Fachbericht

Endodontie

05.01.22

Wo suchen, wie finden, womit aufbereiten?

Wurzelkanäle mit länglich-ovalem Querschnitt

Priv.-Doz. Dr. Norbert Hofmann

05 – Zahn mit Wurzelbildung bis zum mittleren Wurzeldrittel: ausgehend vom Umriss der Wurzeloberfläche ergibt sich der Querschnitt des Wurzelkanals als verkleinertes Abbild.

Länglich ovale Wurzelkanalquerschnitte sollten nicht als ­Ausnahme, sondern eher als Regel aufgefasst werden. Der Behandler sollte die Ausgangsröntgenbilder auf Hinweise auf die entsprechende Kanalgeometrie hin auswerten. Neue Instrumente eröffnen den Weg, auch unregelmäßig geformte Kanalquerschnitte entsprechend ihrer Form aufzubereiten.

Die Europäische Gesellschaft für Endo­dontie fordert hinsichtlich der Wurzelkanalaufbereitung: „Der präparierte Kanal sollte den ursprünglichen Kanal umschließen.“ [16] Aufgrund dieser Anforderung haben viele Studien, nicht zu Unrecht, die Erhaltung oder Veränderung der Wurzelkanalkrümmung durch die Kanalaufbereitung untersucht, während der Querschnitt von Wurzelkanälen weniger Aufmerksamkeit gefunden hat.
Herkömmliche Wurzelkanalinstrumente weisen runde Querschnitte mit klar definierten Durchmessern und Konizitäten auf. Der Standardisierten Technik [21] zufolge soll die geometrisch definierte Form der Instrumente während der Aufbereitung auf den Wurzelkanal übertragen werden, sodass das geschaffene Lumen durch einen formkongruenten Füllstift ausgefüllt werden kann. Durch die Einführung der maschinellen Wurzelkanalaufbereitung mithilfe von NiTi-Instrumenten können solche geometrisch definierten Aufbereitungsformen auch bei gekrümmten Wurzelkanälen zumindest annähernd erzielt werden. Die Wurzelkanalfüllung mit formkongruenten Guttaperchaspitzen in Zentralstifttechnik erfreut sich somit zunehmender Beliebtheit. Diese Entwicklungen können den Behandler dazu verleiten, Wurzelkanäle durch die „Brille“ der konventionellen Aufbereitungstechnik zu betrachten und von einem runden Querschnitt der Kanäle auszugehen. Dies entspricht jedoch nicht der Realität!


Häufigkeit
Wu et al. [52] bestimmten die bukkolinguale und die mesiodistale Ausdehnung von Wurzelkanälen 1 bis 5 mm vom Apex entfernt. Über alle Zahngruppen gemittelt wiesen 25 Prozent der Wurzelkanäle längliche ovale Querschnitte auf ­(Relation bukkolinguale zu mesiodistale Ausdehnung ≥ 2) (Abb. 1 und 2). Die geringste Häufigkeit von ovalen Kanälen wurde bei oberen mittleren Schneidezähnen sowie bei Eckzähnen beobachtet. Bei den Eckzähnen tritt der ovale Kanalquerschnitt mög­licherweise erst im mittleren oder koro­nalen Wurzeldrittel auf. Auch bei oberen Prämolaren mit zwei Kanälen waren ovale Querschnitte eher selten. Demgegenüber wiesen obere Prämolaren mit einem Wurzelkanal, einzelne mesiobukkale oder der zweite mesiobukkale Kanal bei oberen Molaren, einzelne mesiale Kanäle bei unteren Molaren sowie ­untere Schneidezähne häufig, das heißt, in 50 bis 90 Prozent der Fälle (5 mm vom Apex), ­ovale Querschnitte auf.
Einwurzelige Prämolaren wiesen 1 und 2 mm vom Apex ovale Querschnitte (Relation bukkolingual zu mesiodistal 1,4 bzw. 1,8), 3 bis 7 mm vom Apex länglich ovale Querschnitte (Relation 2,2 bis 2,7) und 9 bis 13 mm vom Apex „flache“ Querschnitte auf (Relation > 3). Die Konizität des Kanals war in bukkolingualer Richtung stärker ausgeprägt als in mesiodistaler Richtung (Abb. 3). Selbst 1 mm vom Apex wurden bei Prämolaren maximal 25 Prozent der Kanalquerschnitte als rund klassifiziert; bei OK-Prämolaren mit einem Kanal traf dies sogar nur auf 6,7 Prozent der Kanalquerschnitte zu (Abb. 4).


