Bericht
Praxis & Organisation
08.11.23
Wenn der Chef plötzlich ausfällt
Rechtzeitig vorsorgen mit General- und Betreuungsvollmacht
Betreuungsvollmacht, Finanzen, Generalvollmacht, Geschäftsunfähigkeit, Koma, Notar, Praxisführung
Holger Nentwig
Ob Unfall, Hirnschlag oder schwere Erkrankung: Niemand ist davor gefeit, von heute auf morgen ins Koma zu fallen und geschäftsunfähig zu sein. Wer als Praxisinhaber nicht vorgesorgt hat, setzt sein Lebenswerk aber auch das Wohlergehen seiner Lieben leichtfertig aufs Spiel. Was das genau bedeutet und wie man solche Szenarien vermeidet erklärt Asset-Protection-Experte Holger Nentwig.
Die Praxis hat 1,2 Millionen gekostet, 800.000 Euro stehen noch an Verpflichtungen an, als sich das Unglück ereignet. Aneurysma, Koma. Wann der selbstständige Zahnarzt Dr. Blauauge wieder erwacht, ist ungewiss. Die Ärzte winden sich, konkrete Prognosen zu treffen.
Praxis ist führungslos
Dr. Blauauge ist zum Zeitpunkt des Unglücks verheiratet, hat zwei minderjährige Kinder, es gibt Hauseigentum, bislang führte er die Praxis mit Unterstützung von zwei Assistenz-Zahnärzten allein. Über das persönliche Unglück hinaus ist Frau Blauauge im übertragenen Sinne fast so hilflos wie ihr Mann auf der Intensivstation. Sie ist selbst berufstätig als Lehrerin, ist uninformiert und kennt die Abläufe in der Praxis nicht – geschweige denn, dass sie offizielle Befugnisse hätte. Zwar hat sie inoffiziell Zugang zum Praxiskonto, darf aber nicht über die Konten der Praxis verfügen, zum Beispiel Abrechnungen tätigen oder Gehälter überweisen. Das wäre ein Vergehen.
Wie soll es mit dem Personal weitergehen? Die Assistenz-Zahnärzte sind Angestellte, offiziell darf Frau Blauauge als Nicht-Zahnärztin keine Anweisungen geben. Den Betrieb für zwei, drei Wochen aufrechtzuerhalten, wird den Assistenzärzten sicherlich auch allein gelingen, aber dann? Die Praxis ist faktisch führungslos, deshalb ist Frau Blauauge dringend anzuraten, dass sie den Zustand ihres Mannes der Kassenzahnärztlichen Vereinigung meldet und dorthin einen engen Kontakt pflegt, um in der Abwesenheit ihres Mannes so wenig Fehler wie möglich zu machen und die Praxis vor dem Niedergang zu schützen.
Aber das ist noch lange nicht alles: Wer ist der Ansprechpartner, wenn die Bank anruft und darauf hinweist, dass der Kontokorrent überzogen ist, ein Privatdarlehen prolongiert werden muss oder eine Zinsfestschreibung endet? Im schlimmsten Fall kann die Bank das Mandat aufgeben, sofern sie den Eindruck hat, dass der Schuldendienst in Gefahr ist – und schon steht die Praxis vor der Insolvenz.
Solange keinerlei Vollmachten vorliegen, wie das bei Dr. Blauauge der Fall ist, kann Frau Blauauge sich ans Betreuungsgericht wenden, um einen Betreuer für ihren Mann bestellen zu lassen. Dessen Entscheidungen sind ihr Mann und sie dann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das kann gut gehen, muss es aber nicht.
Schwierigkeiten rechtzeitig vorbeugen
Wie geht es mit den Privatfinanzen weiter? Bislang hat sich Dr. Blauauge immer einen Unternehmerlohn vom Praxiskonto gezahlt und diesen auf das Privatkonto überwiesen. Frau Blauauge ist nicht befugt, eine solche Überweisung vorzunehmen, also wird es für die Familie finanziell eng, sofern Frau Blauauge kein eigenes Vermögen aufgebaut oder andere Einkommensströme außer ihrem Gehalt hat.
Entwarnung: Im Gespräch mit seinem Berater zeigt sich Dr. Blauauge entsetzt darüber, dass er das Thema noch nicht geregelt hat. Solche Schwierigkeiten möchte er seiner Frau und seiner Familie natürlich ersparen. Deshalb kümmert er sich jetzt sofort um sogenannte General- und Betreuungsvollmacht. Sich einfach Vorlagen aus dem Netz herunterzuladen, diese auszufüllen und zu glauben, dies sei rechtssicher, ist ein Irrtum, der sich schon oft bitter bewahrheitet hat, sagt sein Berater. Eine Vollmacht muss
- juristisch wasserdicht verfasst sein,
- alle Erfordernisse berücksichtigen,
- maßgeschneidert sein und
- die richtigen Menschen bevollmächtigen
- und notariell beglaubigt sein,
damit sich Praxis und Privatfinanzen im Ernstfall weiterhin erfolgreich managen lassen.
Dr. Blauauge erfährt auch: Banken haben ihre eigenen Formulare und benötigen eine Vorlage dieser Vollmachten, um rechts- und regresssicher Geld freigeben zu können bzw. Überweisungen zu autorisieren.
Vermögenssorge-Vollmacht und Personensorge-Vollmacht
Mit Generalvollmachten lassen sich Praxen über einen gewissen Zeitraum weiterführen, sie befugen dazu, Personal einzustellen und zu entlassen und dazu, Verträge zu ändern. Zeichnet sich ab, dass Dr. Blauauge selbst nicht mehr in der Lage ist, in die Praxis zurückzukehren, ist mit einer Generalvollmacht sogar der Verkauf der Praxis möglich. Auch Änderungen an der Eigentumssituation, wie etwa am Haus, sind möglich.
Übrigens gibt es zwei Formen der Generalvollmacht. Die Vermögenssorge-Vollmacht, von der bislang hier die Rede war und die Personensorge-Vollmacht. Letztere wird dann wichtig, wenn Frau Blauauge ihren Mann in ein anderes Krankenhaus verlegen will – was sie ohne diese Form der Vollmacht nicht veranlassen könnte.
Kurz: Die General- und Betreuungsvollmacht ist absolut existenziell und bietet die Möglichkeit, eine Praxis und das Privatvermögen im Notfall zu steuern und zu beeinflussen. Eine notariell anerkannte Vollmacht ist überall im DACH-Raum anerkannt, vom Notar können jederzeit Duplikate angefordert werden. Das ist zum Beispiel dann nötig, wenn die Bank eine solche Vollmacht einbehält. Seitdem er das Thema für sich geklärt hat, fühlt sich Dr. Blauauge besser. Seine Frau ist inzwischen auch bestens informiert und eingeweiht.
Holger Nentwig ist Spezialist für den Bereich Vermögensaufbau, Vermögenssicherung und Vermögensnachfolge und hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Beratung von Unternehmern und selbstständigen Zahnärzten, die er kennt wie kaum ein Zweiter. Als ausgebildeter Dipl.-Kaufmann, Certified Estate Planner und Master of NLP Coaching berät er seit 1986 Zahnärzte und Zahnärztinnen im DACH-Raum.
www.gfmsnentwig.de
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