abutmentdesign, zum Beispiel biomechanische Parameter, außer Acht zu lassen.

Prothetisch orientierte ­Implantatprothetik
Während einst das Knochenangebot maßgeblich die Implantatposition bestimmte, wird heute das Implantat strategisch so in den Kieferkamm geplant, dass im Dentallabor eine optimale prothetische Restauration gefertigt werden kann. Die prothetische Orientierung der Implantatposition hat aber nicht nur ästhetische und funktionelle Vorteile, sondern unterstützt zugleich den Langzeiterfolg der Implantattherapie. Idealerweise können biologische und prothetische Gegebenheiten vereint und mit der Implantatposition und -achsausrichtung ideale Voraussetzungen geschaffen werden, zum Beispiel hinsichtlich der Reinigungsmöglichkeit und der Ästhetik. Doch nicht immer sind optimale Bedingungen gegeben. So kann beispielsweise das prothetisch orientierte Positionieren eines Implantats im Kiefer, welches verschraubt versorgt werden soll, vor allem bei schwierigen anatomischen Gegebenheiten eine ­Herausforderung sein. Der Schraubenkanal sollte die Ästhetik nicht beeinträchtigen. Zugleich muss eine ausreichende Stabilität erzielt werden.

Hybridabutment als Implantat-Aufbauelement
Individuelle CAD/CAM-Abutments gelten in den meisten Indikationen als State of the Art. Emergenzprofil, Form und Dimension lassen sich individuell der Situation anpassen. Insbesondere die zweiteilige Gestaltung über ein Hybridabutment hat sich in den vergangenen Jahren etabliert. Hybridabutments bestehen aus der Titanklebebasis und einem keramischen Aufbau. Grundsätzlich haben sich Hybrid­abutments als ähnlich stabil erwiesen wie einteilige Titanabutments [5, 6]. Ein Vorteil ist, dass die Verbindung zum Implantat in Titan gestaltet ist. Titan (Abut­ment) auf Titan (Implantat) – aus dieser Verbindung resultiert ein geringerer Verschleiß. Zudem zeigen Abutments mit Titanklebebasis weniger Abrieberscheinungen als einteilige Keramikabutments [17, 18]. Als keramisches Material für das Abutment kann Zirkonoxid verwendet und mit der Titanbasis verklebt werden [2 – 4].

Abutments mit abgewinkeltem Schraubenkanal
Bei ungünstiger Inklination des Implantats sowie im Frontzahnbereich kann die angulierte Verschraubung des Hybrid­abutments mit dem Implantat – Angulated Screw Channel (ASC) – ein möglicher Weg sein, um den Schraubenkanal an einer nicht störenden Stelle austreten zu lassen. Das Verschrauben erfolgt auf Implantatniveau; der Schraubenkanalaustritt wird auf einen ästhetisch und funktionell günstigen Bereich ausgerichtet, zum Beispiel die Palatinal- oder Okklusalfläche. Die Titanbasis ASC Flex (Medentika) – wahlweise mit oder ohne abgewinkeltem Schraubenkanal – ist kompatibel mit gängigen Implantatsystemen. Somit können Implantate, die diese Möglichkeit für den prothetischen Aufbau nicht bieten, in entsprechender Indikation versorgt werden.
Die Titanbasis ist für implantatprothetische Restaurationen entwickelt worden, bei denen im Frontzahnbereich oder bei ungünstiger Implantatposition das Verlegen des Schraubenkanals nach oral verlangt ist. Mit dem Abwinkeln des Schraubenkanals (bis maximal 25°) lässt sich durch eine Kugel-Torx-Schraubendreher-Aufnahme die Öffnung in ästhetisch und funktionell nicht so relevante Bereiche verlagern (Abb. 1). Da sich die Kaminhöhe in vier verschiedenen Längen (6,5 mm; 5,5 mm; 4,5 mm; 3,5 mm) individualisieren lässt, ist zusätzlich Flexibilität für das Herstellen der prothetischen Restauration gegeben. Der innenliegende Rotationsschutz sorgt für Stabilität und sichert die Positionierung der prothetischen Versorgung. Für die CAD/CAM-gestützte Herstellung von Hybridabutments kann mit den digitalen Biblio­theken von dentalwings, 3shape und exocad gearbeitet werden (Scanbodys). Alternativ ist der analoge Fertigungsweg möglich; es stehen entsprechende Kunststoffkappen für die Guss- und Presstechnik zur Verfügung. Anhand von zwei Patientenfällen werden mögliche Anwendungsbeispiele dargestellt.

Situation gerettet – Darstellung zweier Patientenfälle
Nicht immer sind die klinischen Gegebenheiten so optimal, dass sich implantatchirurgische und prothetische Anforderungen vereinen lassen. In diesen Situationen ist im Sinne des bestmöglichen Ergebnisses lösungsorientiert vorzugehen und gegebenenfalls auf Alternativen zurückzugreifen.

