Fachbericht

Alterszahnheilkunde

25.10.21

Wandelbar gestalten

Anforderungen an implantatgestützten Zahnersatz bei Senioren

dentale Implantate, pflegebedürftig, Senioren, Zahnersatz, Zahnlosigkeit

Prof. Dr. Torsten Mundt

01 – Anteil der zahn­losen Patien­ten unter den 65- bis 74-jährigen jüngeren Senioren in den Deutschen Mundgesundheits­studien  III–V (DMS) und unter den 75- bis 100-­jährigen älteren Senioren in der DMS   V nach Herkunft und Pflege­grad

Die Prävalenz von fehlenden Zähnen und Zahnlosigkeit verlagert sich ins höhere Alter und Implantatversorgungen nehmen unter den älteren Senioren zu. Implantatversorgungen werden jedoch gefährdet, wenn manuelle, visuelle und kognitive Einschränkungen eine adäquate Mund­hygiene limitieren und regelmäßige Kontrollen wegen fehlender Eigenverantwortlichkeit und eingeschränkter Mobilität nicht mehr stattfinden. Hinzu kommen schwere Erkrankungen wie zum Beispiel Schlaganfall und verschiedene Formen der Demenz, bei denen der Zahnersatz nicht mehr akzeptiert wird oder stört. Aus diesen Gründen sollte auch festsitzender implantatgetragener Zahnersatz durch Verschraubungen oder semidefinitive Zementierungen erweiter-, um- und rückbaubar gestaltet werden. Primäre und Folgeversorgungen bei Senioren mit Einschränkungen müssen unkompliziert gestaltet und folglich leicht ausglieder- und pflegbar sein.

Fragen zum Behandlungskonzept

Warum ist das Thema Implantatversorgungen gerade bei den hochbetagten Senioren so interessant, denn alle Patienten mit Implantaten werden doch schließlich älter?
Wir alle werden dank des medizinischen Fortschritts immer älter. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass wir auch immer gesünder werden – viele Allgemein­erkrankungen werden einfach nur effektiver therapiert. Hinzu kommen im hohen Alter die verschiedenen Formen der Demenz in unterschiedlicher Ausprägung. Es gibt umfangreiche festsitzende, aber auch abnehmbare Versorgungen, mit denen alternde Patienten aufgrund ihrer Einschränkungen große Probleme haben hinsichtlich Handhabung und Pflege. Hinzu kommen die zunehmende Häufigkeit von Implantaten als Pfeiler für den Zahnersatz und leider auch vermehrt technische und biologische Komplikationen.

Soll dies etwa dazu führen, jede Implantatversorgung so zu gestalten, dass sie den möglichen Anforderungen im hohen Alter von Anfang an entspricht?
Aus den eingangs angeführten Gründen ist es wichtig, bei der Planung und Anfertigung von Suprakonstruktionen schon darauf zu achten, dass diese jederzeit und problemlos umgebaut – zum Beispiel von festsitzend auf abnehmbar – oder sogar zurückgebaut werden können. Natürlich darf es nicht dazu führen, den „fitten“ Patienten komplexe Restaurationen zu verwehren.