Röntgenologische Hinweise
Die Bildung der Wurzeln beginnt an der Wurzeloberfläche. Mit fortschreitender Wurzelbildung ziehen sich die Odontoblasten nach zentral zurück und lassen schließlich die Pulpa übrig. Der Querschnitt des Wurzelkanals ergibt sich als verkleinertes Abbild des äußeren Umrisses der Wurzel­oberfläche (Abb. 5). In runden Wurzeln sind somit eher runde Wurzelkanäle zu erwarten, während länglich ovale Wurzeln dementsprechend ovale Wurzelkanäle aufweisen dürften. Bei Wurzeln mit konkaven Einziehungen sollte mit länglich ovalen Wurzelkanälen oder einer Aufspaltung in mehrere Wurzelkanäle gerechnet werden.
Röntgentomografische Aufnahmen erlauben in idealer Weise die Beurteilung des Wurzel- beziehungsweise Wurzelkanalquerschnitts, liegen jedoch nicht routinemäßig vor und sind wegen der Strahlenbelastung auch nicht standardmäßig zu fordern. Allerdings sollten Patienten routinemäßig befragt werden, ob zu früheren Zeitpunkten bereits aus anderen Gründen DVTs angefertigt wurden. Auch CTs (z. B. aus HNO-Indikation) können Aufschluss zumindest über die Wurzelform geben. Das Alter dieser Aufnahmen ist zweitrangig, da auch auf älteren Aufnahmen die Wurzelform und die damalige Kanalform beurteilt werden können.
Darüberhinaus können Zahnfilmaufnahmen Hinweise auf die Wurzel- beziehungsweise Kanalmorphologie geben. Abbildung 6 (Mitte) zeigt das Röntgenbild ­eines extrahierten Zahns 31. Distal weist die Außenkontur der Wurzel eine scharfe Begrenzung auf, während auf der mesia­len Seite zwei Konturlinien erkennbar sind (Wurzeldoppelkontur; rote Pfeile). Die Rekonstruktion des Zahns aus DVT-Daten zeigt, dass die Wurzel mesial eine konkave, distal eine konvexe Oberfläche aufweist (Abb. 6 links und rechts). Abbildung 7 stellt den Durchgang der Röntgenstrahlen etwa in der Mitte der Wurzel dar. Je nach Länge des Weges durch die Zahnhartsubstanz werden die Strahlen unterschiedlich stark abgeschwächt und führen dementsprechend zu einem unterschiedlichen Grauwert auf dem Röntgenbild (schematische Darstellung der Grauwerte am oberen Bildrand). Im Bereich der konvexen Wurzelkontur kommt es zu einem scharf begrenzten Übergang zwischen der Wurzel und der Umgebung. Demgegenüber werden im Bereich der Wurzelkonkavität die Röntgenstrahlen weniger abgeschwächt als in der Hauptmasse der Wurzel; dies ist als abgestufter Übergang der Grauwerte erkennbar und zeigt sich im Röntgenbild als Wurzeldoppelkontur.
Weitere Hinweise auf die Kanalmorphologie ergeben sich aus der röntgenologischen Darstellung des Wurzelkanals. Abrupte Änderungen der Breite oder Opazität des Wurzelkanals deuten auf eine Aufspaltung in zwei Kanäle oder die Vereinigung zweier Kanäle zu einem Kanal hin (Abb. 8).


Aufbereitung
Eine kreisrunde Aufbereitung von länglich-ovalen Wurzelkanälen mit einem Instrumentendurchmesser, der dem apikalen Kanaldurchmesser angepasst ist (Abb. 9a), hinterlässt bukkal und lingual nicht aufbereitet Kanalabschnitte (sogenannte „Finnen“) (Abb. 9b). Diese Abschnitte können Reste von Pulpagewebe (bei vitalen Fällen) oder ­mikrobielle Plaque (bei avitalen Fällen) enthalten und lassen sich nur durch die Wurzelkanalspülung reinigen und desinfizieren. Ausserdem können die bei der Kanalaufbereitung entstehenden Dentinspäne in diese Finnen (oder in Querverbindungen zwischen den Kanälen, ­sogenannte Isthmen) hinein verdichtet werden. ­Diese Ansammlung von Debris ist zwar bei Aufbereitung mit intermittierender Spülung wesentlich geringer (6,9 ± 4,2 % des Kanalvolumens [31]) als bei trockener Aufbereitung (29,2 ± 14, % [32]), kann jedoch auch durch nachfolgende Spülung mit einem Chelator oder durch aktivierte Spülung lediglich reduziert, aber nicht vollständig entfernt werden [14, 23, 31].
Selbst bei Gelingen der Reinigung und Desinfektion der Finnen werden ­diese vermutlich bestenfalls durch Sealer gefüllt. Unvollständig gereinigte und/oder gefüllte Finnen stellen jedoch vermutlich ­geradezu eine Autobahn für den Austausch von Flüssigkeit/die Pene­tration von Bakterien nach apikal dar (Abb. 10). Eine Vergrößerung des Aufbereitungsdurchmessers bis zur bukkolingua­len ­Kanalausdehnung im koronalen Abschnitt der Wurzel (Abb. 9a, gestrichelte Linie) wird in vielen Fällen zur ­Perforation der Wurzel führen oder zumindest ihre Stabilität gefährden. Es ist also in jedem Fall eine gleichmäßige Bearbeitung der Wurzelkanalwände zu einem länglich-ovalen Querschnitt anzustreben (Abb. 9c).


