Fachbericht
Funktionsdiagnostik & CMD
22.02.22
Der nächste Schritt zum virtuellen Patienten
Digitale Erfassungssysteme zur Bewegungsaufzeichnung
CAD/CAM, digitale Axiographie, digitale Kiefergelenkserfassung, FGP-Technik, Kieferbewegungsdaten, virtueller Patient
Der digitale Workflow etabliert sich in der Praxis. Vorteile davon sind Zeitgewinn, Planungssicherheit, Präzision sowie Patientenmotivation. Eine wichtige Komponente hin auf dem Weg zum virtuellen Patienten ist die Aufzeichnung individueller Bewegungsmuster. In diesem Beitrag wird eine Auswahl an digitalen Bewegungsaufzeichnungssystemen, basierend auf unterschiedlichen Ansätzen, gezeigt. Dabei werden die Anwendung, Schnittstellen und Unterschiede sowie die Datengewinnung und -nutzung innerhalb einer CAD-Software erläutert.
Nachgefragt
Welche Vorteile bieten die digitalen Erfassungssysteme zur Bewegungsaufzeichnung?
Dragana Gerovac: Das Handling und die deutlich grazilere Gestaltung ermöglichen eine sicherere und präzisere Aufzeichnung der Bewegungsabläufe im Vergleich zur klassischen Axiographie. Dank der Möglichkeit, mühelos alle Freiheitsgrade und Kombinationsbewegungen aufzuzeichnen, kann sich das Behandlerteam im Rahmen der Diagnostik einen guten Gesamteindruck des Patienten verschaffen. Gleichzeitig lassen sich Verläufe präzise archivieren sowie die dokumentierten Daten zur Fertigung der Restauration anwenden.
Werden wir bald nur noch mit individuellen Bewegungsmustern statt mit Mittelwerten arbeiten?
Dr. Steffani Görl: Es ist nicht unrealistisch. Jedoch werden wir noch ein paar Jahre benötigen, bis es so weit ist. Gründe hierfür sind das entsprechende Equipment (Erfassungssystem, CAD-Tool) und dessen Integration in den Arbeitsablauf. Hinzu kommt, dass noch nicht klar ist, ob die benötigte Zeit für die Aufzeichnung durch weniger Einschleifzeit amortisiert wird. In der Neupositionierung von Patienten mit craniomandibulären Dysfunktionen werden bisher weiterhin manuell definierte Positionen angewendet, um pathologische Bewegungsmuster zu korrigieren.
Bisherige Verfahren der Bewegungserfassung
Im Rahmen der zahnärztlichen Untersuchung und Diagnostik spielt die Funktion des Kausystems eine entscheidende Rolle. Diese sollte nicht nur bei bestehender Schmerzsymptomatik oder funktionstherapeutischen Behandlungen, sondern auch bei restaurativen Eingriffen berücksichtigt werden [21]. Dabei nehmen die instrumentellen Bewegungsanalysen sowie die Okklusionsanalysen einen großen Raum ein.
Auf konventionellem Wege erfolgte die Analyse bisher mittels spezieller Messsysteme, durch intraorale Okklusionskontrolle in Statik und Dynamik sowie Auswertungen an Kiefermodellen, die in einen Artikulator montiert wurden. Aufwendige mechanische, meist sehr sperrige Apparaturen, die zur Gewinnung von individuellen Werten für die Artikulatorprogrammierung zum Einsatz kamen, waren meist sehr behandlersensitiv, erforderten regelmäßige Kalibrierungen und viel Erfahrung. Aufgrund der sperrigen Konstruktion zeigen diese Geräte Nachteile in Bezug auf Patientenkomfort und bargen zudem, nicht nur wegen ihrem Gewicht, die Gefahr, die Unterkieferbewegungen zu beeinflussen. Diese Aspekte führten zu fehlerhaften oder unvollständigen Datensätzen trotz des großen zeitlich-technischen Aufwands. Um dem Ziel, die genaue Situation wiederzugeben, möglichst nahe zu kommen, wurden patientenindividuelle Werte in den Artikulator übertragen. Dadurch sollte eine möglichst realitätsnahe Bewegungssimulation ermöglicht werden, um beispielsweise Zahnersatz anfertigen zu können, der eine interferenzfreie okklusale Gestaltung aufweist. Jedoch kann trotz individuell ermittelter Programmierungsdaten die orale Situation, mit ihren komplexen Bewegungsmustern, im analogen Artikulator nur annähernd wiedergegeben werden [19]. Auch Ergänzungen durch individuelle Kondylengehäuse oder Inzisalführungsteller konnten das Grundproblem der limitierten Bewegung des Artikulators nicht beseitigen.