Epidemiologie und Gesundheitsnutzen von Implantaten
Die Zahnlosigkeit in beiden Kiefern ist ein eindeutiger Parameter, um die Mundgesundheit unter den Senioren im Alter von über 65 Jahren zu betrachten. Laut den Deutschen Mundgesundheitsstudien (DMS) [10] ist ein deutlicher Rückgang der kompletten Zahnlosigkeit ab der DMS III im Jahr 1997 bis zur DMS  V im Jahr 2014 unter den 65- bis 74-jährigen jüngeren Senioren zu erkennen (Abb. 1). In den alten Bundesländern ist der Anteil der Zahnlosen von 1997 nach einer Stagnation im Jahre 2005 um 10 Prozentpunkte auf 12,5 Prozent im Jahre 2014 gefallen, in den neuen Bundesländern drittelte sich dieser Anteil sogar von 34,5 auf 11,8 Prozent. Hier hat der Osten den Westen scheinbar schon überholt, aber die Ergebnisse müssen vorsichtig betrachtet werden. Die Responserate der zur Untersuchung eingeladenen Senioren lag bei 49 Prozent, somit weit niedriger als in den vorangegangenen DMS und war am geringsten in den neuen Bundesländern. Zu epidemiologischen Untersuchungen gehen eher die Gesunden und Menschen mit höherer Bildung. Erstmals wurden im Rahmen der DMS V 2014 die älteren Senioren von 75 bis 100 Jahren eingeladen. Obwohl unter ihnen die Responserate bei nur 38,2 Prozent lag, ist doch eindeutig erkennbar, dass sich die komplette Zahnlosigkeit ins höhere Alter verlagert, man spricht von einer „Morbiditätskompression“. Bei einer durchschnittlichen Zahnlosigkeit von rund 32 Prozent – im Westen wieder mehr Zahnlose als in Ostdeutschland – über alle 1133 Teilnehmer war die Mundgesundheit unter den 256 älteren Senioren mit einer Pflegestufe (jetzt Pflege­grad) mit 53,7 Prozent Zahnlosigkeit als Indikator noch schlechter.
Es ist weithin bekannt, dass vor allem Zahnlosigkeit im Unterkiefer die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität, die allgemeine Zufriedenheit und das Kauvermögen negativ beeinflusst und sogar zur sozialen Isolation führen kann, wenn Prothesen zum Beispiel beim Essen keinen ausreichenden Halt aufweisen. Die Stabilisierung der totalen Prothese mit zwei Implantaten wie in der Abbildung 2 verbessert unabhängig von den Halte­elementen (Kugelanker, Locator, Steg) diesen Zustand spürbar [5, 36]. Implantate im zahnlosen Unterkiefer beeinflussen positiv die Beißkraft, die Kau­effizienz, gemessen mit der Zerkleinerung oder Durchmischung einer Testnahrung sowie das subjektive Kauvermögen und die Zufriedenheit mit der Prothese [4]. Der Nachweis steht jedoch aus, ob sich zahnlose Patienten mit Unterkiefer-Implantaten automatisch besser ernähren oder in der Folge gesünder werden.
In einer randomisierten Studie bei 75- bis 96-jährigen Pflegebedürftigen ohne schwere kognitive Einschränkungen erhielt eine Gruppe je zwei Implantate zur Unterkieferprothesen-Stabilisierung. In der anderen Gruppe wurden die totalen Unterkieferprothesen unterfüttert und optimiert [16]. Die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität, die Zufriedenheit mit der Prothese, die Prothesenstabilität und die maximale Beißkraft wurden in der Implantatgruppe wirksamer verbessert als in der Gruppe ohne Implanate. Bei der der objektiv gemessenen Kaueffizienz gab es überraschenderweise vernachlässig­bare Unterschiede zwischen den Gruppen [14]. Zu keinen Veränderungen kam es im Ernährungsverhalten (Fragebogen) und bei bestimmten Blutmarkern (Albumin, Vitamin B12, Folsäure). Eine Umstellung der Ernährung und somit eine gesündere Lebensweise tritt offentsichtlich nicht automatisch nach Prothesenstabilisierung bei zahnlosen Pflegebedürtftigen ohne zusätzliche Ernährungslenkung ein.
Epidemiologische Daten zu implantat­getragenem Zahnersatz bei Älteren wurden sehr selten veröffentlicht [2, 13, 21, 22, 42, 43]. Aus den Daten ist zu vermuten, dass die Prävalenz von impantatgetragenem Zahnersatz besonders stark von den Kosten bestimmt wird (Abb. 3). Aber insbesondere ältere Patienten lehnen Implantate nicht nur deshalb, sondern auch aus Angst vor dem Eingriff und der längeren Therapiedauer ab. Das zeigen Studien, bei denen die Implantate kostenfrei angeboten wurden [16, 38]. Laut den DMS waren dentale Implantate 1997 noch sehr selten. Danach hat sich die Pävalenz von implantatgetragenem Zahnersatz bei den jüngeren Senioren vervielfacht und lag 2014 bei 8,1 Prozent mit nur noch geringen Ost-West-Unterschieden. Beim Vergleich mit anderen Ländern fällt auf, dass in Schweden schon 1997 Implantate so häufig waren wie in Deutschland 2014, denn ein großer Teil der Kosten von Implantatversorgungen wird vom staatlichen Gesundheitswesen übernommen [13, 22]. Jüngste Zahlen weisen darauf hin, dass ein weit höherer Anteil von zahnlosen Kiefern in Schweden implantatgetragenen Zahnersatz aufweist [21]. In anderen westeuropäischen Staaten sind Implantatversorgungen ähnlich selten wie in Deutschland.
In Deutschland tragen von den über 75-jährigen Teilnehmern der DMS V acht Prozent Implantate, die jedoch im Osten (4,7 Prozent) weniger verbreitet sind als in Westdeutschland (8,8 Prozent). Die geringe Prävalenz bei niedrigem sozialen Status ist augenscheinlich, obwohl gerade die sozial schwach Gestellten den höchsten Bedarf aufweisen müssten, denn dieser soziale Gradient ist auch beim Zahnverlust klar nachweisbar [39]. Abnehmbare Versorgungen sind in den neuen Bundesländern mit 75,8 Prozent doppelt so häufig eingegliedert worden wie in den alten Bundesländern mit 37,8 Prozent.