„Circumferential filing“
Stehen nur konventionelle Wurzelkanal­instrumente zur Verfügung, sollten diese bewusst an allen Teilen des Kanalquerschnitts, insbesondere aber an der bukkalen und lingualen Kanalwand, entlanggeführt werden, um eine Bearbeitung möglichst des gesamten Kanalumfangs zu erzielen. Hierbei muss vorgängig mit Lupenbrille, OP-Mikroskop oder taktil überprüft werden, ob die Zugangskavität den gesamten Kanalquerschnitt zugänglich macht. Abbildung 11 zeigt einen extrahierten Unterkieferfrontzahn, bei dem der stark länglich-ovale Wurzelkanal maschinell mit einem reziprokierenden Instrument und Spülung mit Wasser aufbereitet wurde. Nach Längsspaltung der Wurzel in bukkolingualer Richtung zeigt sich, dass trotz „circumferential filing“ an einigen Stellen unbearbeitete Kanalabschnitte mit Gewebsresten übriggeblieben sind (Abb. 11c und d).
Überprüft wurde der Erfolg des circumferential filing an distalen Wurzeln unterer Molaren mit länglich-ovalem Kanal. Hier waren trotz ­circumferential ­filing sowohl mit Handinstrumenten (Hed­ström-Feilen bis MAF ISO 40) als auch mit rotierenden NiTi-Instrumenten (Profile bis F4) hohe Anteile unbearbeiteter Wurzelkanalober­fläche zu beobachten. Die besten Ergebnisse wurden erzielt, wenn die rotierenden Instrumente so verwendet wurden, als würde die Wurzel zwei Kanäle aufweisen (in diesem Fall wurde das Instrument bewusst am bukkalen bzw. lingualen Kanalabschnitt entlanggeführt). Die ­Unterschiede zwischen den Aufbereitungstechniken waren nur bei Auswertung des gesamten Kanals statistisch ­signifikant, während im apikalen Segment (4 mm) keine signifikanten Unterschiede festzustellen waren (Abb. 12) [30].


„Circumferential filing“
Stehen nur konventionelle Wurzelkanal­instrumente zur Verfügung, sollten diese bewusst an allen Teilen des Kanalquerschnitts, insbesondere aber an der bukkalen und lingualen Kanalwand, entlanggeführt werden, um eine Bearbeitung möglichst des gesamten Kanalumfangs zu erzielen. Hierbei muss vorgängig mit Lupenbrille, OP-Mikroskop oder taktil überprüft werden, ob die Zugangskavität den gesamten Kanalquerschnitt zugänglich macht. Abbildung 11 zeigt einen extrahierten Unterkieferfrontzahn, bei dem der stark länglich-ovale Wurzelkanal maschinell mit einem reziprokierenden Instrument und Spülung mit Wasser aufbereitet wurde. Nach Längsspaltung der Wurzel in bukkolingualer Richtung zeigt sich, dass trotz „circumferential filing“ an einigen Stellen unbearbeitete Kanalabschnitte mit Gewebsresten übriggeblieben sind (Abb. 11c und d).
Überprüft wurde der Erfolg des circumferential filing an distalen Wurzeln unterer Molaren mit länglich-ovalem Kanal. Hier waren trotz ­circumferential ­filing sowohl mit Handinstrumenten (Hed­ström-Feilen bis MAF ISO 40) als auch mit rotierenden NiTi-Instrumenten (Profile bis F4) hohe Anteile unbearbeiteter Wurzelkanalober­fläche zu beobachten. Die besten Ergebnisse wurden erzielt, wenn die rotierenden Instrumente so verwendet wurden, als würde die Wurzel zwei Kanäle aufweisen (in diesem Fall wurde das Instrument bewusst am bukkalen bzw. lingualen Kanalabschnitt entlanggeführt). Die ­Unterschiede zwischen den Aufbereitungstechniken waren nur bei Auswertung des gesamten Kanals statistisch ­signifikant, während im apikalen Segment (4 mm) keine signifikanten Unterschiede festzustellen waren (Abb. 12) [30].