Eine gute Alternative, um Zahnersatz mit einer weitestgehend interferenzfreien dynamischen Okklusion zu produzieren, stellt die sogenannte funktionsgeführte Pfad-Technik (FGP-Technik) dar, die eine möglichst realitätsnahe Bewegungssimulation anstrebt [18]. Zu beachten ist jedoch, dass sie aufgrund ihrer Voraussetzungen und zahlreichen Zwischenschritten als sehr aufwendig gilt und nur für kleinere Restaurationen geeignet ist.
Diese Faktoren führten dazu, dass der Fokus auf die genaue und einfache Wiedergabe individueller Bewegungsmuster mittels elektronischer Systeme gelegt wurde, auch wenn die Erfolge aus funktioneller Sicht zunächst in kleinen Schritten kommen. Die Digitalisierung der mechanischen Artikulatoren bildete die Grundlage, dabei wurden aus individuellen Bewegungsmustern gemittelte Bahnen und Parameter berechnet – zum Beispiel Kondylenbahnneigungswinkel und Bennett Winkel –, um sie im starren Artikulator zu verwenden. Gleichwohl man dem eigentlichen Ziel, die realen Bewegungsmuster zu verwenden, noch nicht ausreichend nahegekommen war, brachten eben diese ersten Schritte große Vorteile mit sich: Zeitersparnis, Minimierung von Übertragungsfehlern sowie die Möglichkeit, einfacher – und daher auch öfter – mit individuell programmierbaren Artikulatoren zu arbeiten.
Der nächste logische sowie nötige Schritt war es, die Technologie weiter auszubauen, sodass die individuellen Bewegungsdaten frei im digitalen Raum nutzbar sind und auf 3D-Datensätze angewendet werden können.
Digitale Wege – Unterschiede und Vorteile
Neuere Systeme zeigen eine benutzerfreundliche Anwendung. Sie sind zeiteffizienter und bieten mehr Patientenkomfort. Technische Unterschiede finden sich im Messverfahren, der Darstellung, dem Workflow sowie der Sensorgestaltung und -positionierung [11]. Dabei spielen vor allem die Realisierbarkeit von kleineren Messsensoren und deren einfache Befestigung in Kombination mit der gesteigerten Auflösung der Bewegungsbahnen und ausreichender diagnostischer Validität und Reliabilität der Bewegungsaufzeichnung eine entscheidende Rolle. Die meisten Systeme arbeiten optoelektronisch, man findet aber auch andere Systeme auf Ultraschall- oder Magnetfeldbasis. Zudem unterscheidet man zwischen gelenknahen und gelenkfernen sowie berührungsbasierten und berührungslosen Aufzeichnungen [21]. Erst das direkte Umsetzen der individuellen Bewegungsmuster im freien virtuellen Raum ermöglicht eine reale Wiedergabe der Patientenbewegungen. Die individuellen Bewegungsdaten können in einer CAD-Software zur Herstellung von interferenzfreiem Zahnersatz genutzt werden [3]. Dabei findet sich der Grundgedanke der FGP-Technik wieder: ein Formteil herzustellen, das die individuellen Bewegungsmuster wiedergibt. Dafür werden die einzelnen individuellen Bewegungen zu einem gemeinsamen digitalen Datensatz zusammengeführt und ermöglichen so die Anpassung des okklusalen Kaureliefs an die dynamischen Okklusionsparameter.