Altersrisiken für Probleme mit implantatgetragenem Zahnersatz
Die manuellen, visuellen und kognitiven Einschränkungen nehmen mit steigendem Alter zu, sodass die Mund- und Prothesenhygiene unzulänglich werden kann (Abb. 4 und 5). Zusätzlich steht die Zahnmedizin bei schweren Allgemein­erkrankungen und Multimorbidität in der Regel nicht an erster Stelle. Diese Patientengruppe zeichnet sich duch eine ausgeprägte Leidensfähigkeit aus. Gegenüber Veränderungen an der intraoralen Situation ist die Adaptationsfähigkeit vermindert. Hinzu kommen Erkrankungen wie Demenz.
Unter den Risikofaktoren für Implantatverluste und Periimplantitis wie Vorliegen einer aktiven Parodontitis, Bestrahlungstherapie bei Tumorerkrankungen, eingeschränkte Hygienefähigkeit der Restauration, Zementreste [35], Rauchen, genetische Disposition und Bruxismus [41] sind eine inadäquate Mundhygiene und Noncompliance für Kontrollen und professionelle Hygienemaßnahmen [3] zu nennen [7]. Pflegebedürftige Patienten kommen nicht nur aufgrund fehlender Mobilität seltener zu Routinekontrollen und Prophylaxemaßnahmen. Laut einer Auswertung der letzten DMS [20] ist die zahnärztlich funktionelle Kapazität bei den älteren Senioren oftmals reduziert, und dies noch viel häufiger, wenn sie pfegebedürftig sind. Diese sogenannte funktionelle Kapazität umfasst die Therapiefähigkeit allgemein, die Mundhygie­nefähigkeit und die Fähigkeit, Arzt- und Zahnarztbesuche eigenverantwortlich zu planen bezeihungsweise zu realisieren (Abb. 6). Trotzdem scheinen ein fortgeschrittenes Alter und Allgemein­erkrankungen laut zwei aktuellen Übersichtsarbeiten mit Metaanalysen nicht zwangsläufig das Risiko für Implantatverluste zu erhöhen [30, 34].
Zum Vorkommen von perimplantärer Mukositis (Entzündung der ­­perimplantären Weichgewebe) und Periimplantitis (mit Knochenabbau) speziell bei älteren Patienten gibt es momentan keine verlässlichen Angaben. In Deutschland sollte davon ausgegangen werden, dass sich zumindest die Prävalenz einer schweren Parodontitis weiter ins höhere Alter verlagert hat. Waren 2005 noch 44 Prozent der 65- bis 74-jährigen Deutschen betroffen, waren es 2014 nur noch knapp 20 Prozent. Dafür wiesen 44 Prozent der über 75-Jährigen 2014 eine schwere Parodontitis auf. Unabhängig vom Patientenalter liegt bei circa zehn Prozent der Implantate und circa 20 Prozent der Patienten nach wenigstens fünf Jahren eine Periimplantitis vor [15, 28]. Da bei teilbezahnten Patienten parodontale Entzündungen die periimplantäre Gesundheit ebenfalls negativ beeinflussen können und die Periimplantitishäufigkeit mit steigender Liegedauer der Implantate zunimmt, sollte von einem erhöhten Anteil gerade bei unseren älteren Patienten ausgegangen werden. Grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie der periimplantären Mukositis und Periimplantitis nach der aktuellen S3-Leitline ist die Mitarbeit des Patienten für eine dauerhaften Reduktion der Plaque von Implantat und Suprakonstruktion [32]. Da beginnt das Dilemma, weil ein Großteil der älteren Patienten und insbesondere die Pflegebedürftigen auch zusammen mit den Pflegekräften dies nicht immer leisten können. Zusätzlich ist die natürliche Spülwirkung des Speichels infolge von Erkrankungen, Medikamenten und der Altersinvolution der Drüsengewebe oftmals vermindert.
Die derzeitigen Rahmenbedingungen in der Altenpflege sind nicht dazu geeignet, eine grundlegende Verbesserung zu schaffen. Der Aufwand inklusive der apparativen Voraussetzungen bei der zahnärztlichen Therapie Pflegebedürftiger wird weiterhin ungenügend honoriert, insbesondere dann, wenn Zahnärzte Pflegeeinrichtungen oder Wohungen aufsuchen müssen. Es gehört schon ein gewisses Maß an Idealismus und soziales Engagement dazu, dies alles neben der täglichen Arbeit in der Praxis zu erbringen. Hinzu kommt der Pflegenotstand mit Arbeitskräftemangel aufgrund der fehlenden Attraktivität des Berufs hinsichtlich Bezahlung, Arbeitszeiten, immer aufwendiger werdender Dokumentation, fehlender Karrierechancen und Zeitdrucks. Darunter leidet natürlich die Mund- und Prothesenhygiene mit großen Unterschieden zwischen Einrichtungen und Anbietern. Betreuende Angehörige fühlen sich oftmals überfordert.