Self-adjusting File
Die Self-adjusting File (SAF, ReDent NOVA) ist das erste Instrument, das speziell für die Aufbereitung von Wurzelkanälen mit unregelmäßigem Querschnitt entwickelt wurde [27, 29]. Das Instrument besteht aus einem NiTi-Hohlzylinder von 1,5 mm oder 2 mm Durchmesser, dessen Wände jedoch nicht aus einer durchgehenden Metallschicht bestehen, sondern aus zwei schmalen, vom Schaft zur Spitze durchgehenden Streifen (Abb. 13a und c), die durch dünne, flexible, ­bogenförmige ­Maschen verbunden sind. Die durchgehenden Streifen laufen zu einer Instrumentenspitze zusammen, die auf der ­einen Zylinderwand und somit exzentrisch lokalisiert ist (Abb. 13).
Die Instrumentenspitze hat in vollständig zusammengedrücktem Zustand die Form eines Rechtecks von 0,12 x 0,16 mm; der Umfangskreis dieses Rechtecks hat ­einen Durchmesser von 0,2 mm. Nach Präparation eines Gleitpfads auf die Größe ISO 20/.02 kann das Instrument somit bis zur Arbeitslänge vorgeschoben werden. Infolge des rechteckigen Querschnitts dichtet das Instrument nicht gegen die Kanalwände ab und lässt Raum für den Rückfluss der Spüllösung. Die Wandstärke des Hohlzylinders beträgt 0,12 mm, die Oberflächenrauigkeit des Materials 2,8 µm ± 10 Prozent [19].
Ein spezieller Winkelstückkopf erzeugt entsprechend der Drehzahl (empfohlen sind 5 000 UPM) Oszillationsbewegungen parallel zur Instrumentenlängsachse mit einem Hub von 0,4 mm. Über eine Rutschkupplung wird eine langsame Rotation um die Instrumentenlängsachse erzeugt, sodass das Instrument nur dann weitergedreht wird, wenn es keinen zu starken Wandkontakt hat. Der Anwender führt das Instrument in den Wurzelkanal ein und führt langsame Auf- und Abbewegungen im Wurzelkanal von 4 bis 5 mm Länge aus. Beim Zurückziehen dreht sich das Instrument weiter und wird so in ­einer veränderten Stellung wieder in den Kanal vorgeschoben, wobei das Weiterdrehen des Instruments dem Anwender die Rückmeldung gibt, dass er das Instru­ment weit genug herausgezogen hat. Die Wurzelkanalwand wird durch die Vibration der rauen Instrumentenoberfläche abgetragen. Die Aufbereitung ist nach 4 min abgeschlossen. Falls es zu Beginn der Aufbereitung länger dauert, bis die Arbeitslänge erreicht ist, kann diese Zeit am Ende zugegeben werden. Wenn das Instrument beginnt, sich auch auf Arbeitslänge kontinuierlich um die Längsachse zu drehen, ist eine ­Größe des aufbereiteten Kanals erreicht, die keinen weiteren effizienten Abtrag mehr ermöglicht. In größeren Kanälen kann dann eventuell das Ins­trument mit dem größeren Durchmesser (2 mm) verwendet werden. In einem ovalen Kanal soll sich das 1,5 mm-Instrument an der schmalsten Stelle auf 0,2 mm zusammendrücken lassen und sich dabei in der anderen Richtung auf 2,4 mm Breite ausdehnen [27]. Bei den durchaus auftretenden größeren Kanalbreiten von bis zu 4 mm (Abb. 3) [17] ist durch die Expansion der SAF alleine noch keine Bearbeitung des gesamten Kanalumfangs zu erwarten.
Der Schaft des Instruments weist einen Schlauchanschluss auf, der die Applika­tion von Spüllösung durch den Hohlzylinder während der Aufbereitung ermöglicht.
Zur Vorbereitung der Wurzelkanäle bietet der Hersteller einen Eingangserweiterer (Pre-SAF OS) und zwei Gleitpfad­instrumente – Pre-SAF 1 (15/.02, nur bei sehr engen Kanälen) beziehungsweise Pre-SAF 2 (20/.04, nach Pre-SAF 1 oder bei mittleren Kanälen; ReDent NOVA) – an. Selbstverständlich kann der Anwender jedes beliebige Instrumentensystem nutzen, das er auch sonst zur ­Präparation eines Gleitpfads auf die erforderliche Größe von ISO 20 verwendet. Erfahrungsberichte liegen vor zur Verwendung rotierender NiTi-Instrumente wie zum Beispiel MTwo (VDW) 10/.04, 15/.05, Pathfiles 13/.02, 16/.02, 19/.2 (Maillefer), Endowave MGP 10/.02, 15/.02, 20/.02 (Morita) [46], ProFile 20/.04 (Maillefer) [24, 42] oder Hyflex CM 20/.04 (Coltène) [22]. Nach der Aufbereitung mit der SAF wird die Präparation einer apikalen Box (apikale Standardisierung), zum Beispiel mit Handinstrumenten aufsteigender Größe, diskutiert, um die Anpassung des Masterpoints zu erleichtern [42].