Fall 1: Implantatgetragene Brücke im Oberkiefer (ohne Rotationsschutz)
Die in regio 15 bis 17 inserierten Implantate (Promote, Camlog, ø 4,3 mm) sollten mit einer zu verschraubenden keramischen Brücke versorgt werden.
Nach der Implantatüberabformung und dem Herstellen des Implantatmodells mit abnehmbarer Zahnfleischmaske wurde der zum Implantat passende Scanbody (ASC Flex, Medentika) aufgeschraubt und die Situation im Laborscanner digitalisiert. In der CAD-Software konnte entsprechend der Situation eine in Form, Funktion und Ästhetik ideale Brückenrestauration konstruiert werden. Der Schraubenkanal der Titanbasis ASC Flex kann den Gegebenheiten angepasst und bis zu 25° abgewinkelt werden. Dies ermöglichte in diesem Fall eine Idealisierung des Schraubenaustritts in den okklusalen Bereich der Kronen (keine ästhetischen Einschränkungen und ausreichende Stabilität) (Abb. 2).
Die Herstellung der Restauration erfolgte aus Zirkonoxid. Die funktionellen Bereiche wurden monolithisch gestaltet und die vestibulären Anteile nach einem Cut-back mit Verblendkeramik individuell geschichtet. Der Schraubenkanal war komplett in Zirkonoxid gefasst. Nach der Fertigstellung der Brücke folgte das Vereinen mit den Titanbasen.
Die Gesamtstabilität einer Restauration auf Hybridabutments ist unter anderem von der Qualität der adhäsiven Verklebung abhängig. Hierbei beruht der Verbund zwischen Zirkonoxid und Titan auf einer mikromechanischen und einer chemischen Haftung. Zu beachten ist, dass sich Zirkonoxid in einem ganz wesentlichen Punkt von anderen Keramiken unterscheidet: Zirkon­oxid kann nicht geätzt werden [9]. Für eine adäquate Vorbehandlung wurde daher die Klebefläche mit Aluminiumoxid (Al₂O₃) korundgestrahlt [10, 11] ebenso wie die Klebefläche der Titanklebebasis nach dem Verschließen des Schraubenkanals. Die Anschlussgeometrie blieb unberührt. Nach der Vorbereitung der Klebeflächen erfolgte entsprechend dem Befestigungsprotokoll das Verkleben von Titanbasis und Keramikkrone auf dem Modell.
Danach lag die Aufmerksamkeit auf der Klebefuge und dem basalen Anteil. Dieser Bereich der Implantat-Abutment-Verbindung steht in direktem Kontakt mit dem periimplantären Weichgewebe und sollte daher im Rahmen der Abutment­herstellung eine entsprechende Gewichtung erhalten. Nach dem Entfernen von Überschüssen des Befestigungsmaterials wurde die Fuge mit Gummipolierern nachgearbeitet. Angestrebt werden sollte eine Oberflächenrauheit von circa 0,2  mm. Dieser Rauheitswert scheint optimal für die Anlagerung von Fibroblasten geeignet zu sein und eine nur geringe Plaqueanlagerung aufzuweisen (Abb. 3 bis 6) [15, 16].
Der entsprechenden Reinigung folgte das Verschrauben der implantatprothetischen Restauration im Mund. Hierfür steht für die ASC Flex das Eindrehinstrument Kugel-Torx zur Verfügung, welches beim Verschrauben eine entsprechende Kraftübertragung gewährleistet. Nach einer Kontrolle der mit den Implantaten verschraubten Restauration in regio 15 bis 17 wurden die beiden Schraubenkanäle im okklusalen Bereich mit medizinischem Teflonband und zahnfarbenem Komposit verschlossen. Durch die abgewinkelten Schraubenkanäle der Titanbasis ASC Flex (Medentika) konnte die aufgrund der anatomischen Gegebenheiten etwas ungünstige Implantatachsneigung optimal ausglichen werden (Abb. 7 bis 12).

Fall 2: Implantatgetragene Krone im Unterkiefer (mit Rotationsschutz Tube in Tube)
Die Titanbasis ASC Flex ist mit und ohne Rotationsschutz erhältlich. Zur Herstellung von Implantatkronen ist beispielsweise eine Tube-in-Tube-Verbindung zur Positionierung/ Rotationssicherung verfügbar. Die Kronen werden verdrehsicher auf dem Implantat fixiert. Durch den innenliegenden Rotationsschutz wird die Materialstärke der Restauration beibehalten; Sollbruchstellen werden vermieden. Im Fallbeispiel wurde das Implantat regio 37 (Promote, ø 4,3 mm, Camlog) mit einer vollkeramischen Krone auf der Titanbasis ASC Flex versorgt und dank des abgewinkelten Schraubenkanals konnte ein ästhetisch optimales prothetisches Ergebnis erzielt werden (Abb. 13 bis 18).

Fazit
Ein großer Vorteil von zweiteiligen Abutments (Hybridabutment auf einer Titanklebebasis) ist die Möglichkeit einer Verschraubung bei zugleich hohen ästhetischen Eigenschaften. Eine Titanklebebasis mit abgewinkeltem Schraubenkanal (ASC Flex) stellt eine gute Möglichkeit dar, in bestimmten Situationen die klinischen Voraussetzungen, die von der Positionierung des Implantats bestimmt sind, im Sinne einer optimalen prothetischen Versorgung anzupassen.

Literaturverzeichnis unter tw_2021_05_gollner_lit.pdf (teamwork-media.de)

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