Implantatprothetische Versorgungen bei „fitten“ Senioren
Allgemein wird zwischen den fitten, robusten Senioren (sogenannte „go‑go“), den funktionell instabilen („slow‑go“) und den von anderen abhängigen („no‑go“) Senioren unterschieden. Bei Letztgenannten ist in den vergangenen 20 Jahren eine Verschiebung ins höhere Alter weit über 80 Jahre zu beobachten. Es stellt sich die Frage, ob Implantatplanungen bei den gesunden Senioren möglichen Risiken im höheren Alter mit einfachen Konstruktionen Rechnung tragen sollten. Auch ältere Patienten haben natürlich Anspruch auf aufwendigen (feststitzenden) Zahnersatz, wenn nach umfangreicher Aufklärung immer noch der Wunsch dazu besteht (Abb. 7). Der Zahnersatz sollte jedoch gut pflege­fähig und möglichst bedingt abnehmbar sein. Pflege­fähig bedeutet zugänglich für Zahnbürste und einfache Hilfsmittel wie Interdentalraumbürstchen sowie die natürliche Spülwirkung des Speichels ohne konkave Bereiche unter Brückengliedern oder Extensionen. Bedingt abnehmbar bedeutet für den Autor dieses Beitrags entweder verschraubt oder provisorisch beziehungsweise „semi­definitiv“ zementiert. Werden Zähne in Brückenkonstruktionen einbezogen, werden die Stümpfe mit einem definitiv zementierten Käppchen aus Metall oder Keramik geschützt [17]. Biologische und technische Komplikationen sind gerade bei festsitzenden Suprakonstruktionen keine seltenen Ereignisse, wie umfangreiche Reviews der vergangenen Jahre zeigen [1, 11, 26, 27], obwohl sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten die Raten etwas vermindert zu haben scheinen [25]. Durch die bedingte Abnehmbarkeit ist das Management der Suprakonstruktio­nen gewährleistet. Außerdem ist eine effektive Periimplantitistherapie ohne Kronen- beziehungsweise Brückenabnahme erheblich erschwert bis unmöglich. Bei Zahn- oder Implantatverlusten können alte Restaurationen leicht entfernt und sogar unter Erhalt der Brücke umgebaut werden (Abb. 8). Wer eine festsitzend zementierte Metallkeramik- oder Zirkon­oxid-Restauration von Implantatpfosten durch Auftrennung entfernen musste, kann dies sicherlich gut nachvollziehen. Im parodontal geschädigten Gebiss und bei großen Knochendefiziten sollten die Patienten auf abnehmbare Konstrukti­onen gelenkt werden. So bieten kombiniert zahn- und implantatgetragene Doppelkronenprothesen eine ausreichende Stabilität bei Reduktion der Basis im ­Bereich des Gaumendachs. Die Prothesen haben einen ausreichenden Halt und die verbliebenen Zähne werden entlastet. Die Literatur zur sogenannten strategischen Pfeilervermehrung zeigt gute Überlebensraten von Implantaten und Suprakonstruktionen von > 92 Prozent nach fünf Jahren (Abb. 9) [6 , 9,  37].