Bei der Vorbereitung sollte darauf geachtet werden, dass ein ovaler Kanal auch in seinem gesamten Umfang zugänglich ist. Wenn in einem länglich-ovalen ­Kanal bereits eine kreisrunde Aufbereitung durchgeführt wurde und deshalb „Finnen“ entstanden sind (Abb. 9b), wird die SAF in dieser kreisrunden Aufbereitung verbleiben und kann die Finnen nicht nachträglich erweitern und reinigen. Auch Kanäle, die in der Mitte der Wurzel einen stark länglich-ovalen Querschnitt bei eher rundem Zugang weiter koronal aufweisen (Abb. 10d), können vermutlich mit der SAF nicht komplett bearbeitet werden.
Die Überprüfung, ob alle Kanalwandabschnitte mechanisch bearbeitet wurden, wird heute bevorzugt mit der Technik der ­Mikrocomputertomografie (µCT) durchgeführt. Dabei werden die Aufnahmen vor und nach Aufbereitung überlagert und die Veränderungen nume­risch erfasst und optisch dargestellt [36]. Ein Wandabschnitt wird jedoch nur dann als bearbeitet erkannt, wenn der Abtrag mindestens so groß ist wie die Kanten­länge der kleinsten erfassten Volumeneinheit (Voxel). Bei den ersten Untersuchungen betrug die Voxelgröße 34 bis 39,2 µm, bei aktuellen Untersuchungen demgegenüber 14,7 bis 21 µm. Bei gleichem µCT-Datensatz führt die Auswertung mit kleinerer Voxelgröße (20 µm) zu geringeren Anteilen an unbearbeiteter Kanalwand als eine Auswertung zum Beispiel mit 34 µm Voxelgröße [33, 37]. Deshalb ist in den Abbildungen 14, 15 und 18 für jede Studie die ­benutzte Voxelgröße angegeben. Hierbei dürfte sich der Unterschied zwischen den Voxelgrößen 34 bis 39,2 µm weniger auswirken als der Unterschied zu den Auswertungen mit ≤ 21 µm ­Voxelgröße. Bei den Resultaten der Arbeitsgruppe Ove A. Peters und Frank Paqué ist kein statistischer Vergleich zwischen dem SAF-System und Vergleichsinstrumenten publiziert; angesichts der Streuungen dürfte jedoch kein signifikanter Unterschied zu erwarten sein [20, 30, 33, 35, 38, 39]. Es zeigt sich, dass bei Aufbereitung von (anatomisch vermeintlich einfachen) OK-Schneidezähnen bei Verwendung der SAF mit Durchmesser 1,5 mm knapp 40 bis 50 Prozent Kanalwand unbearbeitet bleiben, während mit der SAF mit Durchmesser 2 mm diese Werte unter 20 Prozent liegen (Abb. 14). Eine Verlängerung der Aufbereitungszeit von 4 auf 5 min steigert bei beiden den Substanzabtrag und reduziert den Anteil unbearbeiteter Kanalwand.
In weiteren Studien (Abb. 15) wurde bei Aufbereitung ovaler Kanäle in distalen Wurzeln unterer Molaren kein Unterschied zwischen SAF und Vergleichsinstrumenten hinsichtlich des Anteils unbearbeiteter Kanaloberfläche beobachtet [25, 43, 45], während an den mesialen Kanälen das Vergleichsinstrument ProTaper Next (Dent­sply Sirona) sogar ein besseres Ergebnis erzielen konnte [43]. Bei Aufbereitung von UK-Schneidezähnen mit einem ovalen Kanal erzielten SAF und Reciproc R25 (VDW) ein besseres Ergebnis als BioRace 25/.06 (FKG) [54]. Eine histologische Studie, fokussiert auf das apikale Drittel von UK-Schneidezähnen, führte zu Ergebnissen in ähnlicher Größenordnung wie die µCT-Analysen, und zeigte für das SAF-System signifikant geringere Anteile unbearbeiteter Kanalwand als das Vergleichssystem K3 (Sybron Endo) [15].