Schnittstellen
Da es sich bei der Bewegungserfassung um digitale Erfassungssysteme handelt, stellen alle Systeme Daten zur Verfügung, die digital weiterverarbeitet werden können. Einige der Systeme haben hierfür eigene Programme, sodass eine Weiterverarbeitung im geschlossenen System stattfindet und nur anhand von Winkelangaben in einer CAD-Software im virtuellen Artikulator gearbeitet werden kann.
Deutlich interessanter sind die Systeme, bei denen die aufgezeichneten Bewegungsmuster direkt weitergegeben werden und mit dem Werkzeug „Kieferbewegungen“ in DentalCAD (exocad) verwendet werden. Hierzu zählen zum Beispiel das JMA Optic System (zebris Medical), ProAxis (SDiMatrix), das Tech in Motion (Modjaw) und das DMD-System (Ignident). Dabei können teildynamische analoge Modelle (die dem FGP gleichkommen) erstellt werden. Zudem bieten einige Systeme den Weg zurück in analoge Artikulatoren mittels spezieller Montagetische oder Apparaturen, die es ermöglichen, die Modelle entsprechend einzubauen.
Jaw motion analyzer (JMA) Optic
Schon seit Jahren bekannt und etabliert ist das JMA Optic System (zebris Medical). Dieses wird von verschiedenen Partnerunternehmen auch unter eigenem Label vermarktet, zum Beispiel als Tizian JMA Optic (Schütz Dental) und Zebris for Ceramill (Amann Girrbach). Es handelt sich dabei um ein 3D-Koordinatenmesssystem, das sich besonders durch seine schnelle Anwendung und geringe Rüstzeit auszeichnet. Der Gesichtsbogen lässt sich einfach und stabil anlegen, zudem verfügt er über integrierte Kameras, die das Infrarotsignal des Unterkiefersensors empfangen. Der Unterkiefersensor ist nur 15 Gramm schwer und kann einfach mittels Attachments an der Unterkieferzahnreihe befestigt werden. Die freie Zugänglichkeit von allen Seiten ermöglicht es, die Bewegungen durch den Behandler zusätzlich zu manipulieren, ohne die Aufzeichnung zu stören. Die Aufzeichnungen können vollständig kabelfrei mittels WLAN ablaufen (Abb. 1 und 2).
Die hauseigene Software Winjaw+ (zebris Medical) führt auch Anfänger sicher und einfach durch die nötigen Kalibrierungs- und Messphasen. Eine Bilddarstellung und eine Textzeile leiten durch den entsprechenden Modus. Dank der einfach strukturierten und benutzerfreundlichen Oberfläche lässt sich die Software auch mittels Fußtaster bedienen.
Beim Grundmessmodul werden die Einstellwerte sowie die Oberkieferposition für mechanische und virtuelle Artikulatoren sowie die „Real Movement“-Daten generiert. Optionale Messmodule bieten weitere Funktionen wie beispielsweise die digitale Okklusionsanalyse.
Analyse und Export der Messdaten erfolgen ebenfalls in der Software anhand von Demomodellen. Es können PDF-Reporte für verschiedene Artikulatoren erstellt und das Oberkiefermodell mittels Transferstand auch im mechanischen Artikulator durch den Kopplungslöffel einartikuliert werden (Abb. 3 und 4). Die Verwendung eines mechanischen Gesichtsbogens ist nicht mehr nötig.
Bei jedem neuen Modus ist eine neue Kalibrierung notwendig und das System wird durch einen Akku versorgt. Ein zusätzlicher Scan zur Übertragung des Kopplungslöffels und der virtuellen Weiterverarbeitung ist nötig. Die entsprechende Schnittstelle ist in DentalCAD (exocad) angelegt und leitet den Anwender mittels Wizardführung durch die entsprechenden Schritte (Abb. 5).