Implantatprothetische ­Versorgungen bei Senioren mit Einschränkungen
Bei Patienten mit allgemeinen Erkrankungen und manuellen, visuellen und kognitiven Einschränkungen („slow-go“) steht an allererster Stelle die minimale Invasivität. Minimalinvasiv bedeutet möglichst keine augmentativen Maßnahmen, das heißt, Nutzung des vorhandenen Knochenangebots, strategische Implantate gegebenenfalls mit Einbau in den vorhandenen Zahnersatz und für festsitzenden Zahnersatz gut pflegefähige, kleine, bedingt abnehmbare Versorgungen. Oftmals hilft da das Konzept der verkürzten Zahnreihe, eine Umstellung auf abnehmbaren Zahnersatz im hohen Alter zu umgehen (Abb. 10). Weiterhin sollten Suprakonstruktionen leicht abnehmbar, umbau-, erweiter- und bei Bedarf rückbaubar sein. Bei Zahnlosigkeit reicht schon ein mittiges Implantat im Unterkiefer wie in Abbildung 11 aus, die Patientenzfriedenheit und die Kaufunk­tion relevant zu verbessern [23, 24]. Es sollten jedoch dabei der Nachsorgeaufwand hinsichtlich Abnutzung des Kugelankers und die Frakturgefahr von Prothesen ohne Metallgerüst berücksichtigt werden [12].
Bei pflegebedürftigen Patienten ist heraus­nehmbarer Zahnersatz für Pflegepersonal oder Angehörige besser zu handhaben. Anstelle von aufwendigen Stegkonstruktionen sollten einfache, leicht reinigbare Verbindungselemente wie Kugelanker oder Magnete Verwendung finden. Schon der inbusartige Schraub­einsatz bei Locatoren kann ein Plaque- und Keimreservoir sein. Außerdem sind Patienten mit manuellen Behinderungen, zum Beispiel nach Schlaganfall oder bei Morbus Parkinson, manchmal nicht mehr in der Lage, locator- oder novalog­retenierten Zahnersatz ein- oder auszugliedern (Abb. 12). In einer Studie mit pflegebedürftigen Patienten wurden aus diesem Grund bei zwei von 23 Patienten die Locatoren gegen Kugelanker gewechselt [16]. Magnetische Retentionselemente haben in solchen Fällen große Vorteile, obwohl die Haftkraft geringer und im Nachhinein nicht mehr veränderbar ist. Magnete sind selbstpositionierend, ohne Retentionsverluste, unproblematisch einsetzbar bei Implantatdivergenzen und gut pflegbar, da Nuten, Rillen und Fugen fehlen. Sie lassen sich auch in vorhandenen Zahnersatz gut einpolymerisieren, dabei dient der Platzhalter zwischen Primär- und Sekundärteil auch dem Schutz vor Oberflächenverschleiß.
Um Veränderungen im hohen Alter gering zu halten und bei Zahnverlust die Kaufunktion wiederherzustellen, sind auch da strategische Implantate eine Option. Diese können mittels kleiner Verbindungselemente, zum Beispiel ­Kugelanker, kostengünstig in den vorhandenen Zahnersatz eingearbeitet werden [40]. Der Autor dieses Beitrags verwendet dafür hauptsächlich einteilige Mini­implantate, die bei schmalem Kieferkamm minimalinvasiv inseriert werden können (Abb. 13). Bei ausreichendem Eindrehmoment (> 35 Ncm) ist sogar eine Sofortbelastung der Kugelköpfe möglich, anderenfalls erfolgt zunächst eine weichbleibende Unterfütterung für drei Monate [18]. Das Vorgehen ist nicht nur für Pfeilervermehrungen bei reduziertem Restzahnbestand, sondern auch bei kompletter Zahnlosigkeit eine unaufwendige Therapieoption [19].
