Interview

Einblicke

14.09.22

Wenn’s schnell gehen muss

Füllungstherapie bei Kindern und Angstpatienten

Angspatienten, Füllungstherapie

Redaktion

Entwicklungen auf dem Gebiet der Füllungstherapie sind spannend – schließlich macht dieses Feld einen beträchtlichen Teil des zahnärztlichen Alltags aus. Dr. Rachida Siahi-Benlarbi, Spezialistin für Kinder- und Jugendzahnheilkunde sowie für die Behandlung von Angstpatienten, spricht über eine solche Innovation: das neue Komposithybrid Surefil one.

Frau Dr. Rachida Siahi-Benlarbi, Sie sind auf die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Angstpatienten spezialisiert. Welchen besonderen Herausforderungen sehen Sie sich bei diesen Patientengruppen gegenüber und wie wirken sie sich auf die Therapieoptionen aus?
Dr. Rachida Siahi-Benlarbi: Alle drei Gruppen haben eines gemeinsam: Man kann sie nur wirklich gut behandeln, wenn man ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufgebaut hat. Dafür ist eine ehrliche Kommunikation unerlässlich. Wenn ich beispielsweise einem Kind verspreche, dass „der Piekser gar nicht wehtun wird“, er dann aber doch Schmerzen verursacht, setze ich dieses Vertrauen aufs Spiel. So wird der kleine Patient von heute womöglich zum Angstpatienten von morgen. Am besten ist es natürlich, wenn man ohne Betäubung arbeiten kann – dann kommt man an dieser Stelle erst gar nicht in Erklärungsnot. Bei der Behandlung selbst lässt sich vereinfacht sagen: Wir müssen schnell arbeiten und wir müssen gut arbeiten. Schließlich sind Kinder nur für eine begrenzte Zeit behandlungsfähig. Als Faustregel kann man hier eine Behandlungsminute pro Lebensjahr ansetzen. Bei einem 5-Jährigen bleiben demnach also zum Beispiel nur fünf Minuten für die Kariesexkavation, das Legen der Matrize und das Einbringen und Polieren der Füllung. Vor diesem Hintergrund müssen auch die entsprechenden Werkstoffe schnell und gut zu verarbeiten sein.

Da Sie gerade die Füllungstherapie und die dazugehörigen Werkstoffe ansprechen: Worauf genau kommt es hier auf der Materialseite am meisten an?
Für mich kommt es vor allem auf gute Verarbeitungseigenschaften und schnelle Verarbeitungszeiten an. Darüber hinaus lege ich großen Wert auf die Studienlage zu Festigkeit und Lebensdauer [1]. Denn der Patient soll ja so versorgt werden, dass er mindestens etwa zwei Jahre Ruhe hat und nicht am nächsten Tag erneut mit postoperativen Beschwerden in der Praxis erscheint. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass das Füllungsmaterial regelmäßig eine Randgestaltung ohne Spaltbildung zulässt und eine möglichst geringe Polymerisationsschrumpfung aufweist.

Konnten Sie bereits eigene Erfahrungen mit dem neuen selbstadhäsiven Füllungsmaterial Surefil one sammeln? Wie lange arbeiten Sie schon mit dem Material und wie häufig kommt es in Ihrer Praxis zum Einsatz?
Seit November 2020 ist das Material bei mir in der Praxis tagtäglich in der Anwendung. Besonders regelmäßig kommt es bei der Behandlung von Kindern oder bei schwierigen Fällen zum Einsatz.