Dental-Motion-Decoder (DMD) System
Das DMD-System (Ignident) ist ein elektronisches Aufzeichnungssystem, das auf dem Prinzip der Magnetfeldtechnologie funktioniert. Dabei zeichnet es berührungslos und gelenkfern, jedoch okklusionsnah, bei einer Frequenz von 100 Hz die Dreidimensionalität der Kiefergelenke und deren Bewegungskapazität auf. Das Field Generator Device generiert ein Magnetfeld der Dimension 30 cm × 30 cm × 30 cm. Mittels Funktionsarm lässt sich die Höhe anpassen. Laut Hersteller sollte der Patient auf einem metallfreien Kunststoffstuhl sitzen und sein Kopf sollte während der gesamten Aufzeichnung innerhalb des Magnetfelds verbleiben (Abb. 6). Das System wiegt inklusive Wagen rund 40 kg, lässt sich jedoch mittels integrierter Rollen gut transportieren.
Dagegen stehen grazile, hochempfindliche Sensoren, die in sogenannten Markerschuhen verbaut sind und über Kabel mit dem System Managing Device verbunden sind. Die Sensoren weisen eine Größe von circa 15 mm auf und wiegen gerade mal 3 g (Abb. 7). Sie zeichnen alle drei transversalen und rotativen Bewegungsrichtungen auf. Dafür sollte der Abstand zwischen den Markertools mindestens 3 cm betragen und die Kaubewegungen nicht einschränken. Sie werden in kontralateralen Kieferbereichen auf den Vestibulärflächen befestigt. Dabei darf die äußere Fläche mit dem Quadrat und der zentral gelegenen Mulde nicht beeinflusst werden, um eine optimale Ausrichtung der Intraoralscans zu gewährleisten. Es empfiehlt sich die vorübergehend aufgeklebten Sensoren vor der Bewegungsaufzeichnung zu scannen, um bei Sensorverlust die bereits erhobenen Daten weiterverarbeiten zu können.
Die DMD-Software befindet sich auf einem Microsoft-Tablet, das gleichzeitig zur Datenauswertung und -verarbeitung genutzt werden kann. Verschiedene vorprogrammierte Protokolle und Bezugsebenen stehen zur Auswahl. Anpassungen und zusätzliche Einzelaufzeichnungen lassen sich durchführen. Nach Initiierung des Systems und Auswahl des entsprechenden Protokolls, folgt die Kalibrierung mit dem Patienten durch Markierung extraoraler Punkte mit dem Pointing Tool. Je nach Protokoll wird neben dem rechten und linken Kondylus entsprechend der Bezugsebene ein weiterer Punkt markiert (Infraorbitalpunkt, Spina nasalis superior, Nasenspitze).
Nach der Bewegungsaufzeichnung kann im Rahmen der Analyse eine PDF-Datei mit individuellen Werten zur Artikulatorprogrammierung generiert werden. Weiter lassen sich die Intraoralscans inklusive der Sensoren in die Software importieren, dadurch lassen sich die individuellen Bewegungsmuster und deren Okklusionsbeziehung visualisieren. Das neue Zusatztool „Therapie“ ermöglicht es, eine therapeutische Schienenposition ausfindig zu machen und zu exportieren. Die Daten können für die analoge und virtuelle Artikulatorprogrammierung verwendet werden. Zudem stehen die individuellen Bewegungsdaten als XML-Datei zum Export und der weiteren Verarbeitung in DentalCAD (exocad) zur Verfügung.
Tech in Motion
Das Tech in Motion (Modjaw) basiert auf der optoelektronischen Bewegungsaufzeichnung mittels binokularer Infrarotkamera, mit einer Aufzeichnungsfrequenz von 120 Hz. Dabei werden Lichtreflexionen verschiedener Markierungsobjekte aufgezeichnet. Dies ermöglicht eine kabelfreie Erhebung von Bewegungsmustern aller Freiheitsgrade (Abb. 8).
Bevor eine Aufzeichnung mit dem Tech in Motion gemacht werden kann, müssen Scandaten von den Kiefern in habitueller Okklusion vorliegen. Neben STL-Daten können auch zusätzlich Modelle, zum Beispiel im PLY- oder OBJ-Format, und STL-Daten auf Basis eines DVTs sowie ein Facescan hinzugefügt werden. Dies erhöht die Visualisierung der individuellen Patientensituation und dient als gutes Kommunikationsmittel (Abb. 9 und 10).