TRUShape
TRUShape (Dentsply Tulsa Dental Specialties) ist ein Instrumentensystem, das hierzulande nicht verfügbar ist. Auf eine weitere Erörterung soll daher in diesem Fall verzichtet werden.


XP-Endo Shaper/XP-Endo Finisher
Die Instrumente XP-Endo Shaper und Finisher (FKG Dentaire, SA) (Abb. 16) sind aus einer NiTi-Legierung mit Wärmebehandlung nach Herstellung des Instruments (MaxWire™) produziert [4, 55]. Bei Raumtemperatur in martensitischem Zustand gehen die Instrumente bis zur Af-Temperatur (Austenit finish) von 35 C° in die austenitische ­Kristallmodifikation über und nehmen dabei die bei der Herstellung vorgegebene Form an. Der XP-Endo Shaper hat an der Spitze einen Durchmesser von 0,3 mm und eine Konizität von einem Prozent. Das Instrument ist in einer ­Ebene plan, in der dazu senkrechten Ebene schlangenförmig gebogen. Bei voller Expansion des Instruments erreicht die „Hüllkurve“ (Envelope of motion) eine Konizität von acht Prozent [48].
Die Instrumentenspitze („Booster-Tip“) ist bis 0,15 mm von der Spitze entfernt rund und weist zwischen 0,15 und 0,35 mm von der Spitze sechs Schneiden auf. Die Durchmesser an diesen beiden Stellen betragen 0,15 beziehungsweise 0,3 mm. Im weiteren Verlauf weist das Ins­trument drei Schneiden auf (Abb. 17). Nach Herstellerempfehlung soll das In­strument mit 800 bis 1 000 UPM und ­einem Torque von maximal 1 Ncm betrieben werden. Es wurde aber auch über einen Einsatz bei 3 000 UPM berichtet [51]. Vor Verwendung ist zu überprüfen, ob ein Gleitpfad der ­Größe 15/.02 oder 10/.04 vorhanden ist [48]. Zur Präparation dieses Gleitpfads kann der Anwender neben Hand­instrumenten selbstverständlich ­seine gewohnten rotierenden/reziprokierenden Gleitpfadinstrumente verwenden.
In engen Kanälen kann das Instrument durch den Wandkontakt bis auf seine Konizität von nur einem Prozent zusammengedrückt werden und passt sich so dem Durchmesser des Kanals an. Das Instrument wird in langen gleichmäßigen Zügen im Kanal auf- und abbewegt und sollte auch in engen Kanälen in drei bis fünf Zügen die Arbeitslänge erreichen. Mit zehn weiteren Zügen soll der Kanal dann von Konizität zwei auf vier Prozent erweitert werden [48]. Mit jeweils zehn weiteren Zügen soll eine Vergrößerung der Konizität um zwei Prozent möglich sein. Bei Aufbereitung von mittleren UK-Schneidezähnen mit einem ovalen Kanal wurden bei Aufbereitung nach Herstellerempfehlung (fünf Arbeitszüge bis und zehn Arbeitszüge nach Erreichen der Arbeitslänge) bereits Konizitäten von sechs Prozent im unteren und mittleren Wurzeldrittel und von fünf Prozent im koronalen Drittel bei ­einem apikalen Durchmesser von 0,31 mm beobachtet; das Vergleichsinstrument (Vortex blue 30/.4) erzeugte eine durchgehende Konizität von vier Prozent und einen apikalen Durchmesser von 0,3 mm [6]. ­DeDeus et al. 2017 [11] verlängerten nach der Aufbereitung nach Herstellerempfehlung die Aufbereitungszeit dreimal um jeweils weitere 15 s und führten entsprechende Zwischenmessungen durch. Dabei war eine Zunahme des Volumens abgetragenen Dentins bei gleichzeitiger Reduktion des Anteils unbearbeiteter Kanalwand zu beobachten (Abb. 18). Die Konizität der Aufbereitung wurde in dieser Studie aller­dings nicht bestimmt.
Durch die Schlangenlinienform reinigt das Instrument die Wurzelkanalwand möglicherweise auch in unter sich gehenden Wandabschnitten (Abb. 10d) oder in durch interne Resorptionen entstandenen Lakunen. Hierzu liegen jedoch noch keine Studien vor.
Bei unteren mittleren Schneidezähnen mit einem ovalen Kanal wurde nach Aufbereitung mit XP-Endo Shaper ein geringerer Anteil unbearbeiteter Kanalwand beobachtet als bei Verwendung des Vergleichsinstruments (Vortex blue 30/.04) [6]. In einer Reihe weiterer Studien war der Unterschied zu Vergleichsinstrumenten nicht statistisch signifikant (Abb. 15, 18) [6, 25, 34, 40, 49, 50, 53].
Der XP-Endo Shaper ist auch in der Lage, Wurzelfüllungen aus Guttapercha zu entfernen. Hierbei muss am Kanaleingang zunächst ein Zugang zur Wurzelfüllung von einigen Millimetern Tiefe geschaffen werden („Ankörnen“ z. B. durch „Orifice Shaper“ oder durch erhitzte Instrumente wie Heat-Plugger). Der XP-Endo Shaper wird dann am Kanaleingang angesetzt, und die Umdrehungszahl wird kontinuierlich gesteigert, bis das Instrument in die Wurzelfüllung eindringt und diese entfernt. Als maximale Drehzahl werden 6 000 UPM angegeben. Anhand des Ausgangsröntgenbilds sollte zuvor die Länge der Wurzelfüllung – konkreter, die Länge des Guttaperchaanteils der Wurzelfüllung – abgeschätzt und mit Sicherheitsmarge auf die Längeneinstellung des Shaper übertragen werden. Eigenen Erfahrungen zufolge gelingt so die Entfernung von Gutta­percha aus Wurzelkanälen sehr gut und in sehr kurzer Zeit. In vitro entfernte der XP-Endo Shaper mehr ­Füllungsmaterial als Reciproc blue R25, wobei keines der Instrumente das gesamte Wurzelfüllungsmaterial entfernen konnte [13].
Die Anpassung eines Masterpoints für die anschließende Wurzelfüllung gelingt leichter, wenn nach der anatomisch angepassten Aufbereitung mit dem XP-Endo Shaper der Kanal apikal auf wenigen Milli­metern Länge standardisiert rund aufbereitet wird, sodass quasi eine apikale Box entsteht, die dem Masterpoint einen definierten Sitz verleiht. Hierzu können Edelstahlhandinstrumente aufsteigender Größe, aber auch für die maschinelle Aufbereitung konzipierte NiTi-Instrumente manuell – vorzugweise unter endome­trischer Kontrolle – eingesetzt werden [48].
Nach Aufbereitung des Kanals soll bei der Spülung die Spülflüssigkeit mit dem Instrument XP-Endo Finisher aktiviert werden. Das Instrument besteht aus dem gleichen Material (MaxWireTM), weist einen Durchmesser von 0,25 mm und eine Konizität von null Prozent auf. Bei Körpertemperatur nimmt es apikal auf 10 mm Länge eine ­Sichelform an; bei Rotation (empfohlen: 800 bis 1 000 UPM) soll die Hüllkurve der Bewegung einen Durchmesser von bis zu 3 mm annehmen [48]. Durch die Rotation liegt die Spitze immer unterschiedlichen Teilen des Kanalumfangs an und kann so Auflagerungen auf der Kanalwand entfernen, wie zum Beispiel bei der vorangegangenen Aufbereitung entstandene Dentinspäne (Debris), Reste der Pulpa, Biofilm, Medikamente wie Ca(OH)2, Antibiotkamischungen oder Reste einer vorhergehenden Wurzelfüllung. Bei Aufzweigungen von Kanälen rutscht das Ins­trument abwechselnd in den einen oder den anderen Kanal und kann dort gegebenenfalls zumindest Pulpareste entfernen. Dentin wird durch den XP-Endo Finisher nicht abgetragen [48]. Für Revisionsfälle steht auch eine Instrumentenversion mit 0,3 mm Durchmesser zur Verfügung (XP-Endo Finisher R).
In vitro entfernte der XP-Endo Shaper mehr Keime aus dem Wurzelkanal als eine einfache Spülung [7, 8, 47] und war mit ­einer Ultraschallaktivierung zumindest vergleichbar [2] oder sogar überlegen [5, 7]. Bei der Revision von Wurzelfüllungen bleiben nach Verwendung unterschiedlicher Instrumentensysteme in der Mehrzahl der Fälle Reste der alten Wurzelfüllung zurück. Hier entfernt der XP-Endo Finisher zusätz­liches Füllungsmaterial [1, 3, 10, 26, 44] und ist diesbezüglich miz einer ultraschallakti­vierten Spülung zumindest vergleichbar [9] oder dieser sogar überlegen [12].