Und bei welchen Indikationen kommt es bei Ihnen zum Einsatz?
Die klassische Indikation ist sicherlich die Versorgung von Klasse-II-Kavitäten. Ich habe das Material aber auch bereits bei einem etwas sedierten Angstpatienten für eine Zahnhalsfüllung zum Einsatz gebracht. In diesem Fall konnte ich nicht vollständig exkavieren, da der Patient schon langsam wieder wacher wurde. Daher habe ich zu Surefil one gegriffen, denn dabei handelt es sich um einen schnell zu verarbeitenden und auch fluoridhaltigen Werkstoff. Diese Klasse-V-Versorgung hielt ausgesprochen gut und erwies sich bei der Nachuntersuchung drei Wochen später als einwandfrei. Früher hätte ich in diesem Fall zu einem anderen fluoridhaltigen Material gegriffen, nämlich Glasionomerzement (GIZ). Dann hätte ich allerdings schon etwa drei Monate später mit dem Karies-Monitoring per Röntgenaufnahme starten müssen. Dank Surefil one können wir diesen Zeitraum auf rund sechs Monate vergrößern – und das ist für einen Angstpatienten ein durchaus relevanter Faktor.

In Fällen wie diesem geben Sie Surefil one also den Vorzug vor GIZ, aber wie steht es ganz allgemein um den Vergleich mit den Alternativwerkstoffen Amalgam und GIZ?
Da es sich hierbei nicht nur um ein hochwertiges Komposithybrid handelt, sondern ich damit auch noch schneller als mit Amalgam bin, fällt mir die Entscheidung in mehrfacher Hinsicht leicht. Aber auch wenn man sich grundsätzlich als amalgamfreie Praxis positioniert, eröffnet Surefil one ganz neue Möglichkeiten. Immerhin fordert die Krankenkasse in diesem Fall, dass man eine entsprechende Alternative anbietet und im bleibenden Gebiss darf diese Alternative kein GIZ sein.

Welche Produkteigenschaften des Komposithybrids erleichtern ganz konkret den klinischen Behandlungsprozess?
Als wichtigster Punkt ist hier aus meiner Sicht ganz klar die kurze Verarbeitungszeit zu nennen. Das Anmischen mit eingerechnet, beträgt diese gerade einmal circa 1,5 Minuten, denn ich kann ja auf das Ätzen und Bonden verzichten, was ja bereits im Komposithybrid mit verarbeitet wurde als sogenanntes „selbstadhäsives dualhärtendes Füllungsmaterial„. Da das Füllungsmaterial zudem auch schnell abbindet, eignet es sich meines Erachtens auch dann sehr gut, wenn zum Beispiel ein Kind einen ausgeprägten Speichelfluss hat. Wenn wir ein Kind in Narkose legen, macht sich der Geschwindigkeitsvorteil ganz besonders bezahlt, denn wir versuchen, die Narkosedauer so gering wie möglich zu halten – 45 bis maximal 60 Minuten. Trotzdem fülle ich in dieser Zeit circa 10 bis 12 Zähne, manchmal sogar bis zu 16. Dank Surefil one kann ich die Narkosedauer selbst dann verkürzen, weil es einfach schneller zu applizieren ist.

Wie werden sich diese Vorteile Ihrer Einschätzung nach auf die Wirtschaftlichkeit der Praxis auswirken?
Allein aufgrund der Geschwindigkeit, mit der man arbeiten kann, kann sich das auch in wirtschaftlicher Hinsicht bemerkbar machen. Bei einem Kind benötige ich nur circa fünf Minuten, bei einem erwachsenen Kassenpatienten nur circa 15 bis 20 Minuten.

Wo genau verläuft eigentlich die Grenze vom Komposithybrid zur adhäsiven Komposittechnologie?
Diese Grenze zieht bei uns der Patient im Rahmen der Aufklärung selbst. Ich weise ihn auf die verschiedenen Möglichkeiten hin und erkläre, wann Surefil one – je nach dem konkreten Einzelfall – aus meiner Sicht wirtschaftlich (da im Regelfall von der Krankenkasse übernommen) und zweckmäßig ist. Aber selbstverständlich gebe ich auch zu bedenken, dass es laut Studienlage einen Goldstandard gibt. Und das sind ganz einfach die Dauerfüllungsmaterialien, die auf Basis von Langzeitstudien am längsten im Mund verweilen. Dazu zählen unter anderem Ceram.x Spectra ST und Dyract extra.