Nach Auswahl der „matching points“, Kalibrierung, Anbringen der Markerobjekte und Gleichschaltung des Systems mit dem Patienten, können Aufzeichnungen durchgeführt werden. Dem Anwender steht eine bereits vorgespeicherte Auflistung an Bewegungssequenzen zur Verfügung, die er beliebig ändern und erweitern kann. Sollte es zum Lösen eines der Markerobjekte kommen, kann die Aufzeichnung nach erneuter Kalibrierung fortgesetzt werden.
Die Oberkieferzuordnung erfolgt anhand der habituellen Okklusion durch den Patienten statt mittels separater Sensoren. Dadurch ist man bei der Registrierung der Bewegungen auf die genaue Reproduktion der habituellen Okklusion als Startpunkt angewiesen. Starke Lichteinstrahlung/-schwankungen und Funkwellen können zu Störungen der Reflektor-Aufzeichnung führen. Zur Aufzeichnung ist ein Abstand von circa 80 cm zum Patienten nötig.
Als offenes System können alle Daten zur weiteren Verarbeitung exportiert werden. Dabei stehen als Exportoptionen statische, dynamische und MOD-Dateien zur Auswahl. Ein Ausrichten der Scandaten im virtuellen Artikulator, beziehend auf die Campersche Ebene ist möglich. Die MOD-Datei ermöglicht den vollständigen Austausch mit anderen Modjaw-Nutzern bei geringem Datenvolumen.
Verwendung der Bewegungsdaten in DentalCAD
Innerhalb des Experten-Modus in DentalCAD (exocad) lässt sich das Werkzeug „Kieferbewegungen“ auswählen, um eine XML-Datei zu importieren. Die Position der 3D-Scandaten wird standardmäßig in der Referenzposition festgelegt. Bewegungsmuster lassen sich bereits jetzt anhand der gepunkteten Linie am Inzisalpunkt erkennen. Es lassen sich einzelne Bewegungen in den verschiedenen Ebenen einsehen und auswählen, die für die Herstellung der virtuellen Funktionsabformung berücksichtigt werden sollen. Nachdem die virtuelle Abformung generiert wurde, erscheint diese als rote beziehungsweise grüne „Überabformung“, welche dem FGS in Tech in Motion (Modjaw) beziehungsweise dem klassischen FGP ähnelt. Geht man nun beim Werkzeug „Freiformen“ auf „Anpassen“, kann man die Okklusion mit der patientenindividuellen Dynamik anpassen. Das verdeutlicht, wie groß der Unterschied der okklusalen Gestaltung nach der Anpassung mittels individueller Bewegungsmuster ausfallen kann (Abb. 11 und 12) – Anpassungen, die noch im Herstellungsprozess durch das Labor berücksichtigt werden könnten statt erst durch den Zahnarzt am Patientenstuhl.
Fazit
Die digitalen Erfassungssysteme zur Bewegungsaufzeichnung bieten zahlreiche Vorteile und erleichtern die zahnmedizinische und -technische Arbeit. Nachdem Systeme zur Bewegungsaufzeichnung bereits seit Jahren Daten zur individuellen Programmierung von digitalen (und gegebenenfalls auch analogen) Artikulatoren liefern können, bildet die Verwendung der realen individuellen Bewegungsmuster nun den von Anfang an herbeigesehnten Mehrwert.
Neben den individuellen Einschränkungen der einzelnen Systeme gibt es allgemeine Fehlerquellen – die physiologische Eigenbewegung des Zahns, die Verwindung der Unterkieferspange und Scanfehler (Speichel, Reflektion, Umrechnungsfehler) –, die zu berücksichtigen sind [13]. Faktoren, die die klassische FGP-Technik durch die Anfertigung im Mund bereits erfasst hat. Ohne FGP-Technik kommt es bei physischen Modellen zu einer Sperrung im Artikulator, die durch gezieltes Radieren am Gips eliminiert wird. Bei digitalen Modellen hingegen zeigt sich aufgrund der Starrheit der Scandaten eine Durchdringung der virtuellen Modelloberfläche.