Klinische Beispiele
Abbildung 19 dokumentiert die Vorbehandlung einer großen Läsion endodontischen Ursprungs. Mehrere ­Monate nach einer Intrusionsverletzung der Zähne 12 und 11 zeigte sich eine große Läsion endo­dontischen Ursprungs (Abb. 19a und b), deren Ausdehnung im DVT erkennbar wird (Abb. 19c und d). Nach der Messaufnahme wurde der Zugang bis auf den Umfang des Kanaleingangs erweitert (Abb. 19e und f).
Die Wurzelkanäle wurden ausschließlich mit dem Instrument XP-Endo Shaper aufbereitet und unter Verwendung des Instruments XP-Endo Finisher sowie der Saugspülung (EndoVac, Sybron Kerr) und NaOCl 2,5 Prozent gereinigt und desinfiziert. Die Wurzelkanalfüllung erfolgte mit einem hydraulischen Silikatzement (BC Sealer) und Guttaperchaspitzen (BC Points). Die Breite der Wurzelfüllungen dokumentiert die Anpassung des Aufbereitungsinstruments an die unterschiedlichen Wurzelkanäle.
Im Anschluss wurde in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universität Würzburg die Zystektomie durchgeführt und der Knochendefekt durch Beckenkammspongiosa aufgefüllt.
Abbildung 20 (oben) zeigt eine große Zyste im Unterkiefer im Bereich der Zähne 35 bis 43. Die genannten Zähne wurden wie vorgehend dargestellt aufbereitet, gereinigt, desinfiziert und gefüllt.
Aus Zeitgründen war der Abschluss der orthograden Behandlung des Zahns 44 vor Zyst­ektomie nicht möglich; wegen des langen Anfahrtsweges ließ der Patient wie WKF an 44 später beim Hauszahnarzt durchführen. Auf Basis der Kon­trollaufnahme zeigen die Rekonstruk­tionen der behandelten Zähne in der sagit­talen Ebene (Abb. 20 unten) die der ursprünglichen Anatomie entsprechenden Aufbereitungen. Insbesondere an den Zähnen 33 und 43 ist die Erhaltung der unter sich gehenden „Finnen“ ohne Erweiterung bis nach koronal erkennbar.
Danksagung: Frau Prof. Dr. Marianne ­Federlin, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universitätsklinikum Regensburg, danke ich für ihre Hilfe bei der Anfertigung der FESEM-Aufnahmen (Abb. 11c und d).