Wie entscheiden sich Ihre Patienten angesichts dieser Datenlage?
Bei den Erwachsenen fällt die Entscheidung in fast 100 Prozent aller Fälle zugunsten von Ceram.x Spectra ST. Das ist meiner Meinung nach auch nicht verwunderlich, schließlich ist es eine sehr gute Option. Beim Milchgebiss ist es etwas anderes, da würde ich in der Regel zu Surefil one greifen. Im bleibenden Gebiss jedoch fällt die Wahl eigentlich meist auf Ceram.x Spectra ST. Die wenigen Ausnahmen stellen die Fälle dar, in denen die Patienten wirklich kein Geld haben, dann kommt auch bei bleibenden Zähnen mal Surefil one zum Einsatz. Doch wer es möglich machen kann – und sei es mittels Ratenzahlung –, der greift meiner Erfahrung nach eher zu Dauerfüllungsmaterialien wie Ceram.x Spectra ST.

Sie haben die Langzeitstudien zu Dyract und Ceram.x bereits erwähnt. Welche Langzeitprognose würden Sie denn mit Blick auf Surefil one wagen?
Erste Untersuchungen konnten ja bereits zeigen, dass sich Surefil one in puncto Festigkeit auf dem Niveau von Ceram.x Spectra ST bewegt [2]. Das gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich ein Kind mit diesem Werkstoff versorge. Denn so bekommt es eine zahnfarbene Füllung, die in der Regel mehr als zwei Jahre in situ bleibt. Stimmt die Mundhygiene, werde ich diese Füllungen meiner ersten Einschätzung nach selbst in zehn Jahren noch im Mund sehen. Ich könnte mir zum Beispiel sehr gut vorstellen, dass sich Surefil one als die bessere Therapieoption bei caries profunda-Behandlungen erweist. Denn erfahrungsgemäß hat die unmittelbare definitive Versorgung mit der Adhäsivtechnik hier sehr oft zu pulpitischen Beschwerden und letztendlich zu einer endodontischen Behandlung geführt. Aus diesem Grund ist man in diesen Fällen dazu übergegangen, eine zweizeitige caries profunda (cp) Behandlung durchzuführen, unabhängig von der Abrechnungsfähigkeit mit den Krankenkassen. Zunächst wurde der Zahn in der ersten Sitzung cp-behandelt (alias Applikation mit Calciumhydroxid) und provisorisch mit GIZ versorgt und erst nach acht bis zwölf Wochen fand in der zweiten Sitzung die definitive Versorgung mit adhäsiver Kompositfüllung statt. Mit Surefil one lässt sich nun ein einfacherer und wirtschaftlicherer Weg beschreiten: Ich kann direkt nach dem Applizieren von Calciumhydroxid, ohne den Zwischenschritt über GIZ, direkt mit Komposithybrid arbeiten und habe ein fluoridhaltiges Material, das aber eine deutlich längere Lebensdauer aufweist.

Wenn Sie die wichtigsten Punkte unseres Gesprächs in zwei Sätzen zusammenfassen müssten, wie würden sie lauten?
Ganz einfach: In der Kinderzahnheilkunde, der Alterszahnmedizin oder auch bei der Behandlung geistig oder körperlich eingeschränkter Patienten eröffnet uns ein selbstadhäsives Komposithybrid wie Surefil one gute Möglichkeiten. Damit ist es uns nun oftmals möglich, auch diese Patienten in kurzer Zeit mit hochwertigen Füllungen, adäquat zu versorgen.

Dr. Rachida Siahi-Benlarbi ist seit 2011 niedergelassen in eigener Praxis in Gießen und Referentin für Kinder- und Jugendzahnheilkunde. Seit 2009 ist sie Spezialistin mit Zusatzqualifikation für Kinder- und Jugendzahnheilkunde (DGK/DGZ). Von 2006–2011 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde am Zentrum für ZMK-Heilkunde der Justus-Liebig Universität Gießen.

[1] Wissenschaftliches Kompendium Surefil one, Dentsply Sirona. Zum Download abrufbar unter www.dentsplysirona.com/surefilone
[2] Prof. Frankenberger, 2018. Auftragsstudie für Dentsply Sirona. Daten auf Anfrage erhältlich.

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