Trotz allem Fortschritt wird heute noch intensiv diskutiert, wie mit diesen Faktoren, zum Beispiel der Durchdringung, im digitalen Workflow umgegangen werden sollte. Trotz dieser bekannten Abweichungen ist abzuwägen, wie genau ein (Mess-)System sein muss, das in einem biologischen System (= Mensch) zur Anwendung kommt, das stetiger Adaptation unterliegt. Ein Richtwert könnte hier die biologische Varianz der Unterkieferbewegung sein [5].
Diejenigen Erfassungssysteme, die eine Weiterverarbeitung der realen Bewegungsmuster ermöglichen, verfügen über das Potenzial, funktionsgesunden Patienten eine schnelle und komfortable restaurative Versorgung zu ermöglichen. Zudem lassen sich durch die Visualisierungsmöglichkeiten Funktionsveränderungen einfacher diagnostizieren, visualisieren und der Therapieverlauf lässt sich leichter monitoren. Daneben kommt dank der Visualisierung zum besseren Verständnis der Pathologien und größerer Bereitschaft des Patienten zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen.
Übersicht verschiedener Systeme (Auflistung nicht abschließend)
Produktname | JMA optic | DMD-System | Tech in Motion |
Hersteller | zebris Medical | Ignident | Modjaw |
Aufzeichnungsart | optoelektronisch | magnetisch | optoelektronisch |
Aufzeichnungsort | gelenkfern | gelenkfern | gelenkfern |
Zugänglichkeit zum Patienten (*) | sehr gut | gut | von frontal limitiert |
Gewicht OK-Sensor | 208 g | 3 g | 78 g |
Gewicht UK-Sensor | 15 g | 3 g | 10 g |
Frequenz | 60 Hz | 66/100 Hz | 120 Hz |
Auflösung laut Herstellerangaben | 50 µm | < 50 µm | 50 – 90 µm |
Datenübertragungsart | WLAN | kabelgebunden | direkt verbunden |
Bezugsebene | Achs-Orbital-Ebene | Scharnierachse-Orbital-Ebene Frankfurter Horizontale Campersche Ebene | Campersche Ebene |
Anwendungsdauer laut Hersteller | 15 Min | 10 – 30 Min | ca. 10 – 20 Min (*) |
Eigenständige Software | Winjaw+ | DMD-Software | Modjaw-Software |
Ankopplung an andere Software (Schnittstelle zu …) | DentalCAD (exocad) | DentalCAD (exocad) | DentalCAD (exocad) |
Datenexport | XML, STL, CSV, AVI | XML, STL, | XML, STL, MOD |
PDF zur Artikulator-Programmierung | ja | ja | ja |
Transfer der Oberkieferposition in mechanischen Artikulator | Ja, mittels Transferstand | nein | nein |
Einschränkung der Patienten | keine | Schrittmacher | keine |
Vita
Dragana Gerovac absolvierte 2018 ihr Studium der Zahnmedizin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 2019 ist sie als Assistenzzahnärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik am Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Carolinum Zahnärztliches Universitäts-Institut tätig. 2021 wurde sie aktives Mitglied und Beraterin im deutschen Gremium der Digital Dentistry Society.
Dr. Steffani Görl absolvierte 1994 ihr Studium der Zahnmedizin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sie ist als Oberärztin in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik am Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Carolinum Zahnärztliches Universitäts-Institut tätig. Seit 2007 leitet sie die Kiefergelenk-Ambulanz des Instituts. Im Jahr 2014 zertifizierte sie sich zur Spezialistin für Funktionsdiagnostik und -therapie der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT).
Kontaktadresse
Dragana Gerovac
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Carolinum Zahnärztliches Universitäts-Institut gGmbH
Theodor-Stern-Kai 7 (Haus 29)
60596 Frankfurt am Main
gerovac@med.uni-frankfurt.de
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