Liegen starke Einschränkungen wie fortgeschrittene Demenz vor, sollte der Zahnersatz nach Reinigung insbesondere bei Dysphagien nachts entnommen werden [8]. Dies vermindert zusätzlich die Gefahr von Pneumonien oder anderen systemischen Erkrankungen, die durch Keime auf der Prothesenbasis hervorgerufen werden können [33]. In einer bevölkerungsrepräsentativen Studie war das Tragen von Prothesen unabhängig assoziert mit Heliobacter-pylori-Titern als möglichem Hinweis für eine Infektion über die Mundhöhle [31]. Individualisierungen der äußeren Prothesenflächen sind zu vermeiden, auch die Übergänge zu den Zähnen sollten ohne Furchen glatt poliert sein, um Anlagerungen von Nahrungsresten gering zu halten und die Pflege effizient zu ermöglichen [29].
Bei fortgeschrittener Demenz akzeptieren Patienten den Zahnersatz nicht mehr, oder die Prothese kann aus anderen Gründen nicht mehr inkorporiert werden, zum Beispiel nach Schlaganfall bei wachkomaähnlichen Zuständen. Die fehlende Reinigung der Implantate kann zu Entzündungen führen, oder der in die Mundhöhle ragende Pfosten wirkt als Trigger für Parafunktionen mit der Zunge und anderen Weichteilen. Diese Patienten entwickeln eine dauerhafte Dysfunktion, und zusätzlich ist die Nahrungsaufnahme erschwert. Bei anderen Patienten entsteht ein ausgeprägter Bruxismus. In diesen Fällen ist es hilfreich, die Suprastruktur inklusive Implantatpfosten zu entfernen. Eine Explantation wäre zu risikoreich und unter den Bedingungen der Pflege kaum beziehungsweise oft nur unter Narkose machbar. Das Implantat kann im Kieferknochen verbleiben, da es bei krestaler Lage der Implantatschulter von der Schleimhaut bedeckt wird und zum „sleeping implant“ wird. Abnehmbare (verschraubte, semi-definitiv zementierte) Suprastrukturen erleichtern diesen Rückbau. Eine Exposition der Implantatschulter durch die Mukosa („Soft Tissue Level“-Implantate) kann dieses Vorgehen erschweren und zu periimplantären Entzündungen führen. Kugelköpfe einteiliger Miniimplantate sind nicht rückbaubar. Plaquebedingte Mukositiden um Miniimplantate sind selten und verlaufen in der Regel mild bis moderat [19]. Bei Periimplantitis ist der Knochenabbau auf das Implanat begrenzt und es entstehen keine breiten Krater, sondern die Ossointegration geht nahe der Schraube verloren. Das Implantat kann dann mit dem Insertionsschlüssel entfernt werden. Falls der Kugelkopf bei stabilen Miniimplantaten stört, ist die Abtrennung des Kugelkopfs mit Diamanten eine schnelle Option.

Fazit
Der Anteil dentaler Implantate bei Pflegebedürftigen wird ansteigen, und somit wachsen auch die Risiken für Implantatversorgungen – obwohl das Alter selbst kein Risiko darstellt. Ältere Patienten können aufwendige festsitzende Supra­konstruktionen erhalten, vorausgesetzt, sie sind pflegefähig, bedingt abnehmbar – semidefinitiv zementiert, verschraubt – und somit um- und bei Bedarf rückbaubar. Für Patienten mit funktionellen und medizinischen Einschränkungen lauten die Grundsätze: minimalinvasiv, leicht zu pflegen sowie umbau- und erweiterbar.

Literaturverzeichnis unter
www.teamwork-media.de/literatur

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