twm Veranstaltungen

Fortbildung

Curriculum Funktionsdiagnostik

Stabile, reproduzierbare Okklusion und gelungene Ästhetik


tw Newsletter

Service

Immer auf dem neuesten Stand

Mit unserem teamwork-Newsletter bleiben Sie immer auf dem Laufenden, mit aktuellen Entwicklungen und Nachrichten aus der Branche.


tw Abonnement

Service

Exklusive Inhalte

Als Abonnent erhalten Sie die aktuelle Ausgabe regelmäßig frei Haus geliefert und bekommen zusätzlich Zugriff auf exklusive Inhalte. Sie finden alle Abo-Angebote im Online-Shop unseres Mutterunternehmens Mediengruppe Oberfranken.


twm Bookshop

Bookshop

Fachbücher bestellen

Sie finden unser gesamtes Angebot an Fachbüchern im Online-Shop unseres Mutterunternehmens Mediengruppe Oberfranken im Bereich „Dental“ unter shop.mgo-fachverlage.de.


Anzeige

Fachbericht

Endodontie

05.01.22

Wo suchen, wie finden, womit aufbereiten?

Wurzelkanäle mit länglich-ovalem Querschnitt

Priv.-Doz. Dr. Norbert Hofmann

05 – Zahn mit Wurzelbildung bis zum mittleren Wurzeldrittel: ausgehend vom Umriss der Wurzeloberfläche ergibt sich der Querschnitt des Wurzelkanals als verkleinertes Abbild.

Weitere Beiträge zum Thema

Fachbericht

Endodontie

30.08.22

Zahnerhalt nach endodontischer Therapie

Der Erhalt vorgeschädigter Zähne erfordert oftmals endodontische Maßnahmen. Ein mikrobiell besiedeltes Pulpagewebe ist häufig Ausgangspunkt des Problems. Von dort – …

Fachbericht

Endodontie

05.01.22

Weitlumige ­Kanalsysteme – Ursachen und Therapieoptionen

Der vorliegende Artikel behandelt Prävalenz, Ursachen und ­Therapieoptionen bei weitlumigen Kanalsystemen. Dabei soll besonders auf Probleme und Lösungsmöglichkeiten bei der …

twm Veranstaltungen

Fortbildung

Curriculum Funktionsdiagnostik

Stabile, reproduzierbare Okklusion und gelungene Ästhetik


tw Newsletter

Service

Immer auf dem neuesten Stand

Mit unserem teamwork-Newsletter bleiben Sie immer auf dem Laufenden, mit aktuellen Entwicklungen und Nachrichten aus der Branche.


tw Abonnement

Service

Exklusive Inhalte

Als Abonnent erhalten Sie die aktuelle Ausgabe regelmäßig frei Haus geliefert und bekommen zusätzlich Zugriff auf exklusive Inhalte. Sie finden alle Abo-Angebote im Online-Shop unseres Mutterunternehmens Mediengruppe Oberfranken.


twm Bookshop

Bookshop

Fachbücher bestellen

Sie finden unser gesamtes Angebot an Fachbüchern im Online-Shop unseres Mutterunternehmens Mediengruppe Oberfranken im Bereich „Dental“ unter shop.mgo-fachverlage.de.


Anzeige